# taz.de -- Pressefreiheit in Litauen: „Stille Orbánisierung“
       
       > Der öffentlich-rechtliche Sender LRT spürt zunehmend Druck durch das
       > litauische Parlament. Journalisten fürchten Einschränkungen bei ihrer
       > Arbeit.
       
 (IMG) Bild: Litauens Präsidentin Daria Grybauskaite
       
       Vilnius taz | Gelb, Grün und Rot – ein meterlanger Stoff hängt vom höchsten
       Stockwerk des Hochhauses in der Konarski-Straße in der litauischen
       Hauptstadt Vilnius. Die Landesflagge der Baltenrepublik dominiert die
       Zentrale der öffentlich-rechtlichen TV- und Radioanstalt LRT von außen.
       Doch die Journalisten fürchten auch einen dominierenden Einfluss im
       Inneren. Auf den Fluren von LRT ist von einer Attacke auf den Sender die
       Rede – es geht um die Pressefreiheit von Litauen.
       
       „Mit Blick auf den LRT sieht man neue Intentionen, die Pressefreiheit
       einzuschränken“, beschreibt Medienwissenschaftler Deimantas Jastramskis mit
       Bedacht die öffentliche Debatte der letzten Wochen. Weniger diplomatisch
       äußert sich LRT-Chefin Monika Garbačiauskaitė-Budrienė: „Das ist ein
       Präzedenzfall in der EU. Noch nie wurde gegen einen öffentlich-rechtlichen
       Rundfunk im Parlament ermittelt. Das schürt Ängste“, sagt die
       LRT-Direktorin. „Am Ende gibt es einen 150-seitigen Bericht. Und einer der
       Vorschläge daraus ist es, das Managementsystem des Senders zu verändern.
       Das zeigt, dass es um politische Einflussnahme auf unser
       öffentlich-rechtliches System geht.“
       
       Der Hintergrund ist, dass die Koalition aus dem „Bund der Bauern und
       Grünen“ und Sozialdemokraten Anfang 2018 einen Untersuchungsausschuss im
       litauischen Parlament ins Leben gerufen hat. Ziel war es, die Arbeit von
       LRT zu durchleuchten. Der Abschlussbericht vom Oktober kritisiert vor allem
       fehlende Transparenz der Sendeanstalt mit ihren drei Radio- und drei
       TV-Kanälen. Agnė Širinskienė, die für die regierende Bauern-Partei im
       Ausschuss saß und als prominente Kritikerin des LRT gilt, führt in
       Interviews immer wieder etwa fehlende Standards etwa bei
       Materialbeschaffungen als Beispiel auf. Und auch LRT-Chefin Garbačiauskaitė
       pflichtet in vielen Punkten ein: „Auch ohne diesen Bericht würden wir an
       unserer Effizienz arbeiten, um besser zu werden.“
       
       Garbačiauskaitė, bis vor einem halben Jahr noch Chefredakteurin der größten
       Onlinezeitung Delfi.lt, etablierte etwa eine neue Investigativredaktion
       beim LRT und stellte dazu neue Redakteure ein. Medienwissenschaftler
       Jastramskis zufolge ein Schritt in die richtige Richtung. Denn es werden
       politische Skandale aufgedeckt und der TV-Kanal LRT televizija, bei den
       Zuschauern nur auf Platz drei, wird nun zum Vorbild für andere Medien. „Der
       Standard unserer Medien wird damit angehoben“, sagt Jastramskis.
       
       ## Der Ausgang der Wahlen ist offen
       
       Die größte Kontroverse weckt der Vorschlag, den bisherigen zwölfköpfigen
       LRT-Rat aus Repräsentanten des Parlaments, der Präsidentenkanzlei und von
       NGOs auszutauschen und durch einen Vorstand zu ergänzen. Der LRT-Rat soll
       ihn zwar bestätigen, das Parlament ihn aber bestimmen. Die Europäische
       Rundfunkunion EBU zeigte sich in einer Stellungnahme besorgt, dass damit
       politische Einflussnahme auf den Sender ermöglicht wird. Nachdem das
       Parlament in einer Sitzung Ende Oktober die Empfehlungen mit knapper
       Mehrheit in die Ausschussarbeit geleitet hat, ist es um ein neues
       LRT-Gesetz zwar ruhiger geworden. Aber in Journalistenkreisen geht die
       Angst um vor einer „stillen Orbánisierung“.
       
       Šarūnas Černiauskas, Investigativjournalist bei der Onlinezeitung 15min,
       verweist auf Ungarn und Polen, wo die Regierungsparteien den
       öffentlich-rechtlichen Rundfunk nun für eigene Zwecke instrumentalisieren.
       „Alle bisherigen Regierungen in Litauen hatten versucht, die Pressefreiheit
       zu beschneiden. Aber die jetzigen Machthaber sind da am entschlossensten“,
       sagt Černiauskas. „Sie versuchten es mit lächerlichen Ideen, wie etwa, dass
       15 Prozent der Berichterstattung positive Nachrichten sein sollen.“
       
       Erst im September gab es einen weiteren Versuch: Journalisten wurde
       plötzlich der Zugang zum staatlichen Registerzentrum geschlossen und nur
       gegen Geld sollten sie Informationen etwa über die Eigentümerverhältnisse
       von Firmen erhalten. „Für unsere Zeitung, die häufig über mehrere
       litauische Firmen gleichzeitig recherchieren, würde eine große Recherche
       gleich Zehntausende Euro kosten“, sagt Černiauskas.
       
       Geht es nach Reporter ohne Grenzen, so liegt das oft als „postsowjetisch“
       paraphrasierte Land auf der Rangliste der Pressefreiheit auf Platz 36 von
       180 Ländern und damit weit vor Polen und Ungarn, aber auch vor
       Großbritannien. Die baltischen Nachbarn Estland und Lettland rangieren
       jedoch höher. Medienwissenschaftler Jastramskis verweist auf Präsidentin
       Dalia Grybauskaitė, die die bisherigen Versuche der Regierung, die
       Pressefreiheit einzuschränken, unterbunden habe. Aber 2019 ist in Litauen
       Superwahljahr: Neben EU-Parlament und Kommunalwahlen wird auch ein neues
       Staatsoberhaupt bestimmt. Der Ausgang ist offen. Auch für die litauische
       Pressefreiheit.
       
       26 Nov 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Markus Nowak
       
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