# taz.de -- Architektinnen-Ausstellung in Hamburg: Bauende Frauen
       
       > Seit 1919 können Frauen in Deutschland Architektinnen werden – und sind
       > bis heute unterrepräsentiert. Einige stellt eine Ausstellung in Hamburg
       > vor.
       
 (IMG) Bild: Arbeitende Frauen: im Büro von Ingeborg Kuhler, Mannheim 1986
       
       Hamburg taz | Derzeit scheint es ja beinahe, als sei die Leitung des
       bundesdeutschen Verteidigungsministeriums ein typischer Frauenberuf. Aber
       zwei Ministerinnen, gleich nacheinander, das wird wohl nur die Ausnahme
       bleiben, die eine Regel bestätigt, zumal in einem Ressort, das traditionell
       männliche Tugenden verinnerlicht hat.
       
       Überraschender vielleicht sind die Verhältnisse im Bereich der Architektur
       und des Bauwesens. Mittlerweile starten zwar mehr weibliche als männliche
       Erstsemester ins Architekturstudium – zum Wintersemester 2018/19
       immatrikulierten sich etwa an der Technischen Universität Braunschweig 167
       Studentinnen, das waren knapp 59 Prozent der Anfänger*innen. Die Quote bei
       den Bachelor-Abschlüssen lag 2018 ähnlich, beim Master waren es 60 Prozent
       Absolventinnen.
       
       Aber: Unter den – Stand: 1. Januar 2019 – gut 48.000 freischaffenden
       Hochbauarchitekt*innen hierzulande machen, [1][laut Statistik der
       Bundesarchitektenkammer], Frauen gerade mal 22,2 Prozent aus. Bezieht man
       angestellte, beamtete und baugewerblich tätige Architektinnen ein, ist es
       ein Drittel. Etwas besser sieht es unter den jeweils rund 3.000
       freiberuflichen Stadtplaner*innen, Landschafts- und Innenarchitekt*innen
       aus; in der letztgenannten Fachrichtung herrscht sogar eine weibliche
       Majorität.
       
       Andererseits: So richtig überraschen kann diese unterproportionale Präsenz
       auch nicht; weder angesichts der ausgesprochen äußerst konkurrenzbetonten,
       auf Selbstausbeutung setzenden und wenig familienfreundlichen Realität im
       operativen Geschäft – noch im historischen Rückblick, etwa auf die
       Möglichkeit der Ausbildung.
       
       ## Wer war die erste Architektin?
       
       1919 erhielten deutsche Frauen allgemeinen Zugang zum Hochschulstudium. Um
       1900 bereits hatten zwar einige progressive Akademien, Kunstgewerbe- oder
       Technische Hochschulen sie aufgenommen, häufig jedoch nur als
       Gasthörerinnen. Als erste deutsche Architekturfakultät ebnete 1909 die
       Technische Hochschule Charlottenburg Studentinnen den Weg zu Prüfung und
       Diplom.
       
       Eine Folge: Bis heute ist die Forschung etwas uneins, wer denn nun als
       allererste Architektin in Deutschland zu bezeichnen wäre. Emilie
       Winkelmann, die ab 1902 ein vollständiges, fünfjähriges Studium an der TH
       Hannover absolvierte – jedoch noch ohne Abschluss?
       
       Oder war es doch Elisabeth von Knobelsdorff, die, nach Studien unter
       anderem in München, dann 1911 in Berlin den Grad des Diplomingenieurs
       erlangte, Note „Gut“? Beiden gemeinsam ist, dass sie im fortschrittlichen
       und wirtschaftlich florierenden Berlin ihre Berufstätigkeit aufnahmen:
       Winkelmann war ab 1907 freiberufliche „Architektin“ – der Titel unterlag
       damals noch keinem berufsrechtlichen Schutz – für eine großbürgerliche
       Klientel.
       
       Knobelsdorff wirkte dagegen schwerpunktmäßig im öffentlichen Dienst, für
       den sie zusätzlich die Staatsprüfung ablegte. Vermutet werden aber einige
       noch frühere Pionierinnen der Profession, die zum Studium etwa auf die ETH
       Zürich ausgewichen waren: Dort war Frauen das Vollstudium schon im
       ausgehenden 19. Jahrhundert möglich.
       
       ## Geschlechter-Schieflage
       
       In Hamburg-Barmbek zumindest ist die Frage erstmal entschieden: Emilie
       Winkelmann ist die dienstälteste unter den Architektinnen in der
       Ausstellung „Frau Architekt“, die das Museum der Arbeit vom [2][Deutschen
       Architekturmuseum (DAM) in Frankfurt am Main] übernommen hat.
       
