# taz.de -- Interview zu Musterfeststellungsklagen: „Ein Schritt zu mehr Augenhöhe“
       
       > Die Musterfeststellungsklage hat Defizite. Aber sie ist das, was in
       > dieser Legislatur mehrheitsfähig war, sagt der Chef der
       > Verbraucherzentrale.
       
 (IMG) Bild: Eine Möglichkeit, Transparenz für Verbraucher zu schaffen: die Lebensmittelampel
       
       taz: Die Verbraucherverbände haben mit der Musterfeststellungsklage de
       facto ein Monopol. Freuen Sie sich darüber? 
       
       Klaus Müller: Nein, es ist kein Monopol. Es gibt viele klagebefugte
       Verbraucherverbände. Der VZBV hat auch Modelle für die Gruppenklage immer
       unterstützt, also die Selbstorganisation der Verbraucher mit eigenen
       Rechtsanwälten. Die Musterfeststellungsklage schließt an die deutsche
       Rechtstradition an, danach sollen die klagebefugten Verbände in der Lage
       sein, auch wirklich bis zur höchsten Instanz, also sechs bis sieben Jahre,
       durchzuhalten. Sie ist das, was in dieser Legislaturperiode im Bundestag
       mehrheitsfähig war. In drei bis vier Jahren wird man das evaluieren und
       schauen, ob man das verbessern kann.
       
       Weshalb hat die Regierung auf die Möglichkeit einer Gruppenklage
       verzichtet? 
       
       Weil die Union das nicht wollte. Weil es ganz klare Interessen auch der
       Wirtschaftsverbände gab, die Angst davor haben, dass Rechtsanwälte
       Sammelklagen als Gruppenklage einreichen können. Das Beste, was die SPD in
       dieser Legislaturperiode durchsetzen konnte, war die
       Musterfeststellungsklage. Übrigens war auch bei Jamaika die
       Musterfeststellungsklage vereinbart.
       
       Nach welchen Kriterien wollen die Verbraucherverbände entscheiden, welche
       Klagen sie vertreten? 
       
       Wichtig ist zunächst die Relevanz der Klage. Musterfeststellungsklagen sind
       dann sinnvoll, wenn eine größere Zahl von Verbraucherinnen und Verbrauchern
       betroffen ist. Es sollten Fallkonstellationen betroffen sein, bei denen
       individuelle Klagen sich nicht lohnen. Das heißt, es könnte um überhöhte
       Bankgebühren gehen, um Versicherungsbedingungen, um Reiserecht, es wird
       auch im E-Commerce Fälle geben. Wir reden da von Beträgen zwischen 50 und
       500 Euro – Volkswagen ist absolut untypisch. Die einzelne Verbraucherin
       würde dafür nicht vor Gericht gehen. In der Summe entstehen aber massive
       Schäden bei Verbrauchern und vor allem auch Wettbewerbsvorteile für das
       Unternehmen, das gegen Gesetze verstößt.
       
       Stehen die VerbraucherInnen den Unternehmen jetzt auf Augenhöhe gegenüber? 
       
       Nein, aber wir haben uns einen Schritt in Richtung Augenhöhe bewegt. Die
       Musterfeststellungsklage hat ja einige Defizite. Wir müssen zum Beispiel 50
       Betroffene sammeln, das bedeutet für viele Mietrechtsfragen, die man so
       sehr gut hätte lösen können, ein K.-o.-Kriterium, weil man nicht 50 Mieter
       mit dem gleichen Problem gesammelt kriegt. Zweitens, wir haben keine
       Leistungsklage, nur eine Musterfeststellungsklage, das heißt, es wird nur
       festgestellt, dass ein Unternehmen betrogen hat, aber nicht, in welcher
       Höhe ein Schadenersatz zu leisten ist. Augenhöhe ist das nicht. Wir sind
       beim Bauchnabel angekommen.
       
       Schadet die schwache Verbraucherpolitik nicht auch den Unternehmen? 
       
       Zu schwache Verbraucherpolitik ist auch innovations- und
       wirtschaftsfeindlich. Wir sehen in den verschiedensten Märkten ein großes
       Misstrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher. Große Teile der
       Bevölkerung misstrauen zum Beispiel digitalen Angeboten und sind deshalb
       natürlich auch von den Möglichkeiten abgeschnitten, die solche Märkte
       bieten. Auch im Bereich Banken und Versicherungen fürchten viele Menschen,
       dass ihre Rechte hier nicht angemessen geschützt sind.
       
       1 Nov 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Roland Schaeffer
       
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