# taz.de -- Debatte Rechte Klimaleugner: Klimawandel kennt keine Grenzen
       
       > Warum leugnen Rechtspopulisten eigentlich so gern die Erderwärmung?
       > Klimawandel ist der empirische Beweis, dass Nationalismus Zivilisation
       > zerstört.
       
 (IMG) Bild: International steht die AfD mit ihrer Anti-Klima-Haltung nicht allein da
       
       Würde die AfD Wissenschaft als Grundlage für politisches Handeln
       anerkennen, wäre sie ziemlich doof. Dann verlöre sie nämlich ein echtes
       politisches Alleinstellungsmerkmal: [1][Die Rechtspopulisten halten die
       Klimawandel für eine Fiktion] und glauben, dass sich die globalen
       Temperaturen seit den 90ern nicht erhöht hätten. Das ist Quatsch, damit
       steht die AfD unter den in Parlamenten vertretenen Parteien in Deutschland
       deshalb auch allein da. Bei anderen unique selling points droht ihr dagegen
       Konkurrenz: Bei der Elitenfeindlichkeit von der Bild-Redaktion, bei der
       EU-Feindlichkeit von der Linken, bei der [2][Dieseltrunkenheit von Andreas
       Scheuer], bei der Xenopohobie von der CSU.
       
       International steht die AfD mit ihrer Anti-Klima-Haltung allerdings nicht
       allein da, [3][wie eine Studie des Thinktanks Adelphi zeigt]. Viele
       Rechtspopulisten in Europa leugnen den Klimawandel oder scheren sich nicht
       weiter darum. Extrem ist die Lage in den USA, wo das Land in zwei Lager
       zerfallen ist. Rechte Republikaner um Präsident Trump und Medien um Fox
       News [4][auf der einen Seite leugnen den Klimawandel]. Auf der anderen
       Seite stehen große Teile der Demokraten, des Militärs, der Wissenschaft und
       Medien wie der New York Times oder CNN, die den Klimawandel für eine
       Bedrohung halten.
       
       Es ist ein ausgeprägtes Phänomen in Industrieländern, dass rechte Parteien
       Klimawissenschaft ablehnen. Der Kampf gegen die globale Erwärmung enthält
       zwei Erkenntnisse, die nach ihrer Weltsicht falsch sein müssen. Die erste
       ist, dass kein Land sein Schicksal allein, ohne Rücksicht auf den Rest der
       Welt, in die Hand nehmen kann. Denn der Klimawandel kennt keine Grenzen.
       Ihn zu bekämpfen heißt, in der Kategorie Menschheit, nicht in der Kategorie
       Volk zu denken. Es bedeutet, für eine Welt einzutreten, in der Staaten
       Souveränität abgeben, sich helfen und kooperieren, im besten Sinne
       solidarisch sind, nicht konkurrieren. In dieser Welt müssen Grenzen
       zwangsweise überwunden werden, weil sie sonst im Chaos versinkt. Der
       Klimawandel ist der empirisch-naturwissenschaftliche Beweis, dass
       Nationalismus Zivilisation zerstört und nicht erschafft.
       
       Die zweite Erkenntnis ist für Rechtspopulisten ebenso inakzeptabel: Der
       Klimawandel bedeutet eine historische Schuld der Industrieländer. Deren
       Wohlstand und die Geilheit des Materialismus verursachen die größten
       Klimaschäden ausgerechnet bei denen, die kaum vom Reichtum des Zeitalters
       fossiler Energien profitierten. Das macht den Klimawandel zu einem
       [5][generationenübergreifenden ökologischen Kolonialismus]: Westlicher
       Konsum, der von denen bezahlt wird, die künftig oder aktuell unter Dürren,
       Sturmschäden und steigendem Meeresspiegel leiden. Getroffen werden davon
       die Bewohner*innen des globalen Südens, die schon unter dem historischen
       Kolonialismus litten.
       
       Was für eine deprimierende Erkenntnis für jemanden, der in rechten Bahnen
       denkt: Nicht die nehmen uns was weg. Nein, es verhält sich seit
       Jahrhunderten andersherum. Und der Klimawandel führt die alten
       Ungerechtigkeiten in die Zukunft fort. Besser also den Klimawandel als eine
       Erfindung globaler Eliten abtun, wer auch immer die sein mögen und was auch
       immer die damit bezwecken. Sonst müsste man die historische Schuld
       anerkennen und damit die moralische Pflicht einer Wiedergutmachung. Ein
       echter Kampf gegen die Erderwärmung etwa, unter grausamsten Opfern für uns
       alle: Urlaub auf Rügen statt auf Sansibar, blaue Solardächer statt Ziegel,
       lieber mal Gemüse statt Steak, weniger Autos und saubere Luft in den
       Städten.
       
       ## Die Skepsis zur Wissenschaft
       
       Wenn man diese Aspekte in einer Diskussion mit Klimaleugnern vorbringt,
       wird man sie vermutlich vor den Kopf stoßen: Niemand will als unmoralischer
       Mensch dastehen. Und nicht jeder Klimaleugner wählt AfD. Ich habe schon oft
       mit ihnen diskutiert. Und meist folgt ein Bombardement mit Studien und
       Publikationen, die den Klimawandel widerlegt haben wollen. Mal widerspricht
       er angeblich dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik, mal gibt’s eine
       NASA-Messreihe aus den 90er Jahren, nach der sich die Welt angeblich
       abkühlt, nicht erwärmt. Manchmal kommen sogar neue Studien, in renommierten
       Wissenschaftszeitungen wie nature publiziert.
       
       Diese Leute nehmen nur wahr, was zum eigenen Weltbild passt, die ehrliche
       Skepsis der Wissenschaft wird missbraucht als Beweis, dass der ganze
       Klimawandel Mumpitz ist. Sie sind extrem elitenskeptisch, das macht sie für
       rechte Parteien so interessant. Unsere Debatten laufen immer auf einen Kern
       hinaus: Sie glauben meinen Quellen nicht. Sie haben ihre eigenen Helden,
       Buchautoren, Blogger, die ihnen eine geschlossene, eigene Welt
       präsentieren, die irgendwie auch sehr wissenschaftlich klingt. Dass
       sämtliche wissenschaftlichen Einrichtungen der Welt, egal ob in
       muslimischen, christlichen oder buddhistisch geprägten Ländern, egal, ob in
       Ein-Parteien-Diktaturen, Demokratien oder Monarchien, zu der Erkenntnis
       kommen: Ja, wir haben dieses Klimaproblem – das ist diesen selbst ernannten
       „Skeptikern“ nicht bewusst. Klimawissenschaft ist keine globale
       Verschwörung, das wäre angesichts der extrem unterschiedlichen Menschen,
       die sie betreiben, auch unmöglich. Die haben nur eine gemeinsame Sprache:
       die der Wissenschaft. Und die ist eben eindeutig.
       
       In den USA sagen Klimaleugner gern Sachen wie: „Ich bin kein
       Klimawissenschaftler, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Gas mit
       so geringer Konzentration in der Atmosphäre wie CO2 die Erde erwärmt.“
       Barack Obama hat den Satz immer wieder aufgegriffen und sinngemäß erwidert:
       Ich bin kein Klimawissenschaftler, aber die, die es sind, sagen, dass wir
       ein fucking großes Problem haben. Diese Erkenntnis zu einer Grundlage
       seines eigenen politischen Denkens zu machen tut wirklich nicht weh.
       
       26 Feb 2019
       
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