# taz.de -- Verleger der „Berliner Zeitung“: Er ist einer von vielen
       
       > Der neue „Berliner Zeitung“-Verleger Holger Friedrich soll Stasi-IM
       > gewesen sein. Der Umgang damit erzählt viel über den Osten – aber auch
       > den Westen.
       
 (IMG) Bild: Holger Friedrich tut gar nicht so, als sei irgendetwas okay an seiner Stasi-Vergangenheit
       
       Der Keks ist gegessen. Das war’s vom Mars. So in etwa geht der Schnack,
       wenn es um den [1][Fall der beiden neuen Herausgeber] der Berliner Zeitung
       geht. Silke und Holger Friedrich heißen sie. Die beiden Ostdeutschen haben
       nicht nur [2][die Zeitung gekauft] – Holger Friedrich war in der Endphase
       der DDR auch inoffizieller Mitarbeiter der Staatssicherheit.
       
       Das ist eine große Scheiße, vor allem für jene, die sein Handeln betrifft.
       Und für die Mitarbeiter einer Zeitung, die das Gefühl gehabt haben mochten,
       da beginne etwas Großes im Zeitungsgeschäft, und sie säßen mit in der
       Rakete. Und nun: Verrat.
       
       Stasi ist dunkelster Osten, von dem schon länger nicht mehr die Rede war.
       Silke und Holger Friedrich – die sind irritierenderweise schillernd und
       selbstbewusst. Und reich – mit eigener Privatschule und Wohnsitz am
       Wannsee. Zum Glück bockt nun die Stasi-Enthüllung das gewohnte Ostler-Bild
       wieder auf das alte, aber noch fahrbereite Chassis, um weiter durch das
       vertraute Dickicht der Vorurteile kreuzen zu können. Wie angenehm rollt es
       sich auf den gewohnten argumentativen Strecken, wenn man sich selbst –
       einzig biografisch bedingt – nie fragen musste: Wie hätte ich gehandelt?
       
       Blöd nur, dass Holger Friedrich gar nicht so tut, als sei irgend etwas
       normal oder okay an seiner Stasi-Vergangenheit. Anwerbung –
       Verpflichtungserklärung – Verrat? Es könnte so einfach sein. Ist es aber
       nicht. Friedrich war der Republikflucht verdächtigt und wurde deshalb
       erpresst. Seinen auszuspähenden Freunden gegenüber hat er – offenbar kein
       Freund des Landes – sich offenbart. Dekonspiration war (jetzt nicht
       erschrecken, liebe westdeutsche MitbürgerInnen) gar nicht so selten. Es war
       eine Methode, sich von diesem Geheimdienst und seinen Erpressungsversuchen
       abseilen zu können. Sonst hörte das nämlich nie auf.
       
       ## Aneignung durch den Westen
       
       Man muss das alles nicht verstehen. Und dreißig Jahre nach dem Fall der
       Mauer scheint nachlassendes Interesse an den moralischen Windungen und
       Verwerfungen der Ostdeutschen verständlich. Aber bitte, wenn es doch zu
       einer Meinung, einer Haltung reicht – dann vorher gut informieren. Und
       immer schön dran denken: Der Osten, der geht nicht mehr weg. Der bleibt
       Teil der Familie, auch wenn er oft fremd und problematisch ist.
       
       Dass jetzt so locker geurteilt wird, ist auch ein Ergebnis von dreißig
       Jahren Aneignung des Stasi-Themas durch den Westen. All die Filme mit den
       beige bejackten und durch Stahlbrillen schielenden Freaks; die Sächsisch
       sprechenden Verhörer und ihre zarten weiblichen Opfer. Dabei war die Stasi
       buchstäblich überall in der DDR, sie war ein gruseliger Geheimdienst, der
       auch lächerlich sein konnte. Er triezte Menschen, er war menschengemacht.
       
       Die Stasi war dein Kollege, deine Lehrerin, der nette Nachbar mit dem
       Hausbuch. Menschen, die heute noch deine Blumen gießen, wenn du in den
       Urlaub fährst. Nur weil ein Staat untergeht, verschwinden nicht seine
       Menschen. Holger Friedrich ist nur einer von ihnen.
       
       18 Nov 2019
       
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