# taz.de -- Verbände gegen rechte Gewalt: Jetzt erst recht!
       
       > Nach den Landtagswahlen vermeiden es Opferverbände, Enttäuschung zu
       > verbreiten. Stattdessen stellen sie klare Forderungen.
       
 (IMG) Bild: Protestveranstaltung gegen die Kundgebung der rechtsextremistischen Bewegung Pro Chemnitz
       
       Leipzig taz | Etwas „Hoffnung verbreiten“, sagt Heike Kleffner, das hatten
       sie sich für den Tag zwei nach den Landtagswahlen in Brandenburg und
       Sachsen vorgenommen. Kleffner recherchiert seit Jahrzehnten als
       Journalistin zum Thema rechte Gewalt, zudem arbeitet sie beim Verband der
       Beratungsstellen (VBRG) für deren Opfer.
       
       Der Verband feierte am Dienstag seinen 20. Geburtstag und veranstaltete
       dazu ein Symposium im Leipziger Theater der jungen Welt. Die Frage des
       Tages: Wie soll man damit umgehen, dass immer mehr Menschen sich berechtigt
       fühlen, völkische Vorstellungen mit Gewalt durchzusetzen? Denn die
       Verhetzung eines beachtlichen Teils der Bevölkerung bekommen immer mehr
       Menschen am eigenen Leib zu spüren: Nichtweiße vor allem, demokratische
       Kommunalpolitiker, engagierte BürgerInnen.
       
       Das sei „mitnichten ein ostdeutsches Phänomen“, sondern ein weltweiter
       Trend, sagte zum Auftakt des Symposiums Matthias Quent, der Direktor des
       Jenaer Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft. Er sieht einen
       klaren Zusammenhang zwischen dem Anstieg „vorurteilsgeleiteter Gewalt“ und
       dem Erfolg von RechtspopulistInnen.
       
       In Großbritannien seien entsprechende Gewalttaten nach dem
       Brexit-Referendum um 23 Prozent angestiegen. Quent spricht von
       „Legitimationseffekten“ – die allgegenwärtige nationalistische Propaganda
       werde von Menschen als „Erlaubnis zum Hassen“ verstanden.
       
       ## „Erlaubnis zum Hassen“
       
       In den USA sei die Häufigkeit solcher Gewalttaten nach Wahlkampfterminen
       von Donald Trump mehr als doppelt so hoch wie in Regionen, in denen er
       nicht aufgetreten war. Die „Erlaubnis zum Hassen“ werde durch hetzende
       politische Akteure erteilt, und sie habe Einfluss auf Milieus, die bislang
       noch gar nichts mit rechter Gewalt zu tun hatten, so Quent. Zahlen des BKA
       zeigten, dass viele Übergriffe der letzten Zeit von ErsttäterInnen verübt
       worden seien.
       
       Quent vermisst Deutlichkeit bei der politischen Verurteilung solcher Taten.
       Nicht einmal nach der [1][Ermordung ihres eigenen Mitglieds Walter Lübke]
       im Juni in Kassel habe die CDU sich zufriedenstellend mit dem Mord
       auseinandergesetzt.
       
       Auf der anderen Seite gebe es eine „taktische Zivilisierung“ im rechten
       Spektrum, etwa bei den Identitären. Diese verwiesen stets auf ihre
       Gewaltfreiheit, verbreiteten aber gleichzeitig eine „strukturell
       gewaltförmige Ideologie“. Diese werde etwa auch vom „Flügel“ in der AfD
       reproduziert. Das Versprechen der Gewaltfreiheit gelte höchstens, „bis man
       die Macht übernommen hat“, so Quent. Er wies darauf hin, dass etwa laut
       Wahlprogramm für die Landtagswahl in Thüringen im Oktober die AfD einem
       „ethnopluralistischen Weltbild“ anhänge. Übersetzt heißt das: Wer kein
       vermeintlich deutsches Blut hat, soll raus. „Wie soll man das anders
       durchsetzen, als mit ganz massiver Gewalt?“, fragt Quent.
       
       Andrea Hübler von dem Projekt „Support – für Betroffene rechter Gewalt“ in
       Dresden wies darauf hin, dass das Anzeigen rechter Gewalttaten oft keine
       adäquaten Konsequenzen hätten. Für die Opfer sei dies „extrem entmutigend“,
       die Täter hingegen würden bestärkt. Hübler kritisierte, dass die Verfahren
       gegen rechtsterroristische Gruppierungen in Sachsen erst vom
       Generalbundesanwalt, nicht aber von der lokalen Justiz vorangetrieben
       wurden.
       
       Die AfD mit ihren nunmehr 38 Abgeordneten im sächsischen Landtag werde den
       Beratungsstellen und Jugendhäusern durch „Diffamierung und Infragestellung
       unserer Arbeit“ das Leben schwer machen, fürchtet sie.
       
       Theresa Lauß von der Thüringer Beratungsstelle ezra wies darauf hin, dass
       die Zahlen zu rechter Gewalt, die die Behörden veröffentlichen, sich nicht
       mit den Statistiken der Beratungsstellen decken. Ihre Erklärung dafür:
       Betroffene erstatteten immer seltener Anzeige. „Sie machen oft die
       Erfahrung, dass Anzeigen ihnen nicht helfen, sondern nur dazu führen, dass
       die Täter ihre Daten erhalten.“
       
       Und die Hoffnung? Judith Porath von der Opferperspektive Brandenburg legte
       dar, was die Beratungsstellen sich wünschen, um Hoffnung hegen zu können:
       Eine „Kultur der Solidarität“ nämlich. Dass etwa Wirte Nazis konsequent vor
       die Tür setzen, wie es etwa in Regensburg praktiziert werde. Dass Opfer
       rechter Gewalt nicht abgeschoben werden. Dass Behördenmitarbeiter nicht
       alleingelassen werden, wenn sogenannte Reichsbürger sie terrorisieren.
       Dass jede Kommune eine Ansprechperson für Opfer rechter Gewalt bekommt, die
       sicherstellt, dass Hilfe und Strafverfolgung gewährleistet seien. „Wenn
       jemand, dem immer wieder Hakenkreuze an die Hauswand geschmiert werden, die
       nicht auf eigene Kosten beseitigen muss, sondern die Kommune hilft, wäre ja
       schon etwas gewonnen.“
       
       4 Sep 2019
       
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