# taz.de -- Ermittlungen nach Film „Elternschule“: Verhalten wäre bei Eltern rechtswidrig
       
       > Manche Kinder schreien 14 Stunden am Tag, manche essen nur Chicken
       > Nuggets. Eine Klinik bietet Hilfe an. Nach einer Kino-Doku ermittelt die
       > Staatsanwaltschaft.
       
 (IMG) Bild: Kinder bitte nicht seelisch brechen, auch, wenn sie „schwierig“ sind
       
       Essen/Gelsenkirchen dpa | Die umstrittene Filmdokumentation „Elternschule“
       über Therapien in der Kinder- und Jugendklinik Gelsenkirchen hat jetzt die
       Justiz auf den Plan gerufen. Nach der Anzeige eines Arztes leitete die
       Staatsanwaltschaft Essen Ermittlungen gegen die Einrichtung ein. Es gehe um
       den Verdacht der Misshandlung Schutzbefohlener, sagte ein Behördensprecher
       am Dienstag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. „Es geht um die
       Handlungen, die in dem Film gezeigt werden“, erläuterte er. Die Klinik
       bezeichnete die Vorwürfe in einer Stellungnahme als „haltlos“. „Die Anzeige
       verstehen wir als Chance, die unberechtigten Vorwürfe gegen die Klinik
       juristisch zu entkräften“, teilte die Geschäftsführung mit.
       
       Der erst vor knapp drei Wochen in den Kinos gestartete zweistündige Film
       handelt von der mehrwöchigen Behandlung von psychosomatisch erkrankten
       Klein- und Vorschulkindern etwa mit massiven Ess- und Schlafstörungen oder
       von Kindern, [1][die 14 Stunden am Tag schreien]. In die stationären
       Therapien in der Abteilung Pädiatrische Psychosomatik sind auch die Eltern
       stark eingebunden. Jährlich behandelt die Abteilung rund 150 Kinder und
       ihre Eltern.
       
       Seit seinem Erscheinen im Oktober sorgt „Elternschule“ für kontroverse
       Debatten über die angewandten Therapiemethoden. Gezeigt wird etwa, wie
       Kinder mit Schlafstörungen allein in einem dunklen Schlafzimmer die Nacht
       verbringen – und irgendwann durchschlafen können. Ein Mädchen, das bislang
       nur Pommes und Chicken Nuggets aß, lernt mühsam, auch andere Speisen zu
       essen. Zu sehen sind auch verzweifelte Eltern mit großen Schwierigkeiten,
       ihr Kind allein zu lassen. Kritiker wie etwa der Kinderarzt und Buchautor
       Herbert Renz-Polster bemängeln, dass in der Einrichtung Kindern gewaltsam
       ein bestimmtes Verhalten aufgezwungen werde, sie etwa zum Essen gezwungen
       würden. Die Anzeige gegen die Klinik bezeichnete er am Dienstag als „mutig
       und richtig“.
       
       Auch nach Ansicht des Deutschen Kinderschutzbundes (DKSB) enthält der Film
       zahlreiche Szenen, in denen Kinder psychischer und physischer Gewalt
       ausgesetzt sind. „Die in den Film gezeigten Behandlungsmethoden können
       keinesfalls Vorbild für die Erziehung von Kindern in Deutschland sein“,
       sagte Kindheits- und Familienforscherin sowie DKSB-Vizepräsidentin Sabine
       Andresen laut einer Mitteilung. „Diese Praktiken führen zu einer
       Verunsicherung von Eltern im Umgang mit ihren Kindern.“
       Kinderschutzbund-Präsident Heinz Hilgers stellte fest: „Verhalten sich
       Eltern gegenüber ihren Kindern so wie das Klinikpersonal in dem Film, dann
       ist das rechtswidrig.“
       
       ## Viel Zuspruch vom Publikum
       
       Die Klinik hatte die Vorwürfe zurückgewiesen. „Unsere Arbeit ist absolut
       gewaltfrei. Die klinischen Methoden entsprechen dem aktuellen
       Forschungsstand und den Standards der medizinischen Wissenschaft“, schrieb
       Kurt-André Lion, ärztlicher Leiter der Abteilung, in einer vergangene Woche
       veröffentlichten Stellungnahme. Das verhaltenstherapeutische Programm
       basiere auf den Empfehlungen und Vorgaben von anerkannten
       Fachgesellschaften wie der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde und
       Jugendmedizin. „Wir arbeiten wie auch andere psychosomatische Kliniken in
       Deutschland.“ Eine Kliniksprecherin betonte, dass der Film auch sehr viel
       Zuspruch vom Publikum erfahren habe.
       
       Der Film von Jörg Adolph und Ralf Büchel soll auch im Fernsehen gezeigt
       werden. Wann und in welchem Programm, stehe noch nicht fest, sagte eine
       Sprecherin des Filmverleihers Zorro Film. An der Produktion war auch der
       Südwestrundfunk beteiligt.
       
       Zahlreiche Kritiker haben sich im Internet zu Wort gemeldet. Darunter ist
       auch die Initiatorin einer Unterschriftensammlung gegen den Film. Bis
       Dienstag hatten rund 22 000 Menschen einen Aufruf unterzeichnet, in dem
       gefordert wird, den Film nicht mehr zu zeigen – weder im Kino, noch im
       Fernsehen noch im Internet.
       
       30 Oct 2018
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Hamburger-Schreibaby-Ambulanz/!5527951
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Erziehung
 (DIR) Elterliche Gewalt
 (DIR) Gewalt gegen Kinder
 (DIR) Eltern
 (DIR) Kinder
 (DIR) Dokumentarfilm
 (DIR) Gewalt gegen Kinder
 (DIR) Erziehung
 (DIR) Bildungschancen
 (DIR) Sozialbehörde Hamburg
 (DIR) Familie
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Dokumentarfilm „Filmstunde_23“ im Kino: Blick zurück aufs Medium
       
       Die Regisseure Edgar Reitz und Jörg Adolph besichtigen in „Filmstunde_23“
       ein Schulexperiment von 1968. Die Protagonistinnen von einst sind dabei.
       
 (DIR) Vorwürfe gegen Gelsenkirchener Klinik: Wer heilt, hat Recht?
       
       Seit dem Dokumentarfilm „Elternschule“ steht eine Gelsenkirchener
       Kinderklinik unter Beschuss. Der Vorwurf: Kindesmisshandlung.
       
 (DIR) Streit um Dokumentation „Elternschule“: Ermittlungen gegen Klinik eingestellt
       
       Der sogenannte Erziehungsfilm „Elternschule“ sorgte für heftige
       Kontroversen und mehrere Strafanzeigen. Die Staatsanwaltschaft konnte keine
       Straftat feststellen.
       
 (DIR) Linken-Politikerin über Schulpflicht: „Manche Kinder geben auf“
       
       Die Vorsitzende der Hamburger Linksfraktion, Sabine Boeddinghaus, fordert
       eine Diskussion über Alternativen zur Schulpflicht.
       
 (DIR) Hamburger Schreibaby-Ambulanz: Beratungsstelle muss schließen
       
       Die Hamburger Schreibaby-Ambulanz kann sich nicht mehr finanzieren.
       Streitpunkt mit der Sozialbehörde waren unter anderem die Beratungshonorare
       des Vereins.
       
 (DIR) Erziehungsratgeber im Wandel der Zeit: Indikatoren des Zeitgeists
       
       Eine Studie untersucht deutsche Erziehungsratgeber der letzten 70 Jahre.
       Wie über Pädagogik geschrieben wurde, verrät viel über die Gesellschaft.