       Dort war die Schau im vergangenen Jahr zu sehen, und das DAM leistete
       parallel dazu gleich noch eine Art öffentlicher Abbitte: Unter den etwa 370
       Ausstellungen, die das Haus seit seiner Eröffnung 1984 gezeigt hat, waren
       rund 100 monografisch – aber nur vier davon Architektinnen gewidmet. Im
       schon 1977 gegründeten Architekturmuseum der TU München war es bislang
       sogar nur eine einzige, und das im Jahr 2014, zur italienischen Architektin
       Lina Bo Bardi.
       
       Wer „Frau Architekt“ in den dunklen, gestrengen Frankfurter Räumlichkeiten
       – Architekt: Oswald Mathias Ungers – gesehen hat, wird von der luftigen
       Neupräsentation in Hamburg angetan sein. Zu den ursprünglich 22 Porträts
       gesellen sich noch zwei Hamburgerinnen: Sibylle Kramer, aktuell
       verantwortlich für Teile der Neuorganisation der örtlichen historischen
       Museen. Und im Video erzählt Brigitte Kraft-Wiese, wie sie sich in der
       Baubehörde für den Erhalt der historischen Bauten im Gaswerk
       Hamburg-Bahrenfeld eingesetzt hat.
       
       ## Eine lange Liste interessanter Frauen
       
       Der Überblick verbleibt nicht im Historischen, selbst wenn dort die
       eigensinnigeren Persönlichkeiten zu finden sind. Da wäre etwa die Weimarer
       Republik mit einer Architektin wie [3][Margarete Schütte-Lihotzky]: Die
       gebürtige Wienerin und spätere Widerstandskämpferin erfand die
       durchrationalisierte „Frankfurter Küche“ für die dortigen
       Sozialbauprogramme; sie wurde etwa 10.000 Mal eingebaut.
       
       Als die Architektin einen Kollegen aus dem Hochbauamt heiratete, musste sie
       wegen des „Doppelbeschäftigungsverbots“ von Ehepaaren in eine freie
       Honorartätigkeit wechseln. Oder Lilly Reich, von 1932 bis zu dessen
       Selbstauflösung im Jahr 1933 am Bauhaus Leiterin sämtlicher Werkstätten.
       
       Zu entdecken wären jüdische Architektinnen wie Lotte Cohn oder Marie
       Frommer. Letztere ging aus Berlin erfolgreich ins Exil nach New York, Cohn
       war bereits in den 1920er-Jahren nach Palästina aufgebrochen: Sie wurde
       eine wichtige Architektin in Tel Aviv, beriet zudem jüdische
       Immigrant*innen aus Europa in der Existenzfindung. Oder die Architektinnen
       der DDR: Kaum jemand weiß um Iris Dullin-Grund, ab 1970 als
       Stadtarchitektin in Neubrandenburg für umfangreiche Neubau- und
       „Reko“-Maßnahmen zuständig.
       
       Dem westdeutschen Stern war diese Karriere sichtlich suspekt: Die
       Illustrierte porträtierte sie 1966 als „naiv-gläubige Sozialistin“. In
       Westberlin konnte eine Architektin aber auch den ganz großen Skandal:
       Sigrid Kressmann-Zschach und der Steglitzer Kreisel stehen für einen
       spezifischen Filz aus Politik, Subventionen und amouröser Akquise.
       
       Gemessen daran erscheinen die aktuellen Leistungsträgerinnen angepasst und
       geradezu blutleer. Sicher: Die Berlinerinnen Gesine Weinmiller und Almuth
       Grüntuch-Ernst sind Ordinaria an Universitäten, sie forschen, lehren,
       bauen, vereinbaren Familie und Karriere. Aber einzig [4][Anna Heringer]
       bekennt sich zur sozialpolitischen Dimension der Architektur: Ansässig in
       Oberbayern, arbeitet sie seit Langem an Projekten in Bangladesch, Afrika
       oder im ländlichen China, und das mit lokalen Handwerkern, „armen“
       Materialien und Selbstbautechniken.
       
       Dass sie, statt in der Ausstellung selbst, nur im begleitenden
       Videoprogramm gewürdigt wird, lässt eine Tendenz vermuten: „Frau Architekt“
       ist heute, wer erfolgreich mitzuschwimmen versteht im Mainstream.
       
       7 Aug 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.bak.de/w/files/bak/07-daten-und-fakten/architektenbefragungen/bundeskammerstatistik/bundeskammerstatistik-nach-geschlechtern-zum-01.01.2019.pdf
 (DIR) [2] https://dam-online.de/
 (DIR) [3] https://de.wikipedia.org/wiki/Margarete_Sch%C3%BCtte-Lihotzky
 (DIR) [4] http://www.anna-heringer.com/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bettina Maria Brosowsky
       
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