# taz.de -- Brände im Amazonas-Regenwald: Stiefel statt Statistik
       
       > Im vergangenen Jahr brannte es im Amazonas-Regenwald. Die Arte-Doku
       > „S.O.S. Amazonas – Apokalypse im Regenwald“ geht den Hintergründen nach.
       
 (IMG) Bild: Ureinwohner vom Stamm der Uru-Eu-Wau-Wau im Amazonas
       
       Es brennen gerade die Wälder Australiens. Und es schwant den Menschen, dass
       der Klimawandel und die vom australischen Kohle-Premier verteidigte
       Energiepolitik des Landes etwas damit zu tun haben könnte.
       
       Im vergangenen Jahr waren es die Wälder Amazoniens, die brannten. Und es
       überraschte nicht wirklich, dass der bereits als frauen- und
       schwulenfeindlich, rassistisch bekannte neue brasilianische Präsident, Jair
       Bolsonaro, die Partei der menschlichen Brandstifter ergriff. Der
       buchstäblichen Brandstifter.
       
       „Brandrodung ist Alltag am Amazonas. Denn es geht um viel mehr als die
       Umwelt. Es geht um Besitz und Profit, es geht um Grund und Boden“, weiß der
       Autor des Films „S.O.S. Amazonas“, Albert Knechtel, zu berichten: „Nur mit
       Hilfe des Agro-Business hat Bolsonaro die Wahl gewonnen. Jetzt soll und
       muss er liefern.“
       
       Bolsonaro selbst hat er offenbar nicht zu einem Interview bewegen können
       und muss sich stattdessen mit einer Auswahl dessen irrer TV-Auftritte aus
       dem Archiv begnügen. Es bleibt bei drei (alten, weißen) Ranchern, deren
       gegen ausländische NGOs ausgestoßene Schimpftiraden als notdürftiges
       Feigenblatt journalistischer Ausgewogenheit kaum taugen.
       
       ## Größter Soja-Exporteur der Welt
       
       Man tritt Knechtel, der schon oft in Brasilien gefilmt hat, nicht zu nahe,
       wenn man sagt, er halte mit seinen Sympathien nicht eben hinter dem Berg.
       Mit seiner Antipathie gegen den gelernten Fallschirmjäger im Präsidentenamt
       auch nicht: „Stiefel statt Statistik: Das ist die Umgebung, in der sich
       Bolsonaro am wohlsten fühlt.“
       
       Fakten dagegen führen in Knechtels Film die ökonomische Bedeutung des
       Regenwaldes vor Augen: „Brasilien ist mit mehr als 83 Millionen Tonnen der
       größte Soja-Exporteur der Welt“, heißt es. Oder: „Übrigens hat die
       Regierung Bolsonaro seit ihrem Amtsantritt im Januar mehr als 400 Pestizide
       genehmigt.“ Zugleich habe ein katholisches Missionswerk im Jahr 2018 „135
       Morde an Indigenen“ gezählt: „Tendenz steigend.“
       
       Die großen Viehzüchter und Sojaproduzenten brennen den Wald ab und nehmen
       das Land in Besitz. Sie rauben der Welt ihren wichtigsten CO2-Speicher und
       den Indios und Kleinbauern ihre unmittelbare Lebensgrundlage. Wenn sie sie
       nicht auch noch umbringen. „Das ist die Handschrift des weißen Mannes“,
       kommentiert Knechtel. „Aber auch das Gesetz hat eine Farbe. Und die ist:
       Weiß.“
       
       Dabei hat er doch zuvor Girolamo Treccani, Professor für Agrarrecht an der
       Universität Belém, erklären lassen: „Artikel 231 der Verfassung von 1988
       erkennt die Rechte der indigenen Völker an. Da gibt es gar keine
       Diskussion! Also ist die Weigerung der aktuellen Regierung, weiterhin
       indigene Gebiete anzuerkennen, ein direkter Verfassungsbruch.“ Das Problem
       scheint also weniger das Gesetz zu sein als dessen Durchsetzung.
       
       ## Wer ist verantwortlich?
       
       So martialisch die brasilianische Polizei in den Favelas von Rio und São
       Paulo auftritt – so abwesend ist sie in den Weiten Amazoniens. Wo, in
       Knechtels Bildern, die verzweifelten Indios zu Pfeil und Bogen greifen,
       während die Rancher ihren Wohlstand ausgelassen feiern: mit Bergen von
       Fleisch, auf Anwesen mit Pool und allem Komfort.
       
       Nicht nur sie tragen aber Verantwortung. „Bei der Rinderzucht entstehen
       eine Menge Treibhausgase. Unser Fleischkonsum trägt also zum Klimawandel
       bei.“ Der Tofu-Konsum auch. „Warum eigentlich ist abgeholzter Wald mehr
       wert als ein intakter Urwald?“, fragt Knechtel. Und lässt den
       Forstingenieur Tasso Azevedo einen Lösungsweg skizzieren, der der globalen
       Bedeutung des Amazonas-Regenwaldes Rechnung trägt: „Pro Barrel Rohöl ein
       Dollar als Abgabe für den Erhalt der Regenwälder und das Speichern des
       CO2.“
       
       Aber hoppla, da müssten wir ja in die eigene Tasche greifen. Obwohl es doch
       einfacher, das heißt: billiger ist, sich über einen zündelnden Präsidenten
       auf der anderen Seite des Atlantiks zu empören.
       
       14 Jan 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jens Müller
       
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