# taz.de -- Kommentar Angela Merkels Ausstieg: Ganz großes Finale
       
       > Unerwartet und mit Haltung hat Kanzlerin Angela Merkel ihren Ausstieg aus
       > der Politik angekündigt. Wir werden uns noch nach ihr sehnen.
       
 (IMG) Bild: Halb weg: Angela Merkel
       
       Sie hat es geschafft. Angela Merkel steigt aus. Unerwartet hat sie es
       angekündigt, ein Coup am Montagmorgen. Und als sie es in Berlin verkündet,
       da sieht sie glücklich aus, sie lächelt gelöst. Ab und zu macht sie eine
       Pause, sie wirkt sogar aufgeregt, als wäre sie gerade erst Frauenministerin
       in Bonn geworden. Als ginge sie jetzt mit jedem Satz ein Jahr zurück zu dem
       Punkt, bevor sie ins Leben als Machtmensch einstieg.
       
       Angela Merkel ist ab diesem Montag Geschichte. Im realpolitisch brutalen
       Sinne. Aber auch im Sinne eines historischen Ausstiegs aus eigener Kraft.
       Mit Haltung.
       
       Sie würde sich bestimmt durchlavieren, hieß es. Sie würde nur gehen, wenn
       die Hessen ihren Verbündeten Volker Bouffier abwählen, hieß es. Einer müsse
       es ihr sagen: der Pattex-Kanzlerin. Jetzt ist Bouffier noch da, und niemand
       muss ihr was sagen. Sie gibt den CDU-Vorsitz auf und ist bereit, noch bis
       2021 Kanzlerin zu sein.
       
       „Ich wurde nicht als Kanzlerin geboren“: Ihr Entschluss kommt nicht wie
       Taktik im Alltagsgeschäft herüber. Dieser Moment ist stark, weil Merkel
       nicht wie Merkel wirkt. Es ist erst recht keine dieser Affekthandlungen der
       Trump-Jahre. Es ist fast die Hausnummer eines Roosevelts: Entscheidungen so
       treffen, dass sie Maxime sein können.
       
       ## Merkel betrachtet Fall Merkel
       
       Auf ihrer Pressekonferenz vor Berlins versammelten Kanzlerbeobachtern hat
       sie sich selbst in die Rolle der Beobachterin begeben: Wie muss ich es
       organisieren, dass ich nicht vom Hof gejagt werde? Wie kann ich den
       Übergang als Phase innerparteilicher Demokratie aufziehen?
       
       Sie sagt selbst, dass es ein Wagnis ist, Parteiamt und Kanzlerschaft zu
       trennen. Sie sieht den Lame-duck-Faktor, denkt aber, dass es klappen kann.
       Sie erzählt einfach so, dass sie sich alles schon vor der Sommerpause
       überlegt habe. Wusste Annegret Kramp-Karrenbauer denn nichts? Da sagt sie
       in uckermärkischer Umstandslosigkeit, in solchen Situationen erzähle man
       lieber nichts.
       
       Angela Merkel betrachtet den Fall Angela Merkel. Das ist großes Kino, das
       keiner der Männer in diesem Amt je hinbekommen hat.
       
       Es ist die Haltung, in der Merkel Ende der Neunziger der Fotografin
       Herlinde Koelbl ein Interview gab: als eine Frau, die sich kannte. Den
       Satz, dass sie nicht ein halbtotes Wrack sein wolle, sondern den richtigen
       Zeitpunkt zum Ausstieg finden, hauten ihr ihre Gegner gern um die Ohren.
       Gegen die Bitternis der Merkel-muss-weg-Gemeinde setzt sie diesen
       entspannten Abgang.
       
       Kaum beachtet wurde bisher im Übrigen, wie Merkel den Satz in Koelbls
       Interviewbuch damals beendet hat: Sie wolle sich „nach einer Phase der
       Langeweile etwas anderes einfallen lassen“, sagte sie vor fast genau 20
       Jahren. Dass sie bei der nächsten Wahl auch nicht mehr für den Bundestag
       kandidieren will und auch ein Amt in Brüssel ausgeschlossen hat, passt dazu
       praktisch perfekt.
       
       Jetzt können Spahn und Kramp-Karrenbauer, ja sogar der Polit-Oldie Merz
       zeigen, was sie können. Und was sie nicht können. Wir werden uns noch nach
       ihr sehnen.
       
       29 Oct 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Georg Löwisch
       
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