# taz.de -- Ökonom über These von Kevin Kühnert: „Einen wunden Punkt getroffen“
       
       > Juso-Chef Kevin Kühnert fordert die Kollektivierung von Firmen. Gustav
       > Horn widerspricht. Der Ökonom über Eigentum, Klimawandel und die Aufgaben
       > der Politik.
       
 (IMG) Bild: Auch bei Steuern sollte die Politik regulierend eingreifen, fordert der gewerkschaftsnahe Ökonom
       
       taz: Herr Horn, Juso-Chef Kevin Kühnert ist auf allen Kanälen, am
       Sonntagabend auch bei Anne Will. Was halten Sie von [1][seiner These], dass
       die demokratische Verfügungsgewalt über Firmen und Wohnraum besser sein
       kann als Privateigentum? 
       
       Gustav Horn: Eine unregulierte Marktwirtschaft wäre schlecht. Darum muss es
       demokratische Regulierungen geben. Das heißt aber nicht, dass der Staat
       oder die Beschäftigten die Unternehmen besitzen sollten.
       
       Nehmen wir einen Automobilkonzern wie BMW, Volkswagen oder Daimler. Das
       Unternehmen würde ja nicht auf Elektrofahrzeuge umstellen, nur weil es von
       der Belegschaft kontrolliert würde? 
       
       Nein, die Besitzverhältnisse sind hier nicht der entscheidende Punkt. Wenn
       die Gesellschaft als schädlich erachtet, was Firmen tun, kann sie
       regulierend eingreifen und beispielsweise Verbrennungsmotoren verbieten. So
       kommen die politischen Präferenzen der Mehrheit in der Wirtschaft zum
       Tragen.
       
       Beschäftigte in Autofirmen haben nicht unbedingt ein Interesse an
       ökologischen Produkten. Die Geschäftspolitik von Unternehmen würde sich
       aber vielleicht ändern, wenn auch Umweltverbände und Verbraucherschützer in
       den Aufsichtsräten säßen. Sollte man in diesem Sinne über das
       Betriebsverfassungsgesetz nachdenken? 
       
       In diesem Gesetz geht es um die finanziellen und sozialen Interessen der
       Belegschaften. In der Umweltpolitik stehen dagegen allgemeine Fragen zur
       Debatte, die die gesamte Gesellschaft betreffen. Diese sollten die von den
       Bürgerinnen und Bürgern gewählten Parlamente beantworten. Es hat keinen
       Sinn, Entscheidungen allgemeiner Relevanz einzelnen Personen in einzelnen
       Firmen zu überlassen.
       
       Um den Klimawandel zu bekämpfen, sind [2][Gesetze für eine
       Kohlendioxid-Steuer] oder einen umfassenden Emissionshandel die besseren
       Instrumente? 
       
       Die Politik muss festlegen, wie sie ihr Ziel erreicht, die Menge des
       ausgestoßenen Kohlendioxids zu verringern. Dabei kann sie zu verschiedenen
       Mitteln greifen, unter anderem höheren Steuern auf Kohlendioxid, verbunden
       mit einem sozialen Ausgleich.
       
       Würden die Löhne bei Volkswagen steigen, der Urlaub länger, die Arbeitszeit
       kürzer, wenn die Beschäftigten alles und die Aktionäre nichts mehr
       bestimmen könnten? 
       
       Gehörten den Beschäftigten alle Anteile der Firma, befänden sie sich
       teilweise in derselben Rolle wie heute die Aktionäre. Sie könnten sich
       entscheiden, mehr Gewinne als Dividende auszuschütten und damit ihren Lohn
       zu erhöhen. Aber auch sie müssten Kapital im Unternehmen lassen, um
       Investitionen zu finanzieren. Sonst ginge das Unternehmen pleite. Die Bäume
       wüchsen nicht in den Himmel.
       
       Jahrelang haben Sie das Wirtschaftsforschungsinstitut der Gewerkschaften
       geleitet. Ist die Tarifpartnerschaft mit den Kapitalbesitzern der bessere
       Weg, um vernünftige Arbeitsverhältnisse in Unternehmen zu erreichen? 
       
       Damit gelingt es meistens gut, die Machtverhältnisse auszubalancieren und
       den Interessenausgleich zwischen Besitzern und Beschäftigten herzustellen.
       Das ist der richtige Weg, um den Konflikt zwischen Kapital und Arbeit zu
       zivilisieren.
       
       In Berlin braut sich gerade ein Volksbegehren für die Enteignung von großen
       Wohnungsunternehmen zusammen. Ließe sich das Grundbedürfnis auf Wohnraum
       leichter befriedigen, wenn nichtprivate Eigentumsformen gefördert würden? 
       
       Der Immobilienmarkt funktioniert nicht allein mit privaten Lösungen. Hier
       brauchen wir gezielte Eingriffe. Dazu gehört auch, dass ein relevanter Teil
       der Wohnungen in öffentlichem oder genossenschaftlichem Besitz ist.
       
       Warum halten Sie das für nötig? 
       
       Wohnen ist ein Grundbedürfnis. Leute mit geringen Einkommen können es nur
       befriedigen, wenn es ein Angebot günstiger Wohnungen durch Unternehmen
       gibt, die nicht in erster Linie dem Profitinteresse gehorchen.
       
       In manchen Branchen arbeiten viele Firmen, die zwar private Rechtsformen
       haben, aber dem Staat gehören und öffentlich kontrolliert werden – in der
       Wohnwirtschaft, der Strom- und Wasserversorgung. Warum ist es da
       akzeptiert, aber nicht in der Auto- oder Chemieindustrie? 
       
       Wasser, Elektrizität und Wärme gehören zur gesellschaftlichen
       Daseinsvorsorge, für die in Deutschland traditionell der Staat eine große
       Verantwortung trägt.
       
       Meinen Sie, die Kühnert-Sozialismus-Debatte hat einen positiven Effekt? 
       
       Die umfangreiche Diskussion zeigt, dass er einen wunden Punkt getroffen
       hat. Viele Bürgerinnen und Bürger sind mit den Zielsetzungen und
       Ergebnissen unseres Wirtschaftssystems nicht mehr einverstanden. Deshalb
       sollten wir nachdenken. Die Antwort kann aber nicht in einer
       Kollektivierung liegen.
       
       6 May 2019
       
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