# taz.de -- Reform von Extinction Rebellion: Neustart der Klimarebellen
       
       > Nach den Holocaust-Aussagen von Mitgründer Hallam: Der deutsche
       > XR-Ableger will seine Strukturen kritisch hinterfragen.
       
 (IMG) Bild: XR-Deutschland distanziert sich nach wie vor deutlich von XR-Mitgründer Roger Hallam
       
       Berlin taz | Der deutsche Ableger der Klimabewegung Extinction Rebellion
       (XR) will sich [1][nach den holocaustrelativierenden Aussagen] von
       XR-Mitgründer Roger Hallam von der englischen Kerngruppe emanzipieren und
       die eigenen Strukturen erneuern. Das beschlossen rund 200 Teilnehmer*innen
       auf dem Vernetzungstreffen in Heidelberg am vergangenen Wochenende, an dem
       rund 70 Ortsgruppen und zwanzig Arbeitsgruppen aus ganz Deutschland
       teilgenommen haben.
       
       „Die Zeiten sind vorbei, dass wir Inhalte aus England einfach übernehmen.
       Stattdessen müssen wir unsere eigenen Strukturen kritisch hinterfragen“,
       sagt Tino Pfaff vom deutschen Presseteam von XR. Die Selbstkritik solle
       damit beginnen, herauszuarbeiten, wie Hallam seine Macht genau missbraucht
       habe. „Und das hat er auf jeden Fall“, sagt Pfaff. Da XR dezentral
       organisiert ist, hätte “er gar nicht das Recht gehabt, für den deutschen
       Ableger zu sprechen, und hat so sein Mandat verletzt“.
       
       Pfaff sieht hier ein grundsätzliches Strukturproblem von XR, mit dem sich
       künftig eine Arbeitsgruppe beschäftigen soll: Zwar seien fehlende
       Machthierarchien ein zentrales Merkmal der Klimabewegung. „Da Hallam aber
       als Führungsfigur wahrgenommen wird, hat er trotzdem eine große Macht, die
       sich auch auf die ganze Bewegung auswirkt.“ Nach Hallams
       Holocaustrelativierung könne der Generalverdacht erweckt werden, dass sich
       bei XR Antisemit*innen tummeln.
       
       Um diesen Vorwurf zu entkräften, erarbeitete XR Deutschland zusammen mit
       dem Theologen und Post-Holocaust-Forscher Jürgen Manemann [2][einen
       Blogbeitrag], in dem die Aussagen Hallams eingeordnet und als eindeutig
       antisemitisch eingestuft werden. „Roger Hallam hat nicht nur den Holocaust
       relativiert. Er hat die Relativierung der nationalsozialistischen
       Judenvernichtung in der Absicht vorgenommen, die eigene Macht zu stärken,
       Spaltung zu betreiben und anderen zu schaden“, heißt es im Beitrag.
       
       ## Querfrontinhalte in Hallams Buch
       
       Faschist*innen könnten durch Hallam ermuntert werden, sich XR
       anzuschließen. Das würde eine Querfront bilden, also eine Bewegung, die
       „quer“ zu links- und rechtsgerichten politischen Inhalten steht und die
       gegensätzlichen Ideologien miteinander verbindet.
       
       Aussagen Hallams, dass bei XR auch jemand mitmachen könne, wer „ein
       bisschen sexistisch oder rassistisch denkt“, erhärteten die Befürchtung,
       dass sich bei XR Querfrontstrukturen bilden könnten. “Da waren wir zu
       Beginn zu naiv und müssen uns hinterfragen, damit unsere Bewegung nicht von
       rechts vereinnahmt wird“, sagt Pfaff. Potenzielle Querfrontinhalte in
       Hallams Buch “Common Sense“ sollen systematisch untersucht werden.
       
       Die Soziologin und Politikerin Jutta Ditfurth kritisierte [3][in einem
       Facebook-Post], dass sich in Hallams Buch „direkte und indirekte
       Relativierungen des Holocaust und andere Scheußlichkeiten zwischen vielem
       dummem und gefährlichem Zeug“ finden. Der Ullstein Verlag zog die
       Veröffentlichung von Hallams neuem Buch „Common Sense“ zurück. Es sollte
       ursprünglich am 26. November erscheinen. Hallams Autoreneintrag ist
       [4][auf der Website] von Ullstein nicht mehr auffindbar.
       
