# taz.de -- Eine japanische Bauhausgeschichte: Schönheit, die sich ertasten lässt
       
       > 1930 kam Yamawaki Michiko nach Dessau. In ihrer Monografie erzählt Mariko
       > Takagi die hierzulande bislang unbekannte Geschichte dieser Frau.
       
 (IMG) Bild: Yamawaki Michiko
       
       „Würde ich noch einmal in der gleichen Zeit und im gleichen Umfeld
       wiedergeboren werden, würde ich wieder ans Bauhaus gehen. Und ich würde
       wieder Iwao heiraten. Diesmal würde ich allerdings keine passive Haltung
       einnehmen und einfach nur Iwao blind folgen. Ich hoffe, dass ich beim
       nächsten Mal ein aktiveres, selbstbestimmteres Leben führen würde“,
       resümierte die 85-jährige Yamawaki Michiko in ihrer 1995 erschienenen
       Biografie.
       
       Dabei war sie – 1932 nach einem zweijährigen Studium am Bauhaus nach Japan
       zurückgekehrt – dort eine überaus rege und engagierte Propagandistin der
       deutschen Einrichtung. Durch die Publikationen ihrer Erfahrungen in Dessau,
       durch die Ausstellungen mit ihren aus dem Bauhaus mitgebrachten Möbeln,
       Kunstwerken und Designobjekten, vor allem aber durch ihre am Bauhaus
       orientierte Lehr- und Bautätigkeit leisteten sie und ihr Mann einen äußerst
       wichtigen Beitrag zur Entwicklung des japanischen Designs, der Architektur
       und der Lehre, wie Mariko Takagi, Professorin am Doshisha Women’s College
       in Kyoto, berichtet.
       
       Ihre Studie „Yamawaki Michiko. Eine japanische Bauhausgeschichte“ dürfte
       eine der überraschendsten Veröffentlichungen in diesem an
       Veröffentlichungen nicht armen Bauhaus-Jubiläumsjahr sein. Zum ersten Mal
       hatte sich Takagi mit Yamawaki Michiko in ihrer Dissertation über westliche
       Einflüsse auf das japanische Verständnis von Typografie befasst. Dass aus
       der damaligen Randfigur nun die Heldin einer 430 Seiten starken Monografie
       wurde, verdankt sich [1][Wita Noack vom Mies-van-der-Rohe-Haus], die sich
       zum Bauhaus-Geburtstag ein japanisch-deutsches Projekt vorstellen konnte.
       
       Wie die Geschichte ist auch die Buchgestaltung besonders: zweisprachig
       gedruckt, englisch auf der linken Seite, deutsch auf der rechten und die
       Zitate dazu als japanischer Schriftsatz, damit sie in der Übersetzung
       nachvollziehbar sind. Statt Fotos enthält der Band Illustrationen der
       Grafikdesignerin Anika Takagi, einer Schwester der Autorin.
       
       Ihre Zeichnungen basieren auf Fotografien in der von [2][Yamawaki Michiko]
       mit Kawahata Naomichi herausgegebenen Autobiografie Michikos und auf den
       von Karl Lagerfeld im Steidl Verlag veröffentlichten Aufnahmen ihres Mannes
       Yamawaki Iwao. Eine Zeichnung von Yamawaki Michiko am Webstuhl basiert auf
       dem Foto des Bauhäuslers Hajo Rose.
       
       ## Ein erhellendes Vergnügen
       
       Sowohl das hervorragende funktionierende, komplexe Layout des Buches wie
       die sorgfältige und durchdachte Kontextualisierung der Geschichte Yamawaki
       Michikos durch die Autorin machen die Lektüre zu einem erhellenden
       Vergnügen. Gerade weil der Prozess, wie die westliche Moderne nach Japan
       kam, oft ein wenig exotisch wirkt. Etwa wenn der Grund von Yamawaki
       Michikos Reise 1930 ans Bauhaus in Dessau in ihrer arrangierten Ehe zu
       finden ist.
       
       Die Tochter aus gutem und äußerst wohlhabendem Haus war altem Brauch
       entsprechend nach dem Tod ihres Onkels väterlicherseits Vorstand von dessen
       Familie geworden. Aus diesem Grund musste der ihr zugedachte Gatte, der
       Architekt Fujita Iwao, ihren Namen annehmen. Er willigte ein, aber nur
       unter der Bedingung, dass ihm sein Schwiegervater in spe ein Studium am
       Bauhaus finanzieren würde.
       
       Wie Mariko Takagi systematisch darlegt, gab es 1930 schon einige japanische
       Veröffentlichungen zum Bauhaus, die Iwao wohl zu dieser Reise angeregt
       hatten. Michiko entschied sich dagegen erst kurzfristig, sich nicht mit der
       Rolle der begleitende Ehefrau zu begnügen. Daher belegte auch sie den
       Vorkurs und studierte danach in der Webereiklasse. Anders als Iwao, der
       Architekt mit Berufserfahrung, war ihr einziges Rüstzeug die Erfahrung der
       gelebten Teezeremonie in ihrem Elternhaus. Ihrer Autobiografie gab sie
       folgerichtig den Titel „Bauhaus und die Teekunst“.
       
       Die durch ihre Sprachprobleme oft gehemmte Michiko entwickelte in Dessau
       in dem Moment Selbstbewusstsein, als sie verstand, dass „in beiden Welten
       das Einfache und das Funktionale als gut empfunden und die Eigenschaften
       der Materialien betont werden“, wie sie sagt. Sie sieht beide Welten sich
       in einer Ästhetik des Schmucklosen treffen, einer minimalistischen
       Ästhetik, die vom Auge, aber auch vom Ohr wahrgenommen wird.
       
       Dabei greift sie auf Prinzipien der Teezeremonie zurück und kommt so zum
       Schluss, dass am wichtigsten der Tastsinn sei, wie sie schreibt, „die
       Schönheit, die sich ertasten lässt“. Womit deutlich wird, dass Michiko
       durch ihre Praxis als Ausstellungsgestalterin, Lehrerin und Autorin nicht
       nur den Bauhaus-Gedanken in Japan verankert, sondern ihn auch mit dezidiert
       Japanischem infiltriert hat.
       
       26 Nov 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Archiv-Suche/!842152&s=Wita+Noack&SuchRahmen=Print/
 (DIR) [2] https://de.wikipedia.org/wiki/Michiko_Yamawaki
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Brigitte Werneburg
       
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