# taz.de -- Sanktionen gegen Pipeline Nord Stream 2: Der Westen zerlegt sich
       
       > Sie ist fast fertig – nun wollen die Vereinigten Staaten die umstrittene
       > Gas-Pipeline über Sanktionen stoppen. Deutsche sind sauer.
       
 (IMG) Bild: Das Rohrverlegungschiff „Solitair“ verlegt die Nord Stream 2 Pipeline in russischen Gewässern
       
       Washington/Moskau dpa/taz | Das US-Repräsentantenhaus hat Sanktionen gegen
       Firmen im Zusammenhang mit der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 auf den Weg
       gebracht. Die Abgeordneten votierten am Mittwochabend (Ortszeit) mit 377 zu
       48 Stimmen für ein Gesetzespaket zum Verteidigungshaushalt (NDAA), in das
       das Sanktionsgesetz eingefügt worden war. Erwartet wird, dass der Senat das
       Paket noch vor Beginn der Sitzungspause Ende nächster Woche verabschiedet.
       Ein Termin dafür steht noch nicht fest. Das Weiße Haus hat bereits deutlich
       gemacht, dass US-Präsident Donald Trump das Gesetzespaket unterzeichnen
       wird.
       
       Die USA argumentieren, dass sich Deutschland mit der Pipeline in
       Abhängigkeit von Russland begeben würde. Die deutsche Wirtschaft in
       Russland verurteilte die geplanten Sanktionen als Schlag gegen die
       Energiesicherheit in Europa und rief die Bundesregierung zu Gegenmaßnahmen
       auf.
       
       Der Betreiber der Pipeline selbst will sich nicht zu den näherrückenden
       US-Sanktionen äußern. „Uns sind die politischen Debatten sowie die
       Gesetzesinitiativen im US-Kongress bekannt“, teilte ein Sprecher der Nord
       Stream 2 AG im schweizerischen Zug mit. „Wir können uns zu etwaigen
       Auswirkungen auf unser Projekt nicht äußern.“
       
       [1][Nord Stream 2 soll vom kommenden Jahr an unter Umgehung von Polen und
       der Ukraine Gas von Russland nach Deutschland liefern.] Bislang wurden nach
       Angaben des Nord-Stream-2-Konsortiums mehr als 2.100 Kilometer des
       Doppelstrangs in der Ostsee verlegt, rund 300 Kilometer fehlen noch. Der
       US-Kongress will die Fertigstellung des Projekts verhindern. Die Sanktionen
       könnten es zumindest verzögern.
       
       ## Sanktionen würden auch Folgeprojekte treffen
       
       Die Sanktionen im „Gesetz zum Schutz von Europas Energiesicherheit“ zielen
       auf die Betreiberfirmen der hoch spezialisierten Schiffe ab, mit denen die
       Rohre für die Pipeline durch die Ostsee verlegt werden. Auch Turkish Stream
       – eine russische Pipeline, die durch das Schwarze Meer Gas in die Türkei
       bringen soll – wäre betroffen. Die Sanktionen sollen auch für Folgeprojekte
       beider Pipelines gelten.
       
       Das Gesetz sieht vor, dass der US-Außenminister in Absprache mit dem
       Finanzminister dem Kongress binnen 60 Tagen berichtet, welche Schiffe
       eingesetzt werden und welche Firmen diese Schiffe zur Verfügung gestellt
       haben. Gegen Manager der Firmen und deren Hauptaktionäre mit
       Kontrollmehrheit sollen Einreiseverbote in die USA verhängt werden.
       Bestehende Visa sollen widerrufen werden. Transaktionen der Betroffenen,
       die sich auf ihren Besitz oder ihre geschäftlichen Interessen in den USA
       beziehen, sollen blockiert werden können.
       
       ## Eigeninteresse der USA
       
       Nord Stream 2 kostet rund 10 Milliarden Euro. Die Leitung wird je zur
       Hälfte vom russischen Energieriesen Gazprom und den fünf europäischen
       Unternehmen OMV, Wintershall Dea, Engie, Uniper und Shell finanziert. Mehr
       als 90 Prozent der Strecke sind bereits fertiggestellt.
       
       Sowohl Präsident Trump als auch Demokraten und Republikaner aus beiden
       Kammern des Kongresses laufen seit langem Sturm gegen Nord Stream 2. Die
       Auswärtigen Ausschüsse im Repräsentantenhaus und im Senat hatten bereits
       vor Monaten mit überwältigenden Mehrheiten Gesetzentwürfe mit Sanktionen zu
       Nord Stream 2 verabschiedet. Kritiker verweisen darauf, dass die USA sich
       darum bemühen, ihr eigenes Flüssiggas in Europa zu verkaufen.
       
       ## AHK fordert Gegensanktionen
       
       Der Chef der deutsch-russischen Auslandshandelskammer (AHK), Matthias
       Schepp, sagte: „Wir sollten auf Sanktionen, die Europa schädigen, mit
       Gegensanktionen antworten.“ Schepp fügte hinzu: „Es ist an der Zeit, dass
       Berlin und Brüssel eine klare politische Position beziehen und mit
       gezielten Gegenmaßnahmen antworten.“
       
       Schepp betonte, die energiepolitische Unabhängigkeit Europas stehe auf dem
       Spiel. Nord Stream 2 erhöhe die Energiesicherheit in Europa und sorge für
       günstige Energiepreise – auch im Vergleich zum teureren amerikanischen
       Flüssiggas (LNG). Die USA wollten mit den Sanktionen den Verkauf von LNG
       nach Europa fördern.
       
       „Deutschland braucht günstige Energiepreise, um mit seinen
       energieintensiven Industrien im weltweiten Wettbewerb bestehen zu können“,
       sagte Schepp. Eine zu hohe Abhängigkeit von russischem Gas in Deutschland
       wies er als „Scheinargument“ zurück. Die EU hänge bei „nüchterner
       Betrachtung der Fakten unzweifelhaft weniger vom russischen Gas ab als
       Russland von den Deviseneinnahmen für in die EU geleitetes russisches Gas“.
       Die Sanktionen würden aber weniger Russland treffen, [2][sondern in erster
       Linie europäische Unternehmen und deutsche Energieinteressen.]
       
       ## Trump: Deutschland wird zur „Geisel Russlands“
       
       Eingebracht haben das Gesetz der republikanische Senator Ted Cruz und die
       demokratische Senatorin Jeanne Shaheen. Cruz erklärte vor der
       Verabschiedung durch das Repräsentantenhaus, man werde sicherstellen, dass
       die Sanktionen voll umgesetzt würden. Shaheen nannte das Gesetz eine
       „überparteiliche Botschaft des Kongresses an Wladimir Putin, dass die
       Vereinigten Staaten nicht tatenlos zusehen werden, während der Kreml
       versucht, seinen bösartigen Einfluss weiter zu verbreiten“.
       
       Das US-Außenministerium hatte bei einer Anhörung im Senat in der
       vergangenen Woche eingeräumt, dass diplomatische Versuche, die
       Fertigstellung der Ostsee-Pipeline zu verhindern, bislang nicht zum Erfolg
       geführt hätten. Trump hat bereits vor Monaten gewarnt, Deutschland könnte
       mit der Pipeline zur „Geisel Russlands“ werden.
       
       12 Dec 2019
       
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