       ## Stura Freiburg entzieht XR die Unterstützung
       
       Auch das von Teilen von XR verfolgte Konzept der Tiefenökologie will XR
       Deutschland künftig hinterfragen. Das Konzept ist eine spirituelle
       „ganzheitliche“ Umwelt- und Naturphilosophie, die den Menschen als soziales
       Wesen leugnet, wie einige Forscher sagen.
       
       Ditfurth hatte das Konzept Mitte Oktober [5][in einem Interview] mit der
       Frankfurter Rundschau kritisiert. Ein Mensch sei danach nicht mehr wert als
       eine Pflanze. Diese Ideologie habe “ihre Wurzeln in einem faschistischen
       Menschenbild und entwertet den Menschen“, sagte Ditfurth. Pfaff hält die
       Kritik für gerechtfertigt, da die Philosophie der Tiefenökologie auch
       “interpretative Tendenzen“ in Richtung Überbevölkerung und Migration bieten
       könne. [6][Ditfurths Vorwurf], XR sei eine Sekte, weist er aber entschieden
       zurück.
       
       Nach den Aussagen von Hallam hatte der Student*innenrat (Stura) Freiburg
       der lokalen XR-Ortsgruppe Ende November die ideelle Unterstützung entzogen,
       weshalb sie nun Räume und Kopierer der Universität nicht mehr nutzen
       können. Hallam sei jedoch nur das „Zünglein an der Waage“ gewesen, sagt
       Christian Kröper, Referent für Hochschulpolitik in Freiburg. Entscheidend
       seien Ditfurths Kritik und [7][die widersprüchlichen Aussagen der
       XR-Ortsgruppe bei einer Studierendenratssitzung gewesen].
       
       Auslöser des Skandals um Hallam [8][war ein Interview] mit der
       Wochenzeitung Die Zeit, in dem er den Holocaust als „fast normales
       Ereignis“ bezeichnete, das für ihn „nur ein weiterer Scheiß („just another
       fuckery“) in der Menschheitsgeschichte“ sei. [9][Später veröffentlichte
       interne Mails] mit Strategieempfehlungen belegen, dass Hallam seine
       Aussagen als gezielte Provokation geplant hatte, um Medienaufmerksamkeit zu
       bekommen. [10][In einem weiteren Interview] mit dem Spiegel [11][legte er
       mit einem Gaskammervergleich nach].
       
       Nach massiver öffentlicher Kritik [12][entschuldigte er sich auf Facebook]
       für seine Wortwahl, zu Teilen seiner Aussage steht Hallam aber weiter. Er
       finde nicht, dass „ich mich entschuldigen muss für die Aufmerksamkeit, die
       ich auf den Genozid gelenkt habe, der gerade passiert“. Kurze Zeit später
       [13][beschwerte er sich], dass seine Aussagen aus dem Kontext gerissen
       seien und er ein Opfer der Medien sei.
       
       10 Dec 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Antisemitismus-bei-Extinction-Rebellion/!5640298
 (DIR) [2] https://extinctionrebellion.de/blog/extinction-rebellion-was-wir-aus-hallam-lernen-k%C3%B6nnen/
 (DIR) [3] https://www.facebook.com/Jutta.Ditfurth/posts/2391106544352283/
 (DIR) [4] https://www.ullstein-buchverlage.de/nc/autoren/autor-detailansicht/name/roger-hallam.html
 (DIR) [5] https://www.fr.de/politik/jutta-ditfurth-extinction-rebellion-eine-weltuntergangssekte-13116627.html
 (DIR) [6] https://www.facebook.com/Jutta.Ditfurth/posts/2391390807657190?__tn__=K-R
 (DIR) [7] https://www.stura.uni-freiburg.de/gremien/studierendenrat/protokolle/wise19_20/stura_protokoll_2019_11_19/Protokoll_2019_11_19/view
 (DIR) [8] https://www.zeit.de/2019/48/extinction-rebellion-roger-hallam-klimaaktivist/komplettansicht
 (DIR) [9] https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/eine-gezielte-provokation
 (DIR) [10] https://www.spiegel.de/plus/roger-hallam-extinction-rebellion-das-ist-wie-mit-der-weissen-rose-a-87553525-74c1-44bf-870a-32c7b2208891
 (DIR) [11] /Antisemitismus-bei-Extinction-Rebellion/!5643440
 (DIR) [12] https://www.facebook.com/roger.hallam.7/posts/2715359305251702
 (DIR) [13] https://www.facebook.com/roger.hallam.7/posts/2730403793747253
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Denis Giessler
       
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