# taz.de -- Osnabrücker Maßnahme zum Klimaschutz: Sie wissen nun, was sie tun
       
       > In Osnabrück soll jede Beschlussvorlage künftig „Auswirkungen auf den
       > Klimaschutz“ nachweisen. Die Maßnahme hat weitreichende Konsequenzen.
       
 (IMG) Bild: Musste gemäß von Bauleitkriterien gebaut werden: Photovoltaikanlage auf einem Osnabrücker Möbelhaus
       
       Osnabrück taz | Wenn Detlef Gerdts aus dem Fenster sieht, im Chefbüro des
       Fachbereichs Umwelt und Klimaschutz der Stadt Osnabrück, sieht er ins
       Grüne. Eigentlich. Manche Baumkrone ist schon jetzt tiefbraun, manche
       vollständig kahl, und das liegt nicht am Herbst. „Das ist die Trockenheit“,
       sagt Gerdts bitter. „Eine Folge der Klimakrise. Geht das so weiter, wird
       viel Grün aus dem Stadtbild verschwinden.“
       
       Maßnahmen gegen die Klimakrise zu entwickeln, ist für Gerdts seit vielen
       Jahren Alltag. Aber dass sein Fachbereich damit bundesweit Aufsehen erregt,
       ist etwas Besonderes. Am 5. November war es so weit. Gerdts gab die
       Mitteilungsvorlage VO/2019/4559 in den Rat: „Anstrengungen für kommunale
       Klimapolitik verstärken“. Ihr Titel ist dröge. Aber was drinsteht, hat
       Kraft.
       
       „Ab sofort“ werde der Rat „die Auswirkungen auf das Klima bei relevanten
       Entscheidungen besser berücksichtigen“ und „Lösungen bevorzugen, die sich
       positiv auf den Klimaschutz auswirken.“ Osnabrück hat zwar nicht, wie
       Konstanz, den Klimanotstand ausgerufen. Aber VO/2019/4559 bedeutet fast
       dasselbe. Jede der jährlich rund 800 Beschlussvorlagen muss künftig
       „Auswirkungen auf den Klimaschutz“ nachweisen.
       
       Gibt es welche, positive oder negative, für mehr als ein Jahr Dauer, mit
       mehr als 10 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr, dann tritt Gerdts’ Fachbereich
       auf den Plan. Sind sie „relevant negativ“, für bis zu 5 Jahre und länger,
       bis 400 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr und darüber, erarbeitet er
       „klimaverträglichere Alternativen“. Auch eine Verzichtsempfehlung hat er im
       Arsenal.
       
       „Soweit wir wissen“, sagt Gerdts, „sind wir die erste Kommune, die dafür
       ein Verfahren entwickelt hat.“ Umweltamtsleiter vieler Städte haben an
       dieser Pionierarbeit Interesse, das Deutsche Institut für Urbanistik, der
       Deutsche Städtetag.
       
       Das Problem: An die Alternativen und Empfehlungen ihrer Fachverwaltung
       müssen Osnabrücks Politiker sich nicht halten. „Aber dann wissen sie
       zumindest, was sie da entscheiden“, sagt Gerdts. „Wichtig ist vor allem,
       dass das Klimabewusstsein nicht erst einsetzt, wenn längst Fakten
       geschaffen sind. Durch verfrühte Ausschreibungen zum Beispiel.“
       
       Dass die Mitteilungsvorlage VO/2019/4559, obwohl interfraktionell gewollt,
       „nicht überall auf Begeisterung stößt“, ist Gerdts klar. Schließlich setzt
       das neue Maßnahmenpaket die Bereitschaft zur Selbstkritik voraus, zum
       Wandel. Den Oberbürgermeister nimmt es in die Pflicht, öffentlich über den
       Fortschritt zu berichten. Den stadteigenen Stadtwerken fordert es eine
       Strategie zum Ausstieg aus fossilen Energieträgern ab. Prüfauftrag reiht
       sich an Prüfauftrag, von der Verbesserung des Regionalverkehrs bis zur
       Klimaneutralität für kommunale Gebäude. Ehrgeizig.
       
       Tobias Demircioglu, Greenpeace Osnabrück, sieht in alldem „Schritte in die
       richtige Richtung“. Entscheidend sei indes, „wie ernst die Politik dieses
       Instrument nimmt, was es konkret bewirkt“. Etwa für neue Baugebiete:
       „Pflicht zur Photovoltaik oder Solarthermie!“, fordert Demircioglu. „Bauen
       nur, wo es auch ÖPNV gibt! Keine Vollversiegelung von Autostellflächen!“ Zu
       tun gebe es viel. „Überall. Dringlichst.“
       
       Das ist richtig. Osnabrücks „Masterplan 100 Prozent Klimaschutz“ sieht eine
       Senkung der Kohlendioxid-Emissionen um 95 und des Energieverbrauchs um 50
       Prozent bis zum Jahr 2050 vor, im Vergleich zu 1990, und bisher sehen die
       Resultate mager aus.
       
       Aber der Druck ist hoch. Auch durch die örtliche Fridays for
       Future-Bewegung (FFF). Sie war am Dienstag ebenfalls Thema im Rat. Gerdts
       hat zu ihrer „drastische Veränderungen“ fordernden Resolution, jüngst vor
       8.000 Demonstrierenden Oberbürgermeister Wolfgang Griesert (CDU) übergeben,
       eine Stellungnahme geschrieben – sehr positiv.
       
       Die Bäume vor seinem Fenster rettet das leider nicht.
       
       7 Nov 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Harff-Peter Schönherr
       
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