# taz.de -- Finanzierung von Projekten für Arme: Ohne Zinsen keine Mikrokredite
       
       > Mit niedrigen Kreditsummen hilft Oikocredit Menschen im globalen Süden.
       > Doch das Geschäft wird wegen der Niedrigzinsen schwierig.
       
 (IMG) Bild: Kleinstkredite helfen armen Pakistanerinnen beim Aufbau einer eigenen Existenz
       
       Berlin taz | Der Markt für nachhaltige Geldanlagen wächst rasant. Was wie
       eine gute Nachricht klingt, kann für die Finanzierung von Projekten in
       armen Ländern zum Problem werden. Betroffen davon ist die Genossenschaft
       Oikocredit. Der Pionier der Mikrokreditszene wurde 1975 auf Initiative des
       Ökumenischen Rates der Kirchen in den Niederlanden gegründet, um mittels
       „ethischer Geldanlagen“ Entwicklungen im globalen Süden zu fördern.
       
       Heute investieren weltweit über 50.000 Menschen und Organisationen bei der
       früheren „Ecumenical Development Cooperative Society“ (EDCS), die Hälfte
       davon aus Deutschland. „Ihnen sind nachhaltige, positive Veränderungen
       wichtiger als eine kurzfristige Rendite“, hoffen die GenossInnen.
       
       Dabei reicht der Horizont der Hilfe über die Landwirtschaft hinaus. So
       investierte Oikocredit kürzlich rund drei Millionen Euro in den
       mexikanischen Studienkreditanbieter Laudex, der Kindern aus Haushalten mit
       mittlerem und niedrigem Einkommen ein Studium ermöglicht. „Bafög“ ist in
       Mexiko unbekannt. Insgesamt fördert der in Deutschland größte private
       Akteur in der globalen Entwicklungsfinanzierung mit rund einer Milliarde
       Euro soziale Unternehmen wie Mikrofinanzinstitute, die 36 Millionen
       Menschen in 70 Ländern helfen.
       
       Deutschland-Chef Matthias Lehnert sieht Oikocredit aktuell von zwei
       besonderen „Herausforderungen“ geprüft. Da ist zunächst das allgemeine
       Niedrigzinsumfeld, welches eine „Herausforderung für den gesamten
       Finanzsektor, aber besonders für das Kreditgeschäft darstellt“. Das habe
       mittlerweile auch den globalen Süden erreicht.
       
       ## Oikocredit finanziert sich hauptsächlich über Eigenkapital
       
       Kredite machen jedoch 85 Prozent des Geschäftsvolumens von Oikocredit aus.
       Während Banken die niedrigen Kreditzinssätze an ihre Sparer weiterreichen
       können, finanziert sich Oikocredit hauptsächlich über Eigenkapital. Dieses
       stammte früher fast ausschließlich von Kirchen, heute zu über 80 Prozent
       von privaten Anlegern. Auf diese Zwickmühle reagierte Oikocredit im
       vergangenen Jahr und senkte die Dividende der Genossenschaftsanteile von 2
       auf 1 Prozent. Nicht alle fanden dies gut.
       
       Die allgemein niedrigen Zinssätze führen auch zu niedrigen Zinssätzen für
       Mikrokredite. Lehnert findet dies zwar grundsätzlich gut: „Sie helfen
       unseren Partnern.“ Dies erschwere aber Oikocredit unter anderem die
       Finanzierung ihrer 21 regionalen Büros in Ländern des globalen Südens, von
       Ghana bis Peru. Diese wählen die Unternehmen, in die Oikocredit investiert,
       nach vergleichsweise strengen sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen
       Kriterien aus. „Die entstehenden Kosten müssen wir aus den Zinserträgen
       decken“, betont Geschäftsführer Lehnert.
       
       Mit den fallenden Zinsen seit der Finanzkrise stieg gleichzeitig das
       Angebot: Lokale Banken im globalen Süden, aber auch Global Player wie
       Schweizer Großbanken drängen in das Geschäft mit Mikrofinanzierungen. So
       will beispielsweise die Responsability Investments aus Zürich eine
       „positive Entwicklungswirkung“ erzielen und zugleich attraktive neue Märkte
       für Investoren erschließen. Die Aktiengesellschaft verwaltet mittlerweile
       ein Fondsvermögen von fast drei Milliarden Euro. Am anderen Ende der
       Hilfeskala wirken Altruisten wie Give Directly. Über die
       Wohltätigkeitsorganisation aus New York kann Geld direkt an bedürftige
       Menschen gespendet werden.
       
       Die wachsende kommerzielle und nichtkommerzielle Konkurrenz fordere seine
       in dieser Form einzigartige Organisation zusätzlich heraus, meint
       Oikocredit-Chef Lehnert. „Was ist der Mehrwert, den wir den Menschen
       bieten?“ Günstige Kredite alleine sind es offenkundig nicht mehr.
       
       Lehnert will keinen Preis-, sondern einen Qualitätswettbewerb mit der
       Konkurrenz. Neben Finanzierung trainiert Oikocredit Menschen vor Ort.
       Solchen Mehrwert bieten konventionelle Finanzinstitute oder
       Spendenorganisationen meist nicht. So schult Oikocredit beispielsweise in
       Mittel- und Südamerika Genossenschaftsbauern, damit sie besser mit dem Auf
       und Ab der Weltmarktpreise für Kaffee klarkommen.
       
       Unumstritten ist der Nutzen von Mikrokrediten, für die Muhammad Yunus noch
       2006 den Friedensnobelpreis erhielt, heute unter Fachleuten nicht mehr.
       Oikocredit bekommt allerdings für seinen umfassenderen Ansatz Lob von ganz
       oben gespendet: Kleinbauern in Lateinamerika, Asien und Afrika fänden
       dadurch eine berufliche Existenz und könnten in Würde leben, lobte der
       bayerische Landesbischof und EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm
       kürzlich auf einer Veranstaltung in Nürnberg.
       
       6 May 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hermannus Pfeiffer
       
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