# taz.de -- Dänische Grenzsicherung: „Es ist so traurig“
       
       > Dänemark baut einen Zaun gegen Wildschweine und verstärkt die Kontrollen.
       > Ein Spaziergang an einer Grenze, die früher keine war.
       
 (IMG) Bild: Hier kommt keine Sau durch: Zaunstück an der dänischen Grenze
       
       Flensburg taz | Eine Straßenkreuzung zwischen Feldern und Knicks mit
       blühenden Bäumen, irgendwo im Grenzland. Ist das noch Deutschland oder
       schon Dänemark? Tjark Jessen passiert mit seinen grauen Kleinwagen ein
       Schild mit der Aufschrift [1][„Aabenraa Kommune“]: Offenbar hat die kleine
       Landstraße gerade eine Staatengrenze überquert. Ein Radfahrer kommt aus
       Richtung Dänemark dem Auto mit dem deutschen Kennzeichen entgegen, man
       grüßt sich mit einem Kopfnicken.
       
       Hüben, drüben – das spielt eigentlich keine Rolle. Er fühle sich „nicht
       deutsch, nicht dänisch, sondern schleswigsch“, sagt Tjark Jessen. Für
       dieses Lebensgefühl liebt der Flensburger, der der dänischen Minderheit
       angehört, die Region im höchsten Norden Deutschlands und tiefsten Süden
       Dänemarks. Doch die politische Großwetterlage ändert sich gerade, und damit
       auch das Klima im Grenzland. Jessen gehört zu denen, die etwas dagegen
       unternehmen wollen.
       
       „Grenze“ – als Kind fand Tjark Jessen das Wort toll: „Wenn wir über die
       Grenze fuhren, gab es entweder Eis oder es ging auf den Campingplatz“, sagt
       der heute 20-Jährige. Nur schwach kann er sich daran erinnern, dass
       zwischen Deutschland und Dänemark tatsächlich eine bewachte Station mit
       Schlagbaum und Kontrollen lag. „Und wer ein Auto mit einem regionalen
       Kennzeichen hatte, wurde ohnehin durchgewinkt.“
       
       Zudem gab es immer Schlupflöcher, kleine Landstraßen, Feld- und Waldwege,
       in denen bei jedem Schritt ein Fuß auf deutschem und einer auf dänischem
       Boden steht. Deutschlands nördliches Ende ist über weite Strecken eine
       buchstäblich grüne Grenze, mit Orten, die halb deutsch, halb dänisch sind
       und in denen beide Sprachen gesprochen werden. Mit dem
       [2][Schengen-Abkommen] verschwanden die Posten auch an den Autobahnen und
       Landstraßen. Viele Jahre zeigten nur Schilder mit Hinweisen zu Tempolimits
       und dem [3][Taglicht-Gebot] in Dänemark an, wo der eine Staat endet und der
       andere anfängt. Doch das ist nun vorbei.
       
       ## Eineinhalb Meter hoch, aus grünem Metallgeflecht
       
       „Hier ist es gut zu sehen“, sagt Tjark Jessen. Er steigt aus dem Wagen und
       geht an den Zaun, der sich am Rand eines Feldes hinzieht. Eineinhalb Meter
       hoch, aus grünem Metallgeflecht, schnurgerade. Die dänische Regierung lässt
       diesen [4][Zaun entlang der gesamten, 71 Kilometer langen Grenze ziehen] –
       er soll verhindern, dass Wildschweine ins Land kommen und den Erreger der
       Afrikanischen Schweinepest einschleppen. Jessen schaut den Zaun entlang.
       „Es ist so traurig“, sagt der Pädagogik-Student, der täglich aus Flensburg
       an die Universität in Aabenraa pendelt. „Schade, einfach schade.“
       
       Jessen ist stellvertretender Vorsitzender der Jugendorganisation der
       Minderheitenpartei SSW ([5][SSW Ungdom]), sitzt im Flensburger Stadtrat und
       ist seit einiger Zeit so etwas wie der inoffizielle
       Wildschweinzaun-Beauftragte des SSW. Er zählt zu den OrganisatorInnen der
       ersten „[6][Grænszaun Games]“, zu denen die Nachwuchsorganisationen der
       Minderheitenparteien eingeladen hatten.
       
