# taz.de -- Konferenz gegen Clankriminalität: Politik der Nadelstiche
       
       > Bei einer Fachtagung diskutierten Sicherheitsexperten in Berlin über
       > Strategien gegen kriminelle Mitglieder arabischstämmiger Clans.
       
 (IMG) Bild: Der Clan: Holger Münch (4.v.r.) Andreas Geisel (Mitte), Barbara Slowik, Christan Steiof (1.v.l.)
       
       Der Boss kam erst in der Mittagspause. Im Foyer, wo die anderen
       Tagungsteilnehmer ihre Kartoffelsuppe löffelten, ließ sich der Chef des
       Bundeskriminalamts Holger Münch von einem Mitarbeiter über den Verlauf des
       Vormittags informieren. Viel verpasst hatte der oberste Fahnder
       Deutschlands nicht.
       
       Auf der Konferenz diskutierten Experten am Donnerstag im Hause von
       Innensenator Andreas Geisel (SPD) über Strategien gegen kriminelle
       Mitglieder von arabischstämmigen Clans. Mit dabei: ein Ermittler von
       Europol, Berlins Polizeipräsidentin [1][Barbara Slowik], der BKA-Chef und
       die LKA-Chefs von Berlin, Bremen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Im
       Panel „Lokale Perspektive“ diskutierte Neuköllns Bürgermeister Martin Hikel
       (SPD) mit dem Oberstaatsanwalt Sjors Kamstra, zuständig für organisierte
       Kriminalität. Im Panel „Zivilgesellschaftliche Perspektiven“ diskutierten
       Wissenschaftler mit einem Reporter von Spiegel-TV. Mitarbeiter der
       Polizeien von Bund und Ländern und Politiker hörten zu. Fragen hatte kaum
       jemand, als das Mikrofon geöffnet wurde.
       
       Im Fokus stehen in Berlin laut Oberstaatsanwalt Kamstra sieben bis acht
       Familienverbände mit einem libanesischen, palästinensischen beziehungsweise
       kurdisch-arabischen Hintergrund. Bundesweit sprach BKA-Chef Münch von 27
       Großverfahren. Die Delikte: Rauschgift- und Menschenhandel, Einbruchs- und
       Gewaltkriminalität. Die Ermittlungen seien extrem aufwendig, weil sich die
       Verbände komplett abschotteten, hieß es. Dreistes Auftreten,
       Zeugeneinschüchterung, Paralleljustiz, luxuriöser Lebensstil, obwohl die
       Angehörigen offiziell über keine nennenswerten Einkünfte verfügten, so
       listete Kamstra die Symptome auf. „Wir fangen nicht bei null an“, sagte der
       Oberstaatsanwalt, aber: „Die Kriminellen fliegen mit der Concorde und wir
       folgen ihnen mit der Postkutsche.“ Dann präsentierte Kamstra seine
       Wunschliste: Videoaufzeichnung gleich bei der ersten Zeugenvernehmung steht
       darauf und die „Beweislastumkehr“, soll heißen, Verdächtige sollen die
       Herkunft ihres Vermögens belegen müssen. Das 2017 in Kraft getretene Gesetz
       zur strafrechtlichen Vermögensabschöpfung sei gut, gehe aber nicht weit
       genug.
       
       In allen Panels gepriesen wurde die Politik der Nadelstiche. 238 Einsätze
       der Polizei, auch unter Einbeziehung von Ordnungs- und Finanzämtern, hat es
       2019 gegeben. Kleinste Vergehen werden dabei geahndet. Der Neuköllner
       Bürgermeister Hikel freute sich darüber, dass die anderen Bezirke nun auch
       eine Koordinierungsstelle zur Bekämpfung der Clankriminalität einrichten.
       
       So weit, so bekannt. Hervorzuheben wäre vielleicht der Beitrag des
       Islamwissenschaftlers [2][Ralph Ghadban,] der darauf verwies, dass es sich
       um ein hausgemachtes Problem handele. Den Familien sei Anfang der 80er
       Jahre die Integration verweigert worden. Daraufhin hätten sie die Vorteile
       der Familienstruktur für kriminelle Geschäfte entdeckt. Bei der Mafia könne
       jeder ein- und aussteigen. Bei den Clans gebe es diese Möglichkeit nicht.
       Das Hauptproblem für die Polizei sei „diese Geschlossenheit.“ Ghadban
       forderte Aussteigerprogramme vor allem für die Frauen, die ausschließlich
       innerhalb der Familien verheiratet würden. „Die Clans stehen und fallen mit
       den Frauen.“
       
       Auf die Frage der taz, was er sich von der Konferenz erwarte, antwortete
       BKA-Chef Münch: „Es geht um Vernetzung.“ Sagte es und ging vor die Tür zum
       Rauchen. Wenig später steckte sich der Berliner LKA-Leiter Christian Steiof
       neben Münch eine Zigarette an. Das hätte man auch billiger haben können.
       
       25 Oct 2019
       
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