# taz.de -- Kolumne Fremd und befremdlich: Gescheiterte Verkehrsplanung
       
       > Die Unfälle, die Aggressionen, die Scheißluft: Der Verkehr in Hamburg
       > muss dringend anders werden. Breitere Radwege könnten helfen.
       
 (IMG) Bild: Ein Streifen Farbe: Radfahrer auf der Hamburger Max-Brauer-Allee
       
       Seit wenigen Tagen ist das E-Roller-Fahren erlaubt, je nach Land mit
       unterschiedlichem oder auch erst einmal gar keinem Konzept. Es ist ja so,
       dass das E-Roller-Fahren noch nicht erprobt ist. Die einen sehen das
       Problem in herumliegen gelassenen Rollern, die anderen haben Angst davor,
       auf dem Fußweg oder der Straße bedrängt zu werden: Der alte Ärger der
       Fußgänger und Autofahrer wegen des Radfahrers, der überall stört, sowohl
       auf der Straße als auch auf dem Fußweg.
       
       Radwege sind ja meistens nichts anderes als ein Streifen Farbe. Ganz
       ehrlich: Welcher Mensch – ich kenne keinen – interessiert sich dafür?
       Welcher Mensch soll einen Streifen Farbe zu seinen Füßen respektieren?
       Autofahrer tun es nicht, Radfahrer tun es nicht und Fußgänger tun es schon
       gar nicht.
       
       Fußgänger warten an Ampeln auf dem Radweg. In Trauben warten sie auf dem
       Radweg. Sie sind nicht willig, hinter dem Streifen zu warten, und der
       Radfahrer muss auf seinem Weg so oft um die Fußgänger, die Hunde und Kinder
       herumfahren, die auf dem Radweg laufen und warten und parken, dass bald für
       ihn dieser rote Streifen jede Bedeutung verliert. Es funktioniert einfach
       nicht, liebe Verkehrsplaner.
       
       Wenn die Stadt Hamburg sich jetzt Gedanken darüber macht, wie mit Rollern
       umzugehen ist, die zu Haufen irgendwo in der Gegend herumliegen, dann
       möchte ich diesen Menschen sagen: Das ist das kleinste Problem. Haufen von
       Rollern in Parkanlagen, an Bushaltestellen und auf Bürgersteigen sind nicht
       schön. Aber wie, wenn schon jetzt kein Platz auf den winzigen, schmalen und
       auch von jedermann ignorierten Pseudoradwegen für die Radfahrenden ist, wie
       sollen dann zusätzlich noch diese Tausenden von erwarteten Rollern welchen
       finden?
       
       Man hat in den vergangenen Jahrzehnten versäumt, die städtische
       Infrastruktur dem Radverkehr anzupassen, und es ist wohl erlaubt, den
       Gedanken zu äußern, dass es der hamburgischen Luft zuträglich gewesen und
       es durchaus also wünschenswert gewesen wäre, wenn nicht nur eine
       Bedarfsanpassung erfolgt wäre – sondern durch ein vorbildliches Radwegenetz
       einer Entwicklung Vorschub geleistet worden würde: hin zum vermehrt
       emissionsfreien Verkehr. Die Umstände in der Stadt verschärfen den Ton
       zwischen den Verkehrsteilnehmern. Gerade erst ist in Hamburg wieder eine
       Frau von einem abbiegenden Lkw überfahren worden. Sie war nicht gesehen
       worden. Die Fahrradfahrer werden nicht gesehen, so wenig wie die kleinen
       Kinder.
       
       Auch die Rollerfahrer werden auch nicht gesehen werden. Sie sind so klein,
       und es nützt ihnen auch nichts, wenn sie sich an die Verkehrsregeln halten.
       Die Verkehrsregeln sind für den Arsch, diesen Eindruck gewinne ich immer
       mehr. Denn wenn ich – als Radfahrerin – grün habe und eine Straße geradeaus
       überquere und dann von einem abbiegendem Lkw überfahren werde, kann ich mir
       noch aus dem Jenseits die Stimmen derer anhören, und ich schätze, sie
       dringen bis ganz, ganz weit, diese keifenden Stimmen: Ich sei selber
       schuld, weil ich nicht gehalten und dem stärkeren Lkw die Vorfahrt gelassen
       habe.
       
       Einmal möchte ich diese stets Radfahrern und Kindern gegebene Empfehlung
       einem Autofahrer geben können: Sie sehen vor sich eine grüne Ampel? Halten
       Sie an. Es könnte sein, dass jemand regelwidrig vor ihnen abbiegt. Also
       halten sie an jeder grünen Ampel erst mal an.
       
       Die Elektroroller werden uns, sollte es wirklich zu so einem Run kommen,
       vor allem eines bringen: noch mehr Enge auf den Radwegen und Bürgersteigen,
       auf Plätzen und Wegen, und natürlich auch mehr Unfälle. Ich hoffe nur, dass
       gleichzeitig vielleicht die Befürworter von breiteren Radwegen zunehmen.
       Dass die Anzugträger auf ihren Röllerchen die Stadt ein wenig anders
       wahrnehmen und die Schwierigkeiten erkennen. Denn wir leben ja alle hier
       und müssen atmen, diese Scheißluft, die uns alle krank macht. Diese
       Unfälle, die Aggressionen im Verkehr, was uns auch alles krank macht. Es
       muss dringend anders werden.
       
       19 Jun 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katrin Seddig
       
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