       Sie wollten damit „zeigen, dass wir nicht getrennt werden können durch
       diesen Wildschweinzaun“, sagte Hans-Fedder Hindrichsen Kley von den
       „[7][jungen SPitzen]“, der Jugendpartei der deutschen Minderheit in
       Dänemark, der dpa. Zaun-KritikerInnen aus beiden Ländern trafen sich zum
       Volleyball oder Kricket – der Zaun als Spielobjekt, nicht als Trennlinie.
       Es ging darum, ein Signal zu setzen: „Dieser Zaun ist reine Symbolpolitik,
       aber ein Symbol, das leider etwas bewirkt“, sagt Tjark Jessen.
       
       Die Angst Dänemarks vor der Tierseuche, die sich seit einigen Jahren in
       Europa ausbreitet, ist durchaus [8][begründet] – die Aufzucht und Mast von
       Schweinen ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in dem Land, auf sechs
       Millionen Menschen kommen doppelt so viele Sauen und Eber. Die Nutztiere
       können sich bei ihren wilden Verwandten anstecken. In Dänemark sind
       Wildschweine seit dem 17. Jahrhundert ausgerottet, in Schleswig-Holstein
       vermehren sich die Tiere seit einigen Jahren wieder. Also gute Gründe für
       einen Zaun?
       
       Nein, denn nach [9][Ansicht vieler ExpertInnen] hilft die grüne
       Metallbarriere gar nichts gegen die Schweinepest. Schließlich wird sich
       kaum ein Wildschwein in einen der abgesicherten dänischen Mastbetriebe
       verirren. Die wahrscheinlichsten Überträger sind Menschen, die die Viren an
       Kleidung oder Autoreifen einschleppen könnten. Darüber hinaus gibt es im
       waldarmen Norden von Schleswig-Holstein kaum Wildschweine, gerade ein paar
       Dutzend laufen den Jägern pro Jahr vor die Flinten.
       
       „Das heißt, der Zaun ist eigentlich ein Stinkefinger in Richtung
       Deutschland und EU“, sagt Jessen. „Nur ist das vielen Leuten in anderen
       Teilen Dänemarks nicht klar.“ Neulich habe ihn ein Journalist aus
       Kopenhagen gefragt, ob er hier viele Wildschweine auf den Straßen sehe. Der
       Jung-SSWler musste erklären, dass er die Tiere auch nur aus dem Zoo kennt.
       
       Er zeigt den Zaun entlang: „Ginge es wirklich um Schweine, müsste die
       Barrikade woanders stehen, etwa in Waldstücken.“ Aber der Zaun markiert die
       Staatengrenze, egal ob das AnwohnerInnen den Zugang zu ihren Feldern
       versperrt und Schleichwege zwischen Dörfern kappt. Gleichzeitig bleiben die
       vielen kleinen Straßen, die von Süd nach Nord führen, frei. Gäbe es hier
       Schweine, könnten sie bequem passieren.
       
       Zur Debatte um den Zaun passt eine aktuelle Forderung des dänischen
       Regierungschefs Lars Løkke Rasmussen von der konservativ-liberalen
       Venstre-Partei, [10][dauerhafte Kontrollen] an der Grenze zu Deutschland
       einzurichten. Bereits seit Januar 2016 werden an den wichtigsten
       Übergängen, etwa an den Autobahnen, Autos und InsassInnen kontrolliert –
       das führt besonders in den Sommermonaten zu Rückstaus.
       
       ## Der Weg ist frei, aber Kontrolle bleibt Kontrolle
       
       Tjark Jessen pendelt täglich über die Grenze in Krusau nach Aabenraa zur
       Universität. Vom Pendlerparkplatz auf deutscher Seite sind es nur hundert
       Meter zum Übergang. Er wirkt improvisiert, ein Zelt überspannt die Straße.
       Aber sofort kommt ein Grenzer in Uniform heran und verlangt auf Dänisch die
       Pässe. Ein Blick, ein Nicken, der Weg ist frei – aber Kontrolle bleibt
       Kontrolle. „Ich hätte das nie erwartet. Das passt nicht zu dem freien,
       weltoffenen Dänemark, das ich liebe“, sagt der Jung-SSWler.
       
