# taz.de -- Anschlag in Tunesien: Rückkehr der Ungewissheit
       
       > Die Wirtschaftskrise lässt die Bürger an ihrer Zukunft zweifeln. Nun
       > droht auch noch eine Rückkehr des militanten Islamismus.
       
 (IMG) Bild: Nach dem Anschlag: Passanten in Tunis
       
       Tunis taz | Für den Selbstmordanschlag im Zentrum von Tunis am Montag ist
       eine 30-jährige arbeitslose Hochschulabsolventin verantwortlich. Dies
       teilte am Dienstag ein Justizsprecher in der tunesischen Hauptstadt mit.
       Die Frau hatte sich direkt neben einer Polizeipatrouille auf der Avenue
       Habib Bourgiba in die Luft gesprengt. 15 Polizisten und fünf Passanten
       wurden leicht verletzt, als die Attentäterin ihren Sprengstoffgürtel
       zündete.
       
       Unmittelbar nach der Explosion sperrten Sicherheitskräfte die Innenstadt ab
       und hinderten Journalisten an der Berichterstattung. Polizisten nahmen
       diverse Terrorverdächtige fest, unter anderem einen unter einer Niqab
       versteckten Mann.
       
       Obwohl schon Stunden später die Cafés auf der Avenue Bourgiba wieder
       geöffnet hatten, bleibt bei vielen Tunesiern die Angst, dass der Konflikt
       zwischen den Sicherheitskräften und Islamisten nach drei Jahren neu
       aufflammen könnte.
       
       Am 24. November 2015 war ein Selbstmordattentäter in Tunis in einen Bus der
       Präsidialgarde gestiegen und hatte mit seiner Bombe 12 Soldaten getötet.
       Danach gelang es Polizei- und Armeeführung, mit europäischer Hilfe
       landesweit Hunderte Terrorzellen auszuheben. Doch erst in diesem Jahr kam
       der Tourismus wieder in Schwung.
       
       ## Islamisten lange im Untergrund
       
       Der 2013 verhängte Ausnahmezustand wurde aber beibehalten. Er lässt den
       Sicherheitskräften freie Hand bei ihrem Antiterrorkampf. Immer wieder
       berichten Menschenrechtsaktivisten von brutalen Verhörmethoden.
       
       Bis 2015 waren Islamisten noch offen auf der Straße gegen Liberale oder
       Frauenrechtsaktivistinnen vorgegangen und attackierten auch
       Kunstausstellungen. Danach ging die Szene aufgrund des Verfolgungsdrucks in
       den Untergrund. Viele Radikale schlossen sich dem Islamischen Staat in
       Syrien oder Libyen an. Nun, so scheint es, kehren sie zurück.
       
       In den Grenzregionen zu Libyen und Tunesien beherrschen Schmuggler den
       Handel und haben längst den Staat ersetzt. Über die durchlässigen Grenzen
       nach Algerien entgehen Terrorgruppen immer wieder der Verfolgung der Armee.
       In den Bergen bei Kasserine im Westen des Landes liefern sich das
       tunesische Militär und US-Spezialeinheiten immer wieder Gefechte mit
       Extremisten.
       
       Die Rückkehr der Unsicherheit trifft Tunesien inmitten einer schweren
       Wirtschaftskrise, die weite Teile der Bevölkerung in existenzielle Sorgen
       treibt. Von der Politik erwarten sie keine positiven Impulse. „Viele haben
       die Hoffnung auf einen Arbeitsplatz aufgegeben“, so der Aktivist Kouraish
       Jaouahdou. Tausende junge Männer haben sich in diesem Jahr mit
       Fischerbooten auf den Weg nach Sizilien oder Lampedusa gemacht.
       
       ## Reformen werden aufgeschoben
       
       Selbst Tunesiens Präsident Beji Caid Essebsi stimmt in die Kritik ein:
       „Während wir mit Reibereien um Posten beschäftigt sind, vergessen wir die
       Sicherheit der Bürger.“ Dabei war es der 92-Jährige selbst, der den vom ihm
       einst protegierten Premierminister Youssef Chahed Mitte September zum
       Rücktritt aufforderte, da dieser in seinem Kampf für Reformen und gegen die
       Korruption zu weit gehe.
       
       Nun will Essebsi aus Tunesien endgültig einen säkularen Staat machen und
       gegen den Widerstand der religiösen Kreise mit der Reform des
       Erbschaftsrechtes die Gleichberechtigung der Frauen durchboxen.
       
       Mit der Rückkehr der Radikalen aus Syrien und Europa stünden die Zeiten auf
       Sturm, klagt ein Aktivist auf der Avenue Bourgiba, auf der er am Tag des
       Anschlags eigentlich gegen die grassierende Polizeigewalt demonstrieren
       wollte. „Das Attentat wird die Reform des Justizapparates verzögern“, sagt
       er. „Das größte Opfer der Bombe ist der demokratische Übergangsprozess, für
       den wir vor sieben Jahren auf die Straße gegangene waren.“
       
       30 Oct 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Mirco Keilberth
       
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