# taz.de -- Studie zu multiresistenten Keimen: 672.000 Erkrankte in Europa
       
       > In Deutschland verordnen vor allem niedergelassene Ärzte zu viele
       > Antibiotika. Rund 2.300 Menschen starben hierzulande allein 2015.
       
 (IMG) Bild: Rund 33.110 Menschen sind in Europa 2015 an Infektionen durch MRSA-Keime gestorben
       
       Berlin taz | Wenn nicht Sie, dann wahrscheinlich der Mensch gegenüber: Bis
       zur Hälfte der Bevölkerung ist mit dem Bakterium Staphylococcus aureus
       besiedelt. Das kugelförmige Bakterium wuselt auf Haut und Schleimhäuten in
       friedlicher Co-Existenz mit seinem Wirt, wie die Billionen anderer
       Bakterien, die ein menschlicher Körper herumträgt. Zum Problem wird
       Staphylococcus aureus mitunter dann, wenn es resistent gegen
       Standardantibiotika wird. Dann wird aus ihm der hoch gefährliche Erreger
       MRSA, nach dem Mediziner fahnden.
       
       Rund 672.000 Menschen sind in Europa im Jahr 2015 an Infektionen durch
       multiresistente Keime erkrankt, 33.110 daran gestorben. Das ist Ergebnis
       einer Studie, die das Europäische Zentrum zur Prävention und Kontrolle von
       Krankheiten (ECDC) am Dienstag im schwedischen Solna veröffentlicht hat.
       
       Besonders Kinder unter zwölf Monaten und ältere Menschen ab 65 Jahren haben
       ein hohes Risiko, an einer solchen Infektion zu sterben. In 39 Prozent der
       betrachteten Fälle seien die Patienten mit einem Keim infiziert, gegen den
       auch Reserve-Antibiotika, also quasi das letzte Mittel, nichts mehr
       ausrichten können. Die Behandlung einer Infektion ist dann nur noch sehr
       schwer oder gar nicht mehr möglich.
       
       Multiresistente Keime – wie etwa MRSA – können Harn- und Atemwegsinfekte
       sowie Infektionen der Blutbahn und an Operationswunden verursachen. Die
       Bakterien verbreiten sich, weil weltweit sowohl an Menschen als auch [1][an
       Tiere in der Landwirtschaft zu viele Antibiotika verordnet werden].
       Resistent gegen Penicillin und Co werden Bakterien durch Mutationen oder
       durch den Austausch von Genen.
       
       ## Noch Luft für Verbesserungen
       
       Laut der Studie starben in Deutschland 2015 insgesamt 2.363 Menschen durch
       multiresistente Keime. Im Vergleich steht die Bundesrepublik damit zwar
       relativ gut da. Vor allem im Süden und Osten Europas sind die Infektionen
       weiter verbreitet. Italien meldete mit über 10.000 Todesfällen fast ein
       Drittel aller europaweiten Fälle, auch Griechenland, Frankreich, Rumänien
       und Spanien sind stark betroffen.
       
       Allerdings seien die Meldesysteme für auftretende Resistenzen in den
       einzelnen Ländern zum Teil schwer zu vergleichen, sagt Petra Gastmeier,
       Direktorin des Instituts für Hygiene und Umweltmedizin an der Berliner
       Charité. Auch in Deutschland gebe es noch Luft nach oben für
       Verbesserungen.
       
       Notwendig sei ein ganzes Maßnahmenbündel, sagt Ilona Köster-Steinebach vom
       Berliner Verein Aktionsbündnis Patientensicherheit der taz. So würden von
       den niedergelassenen Ärzten Antibiotika häufig zu leichtfertig verordnet.
       85 Prozent der rund 700 bis 800 Tonnen Antibiotika, die in Deutschland
       jährlich verabreicht werden, verordnen niedergelassene Fachärzte.
       
       Man müsse prüfen, „welche Vergütungs-Regelungen einer sinnvollen
       Antibiotika-Therapie entgegenstehen“, sagt Köster-Steinebach. Außerdem
       fehlten Aufklärungskampagnen in der Bevölkerung zum Thema Antibiotika. Es
       gebe große Kampagnen etwa zu sexuell übertragenen Krankheiten – „doch dass
       bei einer Erkältung Antibiotika schaden und nicht nutzen, das wissen viele
       nicht“.
       
       Ein weiterer Schwachpunkt sei [2][der eklatante Mangel an Pflegepersonal in
       Pflegeheimen und Krankenhäusern]. „Wenn Pflegekräfte überlastet sind, sind
       sie gezwungen, Tätigkeiten wegfallen zu lassen“, so Köster-Steinebach. Wenn
       sie sich etwa weniger die Hände wüschen, falle das nicht sofort auf. „Aber
       es führt zu Erkrankungen und Kosten“, so die Patientenvertreterin.
       
       ## Weniger Antibiotika einsetzen
       
       Ein schwieriger Knackpunkt ist die Entwicklung neuer Antibiotika:
       „Pharmafirmen entwickeln Medikamente, um sie sehr teuer oder sehr häufig zu
       verkaufen“, so Köster-Steinebach. Bei Antibiotika sei das ein Dilemma:
       „Entweder sie werden so entwickelt, dass sie breit eingesetzt werden können
       – das wollen wir nicht. Oder sie entwickelten sie gar nicht – das wollen
       wir auch nicht.“
       
       Die Autoren der ECDC-Studie heben hervor, dass etwa drei Viertel der
       Erkrankungen mit antibiotikaresistenten Keimen in Krankenhäusern und
       anderen Einrichtungen des Gesundheitssystems festgestellt wurden. Deshalb
       empfiehlt die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention
       beim Robert Koch-Institut Krankenhäusern ab einer bestimmten Größe
       sogenannte Krankenhaushygieniker.
       
       Allerdings: Solche Mediziner mit einem Facharzt für Hygiene und
       Umweltmedizin seien auf dem Arbeitsmarkt schwer verfügbar, sagt der taz
       Stefanie Kampmeier, stellvertretende Ärztliche Leiterin an der
       Westfälischen Akademie für Krankenhaushygiene und Oberärztin des Institutes
       für Hygiene am Universitätsklinikum Münster.
       
       Dort wird mit einem speziellen Experten-Team versucht, weniger dieser
       Medikamente einzusetzen. Dieses führe Visiten auf Hochrisiko-Stationen –
       wie der Intensiv- oder der Neugeborenenstation – durch, so Kampmeier. Dabei
       erfasst es die Menge und Dauer, in denen Patienten ein Antibiotikum
       verschrieben bekommen, und diskutierten dies mit den behandelnden Ärzten.
       Nachholbedarf sieht Kampmeier in der Ausbildung von Antibiotika-Experten.
       Hier liege es oft in der Eigeninitiative der Mediziner.
       
       6 Nov 2018
       
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