# taz.de -- Buch „Faschist werden. Eine Anleitung“: Pointe am Faschistometer
       
       > Aus aktuellem Anlass: Die italienische Schriftstellerin Michela Murgia
       > hat eine Anleitung mit dem Titel „Faschist werden“ verfasst.
       
 (IMG) Bild: Bei Murgias Buch liegt der Gedanke an die AfD oftmals nicht fern
       
       Eine Anleitung, wie man Faschist wird? Die dürfte kaum nötig sein. In
       Deutschland hat die Zahl der Rechtsextremen einen Höchststand erreicht, die
       [1][Identitäre Bewegung wurde vom Verfassungsschutz als rechtsextrem]
       eingestuft. Faschisten und Rechtsextreme vermehren sich, wie es scheint,
       ganz von selbst.
       
       Nun hat die italienische Schriftstellerin Michela Murgia das Büchlein
       „Faschist werden. Eine Anleitung“ veröffentlicht. In dem gibt sie eingangs
       eine Antwort darauf, warum sie es überhaupt geschrieben hat: „Dieser Text
       soll vor allem eine Verständnishilfe für die gebildete Schicht sein, die
       der Demokratie überdrüssig geworden ist, denn der breiten Masse musste man
       schließlich noch nie erklären, dass der Faschismus die überlegene
       Alternative ist.“
       
       Keine bloße Ironie, sondern drastische Realsatire. Ihre „methodische
       Anleitung“ zur Sprache, der „am leichtesten manipulierbaren kulturellen
       Infrastruktur“, ruft ein bekanntes Muster in Erinnerung: „Worte provozieren
       Taten, und wer Kontrolle über die Worte erlangt, besitzt die Kontrolle über
       die Taten.“ In Deutschland haben diese Sätze seit dem Mord am CDU-Politiker
       Walter Lübcke grausige Realität angenommen. Und Murgia selbst erhielt seit
       der Veröffentlichung des Buchs Drohungen.
       
       Murgia nimmt sich der Sache mit bitterem Humor an, nimmt konsequent die
       Sprecherposition einer Faschistin ein, die sich anschickt, ihre Leser
       sprachlich auf den Sieg des Faschismus vorzubereiten. Das Lachen wird so
       weit hinten im Hals abgeblockt. Für Murgia ist es wohl Mittel der
       Distanznahme, um nicht zu verzweifeln.
       
       ## Mühevoller Vorteil der Demokratie
       
       Viele ihrer Formulierungen dienen als Merksätze in Negativform, etwa: „Die
       Demokratie hat die schwachsinnige Eigenschaft, als Regierungssystem auf
       Dissens statt auf Konsens zu beruhen.“ Womit sie einen Vorteil der
       Demokratie benennt, der sie zugegebenermaßen mühevoll macht. Der Faschismus
       hingegen „identifizierte die Dissidenten und stellte sie ruhig, indem er
       sie in die Verbannung oder direkt ins Gefängnis schickte, wo niemand sie
       hören konnte (mit Gramsci hat das hervorragend funktioniert)“.
       
       In [2][Zeiten der sozialen Medien] sind aber längst andere Strategien
       erforderlich. Murgias Rat an alle Faschisten in spe: Im Netz einfach alle
       Meinungen „als gleichwertig erscheinen“ lassen – eine Steilvorlage für Fake
       News. Dabei sind die sozialen Medien zusätzlich „wie eine Kanzel, von der
       aus sich der Chef direkt an seine Bürger wenden kann“ – so praktizieren es
       Salvini in Italien und Trump in den USA höchst erfolgreich.
       
       Murgia verfährt in ihrer Gegenwartsanalyse zwar polemisch, aber weniger
       schrill, als die populistische Aufmachung des Buchs erwarten lässt. Oft
       bleibt einem wenig mehr als zuzugestehen: So sieht es aus.
       
       ## Ein hässliches Gesicht erblicken
       
       Etwa ihre Beobachtung, dass es Faschisten – Populisten ebenso – weniger
       darum geht, Dinge zu vereinfachen, als sie vielmehr zu „banalisieren“:
       Während beim Vereinfachen das Überflüssige weggenommen wird und das
       Wesentliche zurückbleibt, ist es das Banalisieren, das „das nützliche
       Hintergrundrauschen verursacht, das alle Stimmen gleich macht und den
       verdammten Dissens neutralisiert“.
       
       In diesem Rauschen der Flut der Banalitäten geht zugleich der Blick für das
       Wesentliche verloren. Bei ihrer Empfehlung in Richtung
       demokratiefeindlicher Parteien schließlich: „Sich als politischer Gegner
       darzustellen ist das ideale trojanische Pferd“, liegt der Gedanke an die
       AfD nicht fern.
       
       Die eigentlich heikle Pointe dieser „Anleitung“ ist, dass einiges darin
       auch von Leuten getragen werden könnte, die ihrem Selbstverständnis nach
       Demokraten sind. Am Ende des Buchs folgt daher ein „Faschistometer“, um den
       „Lernerfolg“ zu prüfen. Unter den Sätzen, die man bei Zustimmung ankreuzen
       soll, finden sich dann Formulierungen wie: „Von Kultur wird man nicht
       satt.“ Murgia bekennt im Nachwort, alle Dinge, die sie im Buch geschrieben
       hat, irgendwann im Leben einmal selbst gedacht zu haben. Worin die
       vermutlich größte Leistung dieses Weckrufs steckt: zugleich als Spiegel zu
       dienen, in dem man riskiert, ein hässliches Gesicht zu erblicken.
       
       24 Jul 2019
       
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