       Der Zaun werde leider nicht so schnell wieder abgebaut werden, bedauert er.
       Aber er wünscht sich, dass die dänische Politik über die Grenzkontrollen
       und ihre möglichen Folgen für Tourismus und das Zusammenleben hüben und
       drüben nachdenkt: „Ich kenne Leute, die wegen der Staus nicht mehr nach
       Dänemark in den Urlaub fahren.“ Inzwischen sei von einer Spur für Pendler
       die Rede – eine echte Lösung sei das aber nicht.
       
       So wächst im Grenzland der Unmut. Widerstand gegen den Zaun leisten nicht
       nur die „Grænszaun Games“, sondern auch eine Gruppe anonymer AktivistInnen,
       die gehäkelte Blumen und Zettel mit Botschaften an das grüne Gitter hängen
       und Bilder davon unter dem Hashtag „[11][Wildschweinzaun der Liebe]“ auf
       Instagram posten.
       
       Auch wenn der SSW sich traditionell neutral gegenüber der Politik des
       dänischen Nachbarn verhält, ist Jessen gespannt, ob die Menschen im
       süddänischen Sonderjylland bei den bevorstehenden Wahlen zum Europäischen
       Parlament und zum Nationalparlament Folketingegen ein Signal gegen die
       Abgrenzung setzen. Zuletzt schnitt die rechtspopulistische Dansk Folkeparti
       (Dänische Volkspartei) gut im Süden ab. „Aber die Leute hier sind gegen den
       Zaun und gegen Grenzkontrollen“, sagt Jessen. Umfragezahlen, die dpa
       zitiert, unterfüttern dieses Gefühl: Vor den Wahlen am 5. Juni sinkt der
       Zuspruch für Regierungschef Rasmussen, der sich unter anderem von der Dansk
       Folkeparti unterstützen lässt.
       
       Allerdings könnte eine mit dem klar islamfeindlichen „Stram Kurs“ (Stramme
       Kurs) eine noch rechtere Kraft in den Folketing einziehen. Der bereits
       wegen Rassismus verurteilte Parteigründer [12][Rasmus Paludan] hat wenige
       Tage vor der Europa-Wahl angekündigt, er wolle eine [13][Mauer an der
       Grenze zu Deutschland] bauen.
       
       Nicht gegen Schweine. Gegen Menschen.
       
       Den ganzen Schwerpunkt zu Europas neuen Grenzen lesen Sie in der taz am
       Wochenende oder [14][hier]
       
       24 May 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.aabenraa.dk/
 (DIR) [2] http://www.eu-info.de/europa/schengener-abkommen/
 (DIR) [3] https://www.bussgeldkataloge.eu/tagfahrlicht-daenemark.html
 (DIR) [4] /!5568449/
 (DIR) [5] http://www.ssw.de/de/ssw-vor-ort/ssw-ungdom.html
 (DIR) [6] https://www.evensi.de/graenszaun-games-kristiansmindevej-1-henrik-hansen-6330-padborg/309515706
 (DIR) [7] http://www.jungespitzen.dk/
 (DIR) [8] https://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/daenemark-baut-wildschweinzaun-schutz-vor-afrikanischer-schweinepest-a-1250291.html
 (DIR) [9] /!5522506/
 (DIR) [10] https://www.nordschleswiger.dk/de/daenemark-politik/lokke-will-permanente-grenzkontrollen
 (DIR) [11] https://www.instagram.com/p/BvKL9eWhoRL/?utm_source=ig_embed&utm_medium=loading&hl=de
 (DIR) [12] /Ausschreitungen-in-Kopenhagen/!5585184/
 (DIR) [13] https://www.nordschleswiger.dk/de/daenemark-politik/paludan-fordert-mauer-deutsch-daenischer-grenze
 (DIR) [14] /!114771/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Esther Geißlinger
       
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