# taz.de -- Neue App der Krankenkassen: Patient gerettet, Datenschutz tot
       
       > Mit einer neuen Smartphone-App wollen Krankenkassen leichter
       > Patientendaten austauschen. Ärzte sind begeistert, Datenschützer nicht.
       
 (IMG) Bild: Alles supi! Lohnt es sich, PatientInnen zu durchleuchten?
       
       Berlin taz | Die Blutwerte kommen vom Hausarzt, die Röntgenbilder vom
       Orthopäden, der Allergietest vom Hautarzt. Wer auf der Suche nach einer
       Diagnose für seine Beschwerden ist, muss oft viel Zeit in
       unterschiedlichsten Praxen verbringen, wartet auf Termine, Ergebnisse – und
       leidet. Handy-Apps sollen wenigstens diese Beschwerden der PatientInnen
       lindern und Analysen und Therapien beschleunigen. Denn problematisch ist
       vor allem, dass die unterschiedlichen Ärzte keinen schnellen Zugriff auf
       die notwendigen Daten haben.
       
       Die digitale Akte Vivy soll das ändern. Über sie können Befunde,
       Laborwerte, Aufnahmen von Knochen, Magenspiegelung oder Gewebe gespeichert
       und weitergeleitet werden. 14 gesetzliche und 2 private
       Krankenversicherungen haben sich zusammengeschlossen. Rund 13,5 Millionen
       Versicherte sollen davon profitieren. Die App steht den Versicherten gratis
       zur Verfügung, und die Nutzung ist freiwillig. Derzeit werden die
       Versicherten befragt, ob sie die Anwendung verwenden wollen oder nicht.
       
       Doch es geht nicht nur um den Austausch von Informationen. Die App kann
       angeblich noch viel mehr. Sie soll Eltern an die regelmäßigen
       U-Untersuchungen ihrer Kinder erinnern, sie kann Überweisungen speichern
       oder auch Informationen aus dem Mutterpass für Schwangere. Wer Diabetes,
       Schilddrüsenprobleme oder Herzbeschwerden hat, kann sich über die App an
       die Medikamenteneinnahme erinnern lassen oder eine wichtige Impfung.
       
       Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage sollen zwei Drittel der Bundesbürger
       nicht wissen, wann sie ihren Schutz vor Tetanus auffrischen müssen. Auch
       bei der Krebsvorsorge oder der Prostata-Untersuchung sind die Menschen in
       Deutschland nachlässig.
       
       Sogar vor Nebenwirkungen soll Vivy warnen. Das Magenmittel passt nicht mit
       dem Antibiotikum zusammen? Bevor der Arzt eine Einschätzung abgibt, blinkt
       die App auf und bewahrt den Patienten vor einer falschen Einnahme, die
       fatale Folgen haben kann.
       
       Die Hoffnung ist groß, dass damit Menschen schneller geholfen wird, wieder
       gesund zu werden. „Vivy wird im Praxisalltag vieles einfacher machen“, sagt
       Andreas Storm. Er ist Vorstandschef der DAK-Gesundheit, die sich an der App
       beteiligt. Weitere Krankenversicherungen, die mitmachen, sind die Allianz
       Private Krankenversicherung und die Barmenia. Aufseiten der gesetzlichen
       Kassen sind die Innungskrankenkassen IKK classic, IKK Nord, IKK Südwest und
       mehrere Betriebskrankenkassen dabei.
       
       ## Transparentere, nachvollziehbare Entscheidungen?
       
       Neben Vivy gibt es eine E-Akte der Techniker Krankenkasse. Bei TK Safe sind
       die Versicherungen Generali und Signal Iduna beteiligt. Die Daten sollen
       auf Servern in Deutschland angelegt werden. Zudem hat die AOK ein Modell
       vorgelegt. Dabei bleiben die Informationen der Patienten beim Arzt. Bei
       Bedarf führt ein Suchalgorithmus die Daten zusammen.
       
       Die digitale Krankenakte ist ein Prestigeprojekt der Bundesregierung.
       Spätestens ab 2021 müssen die Krankenkassen den Versicherten eine
       elektronische Patientenakte zur Verfügung stellen und sie darüber auch
       informieren. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sieht darin die Chance,
       für mehr Patientensicherheit zu sorgen. „Der digitale Austausch von
       Informationen zwischen Behandelnden in Krankenhäusern und ambulanten Praxen
       wird damit schneller und sicherer gelingen“, sagt Spahn. Ärztliche
       Entscheidungen sollen transparenter werden, nachvollziehbar für
       PatientenInnen.
       
       Auch die deutsche Ärzteschaft äußert sich weitgehend begeistert. Der
       Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, appelliert an
       Ärzte, Verbraucher und Politik in der digitalen Welt, Patientensicherheit
       neu zu denken. „Einfache Gesundheits-Apps können eine gesunde Lebensführung
       unterstützen, aber auch großen Schaden anrichten“, sagt Montgomery. Er
       plädiert außerdem für ein bundesweites Gütesiegel für digitale
       Gesundheitsanwendungen. Die neue Gesundheitswelt sei kein Selbstläufer,
       sagte Montgomery. Er forderte Transparenz bei den Apps und Klarheit
       darüber, auf welcher Grundlage bei den Angeboten Empfehlungen ausgesprochen
       werden.
       
       Daten- und Verbraucherschützer schlagen jedoch Alarm und warnen vor allzu
       viel Optimismus. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hat bereits im
       Frühjahr 17 Apps untersucht. Das Ergebnis der Experten: NutzerInnen können
       kaum herausfinden, ob die Gesundheits-App ihnen nutzt oder nicht.
       
       17 Sep 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tanja Tricarico
       
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