# taz.de -- Kolumne Flimmern und Rauschen: Kampagnenjournalismus auf britisch
       
       > Mit Titelseiten die Politik vor sich hertreiben, Premiers zu Statements
       > aus dem Urlaub zwingen: Die englischen Tabloids haben's drauf!
       
 (IMG) Bild: Boris Johnson lieferte mit seinem „Briefkasten“-Kommentar den Blättern, was sie brauchen
       
       Auch wenn der englische Sommer gerade eine kleine Pause einlegt, ist beim
       alten Katz-und-Maus-Spiel zwischen Medien und Politik natürlich keine
       Unterbrechung geplant. Und wer meint, die Bild sei immer noch
       kampagnenfähig (sorry, Julian!), dem sei der Blick auf die hiesigen Blätter
       empfohlen.
       
       Ein bisschen Erholung gibt es immerhin für Premierministerin Theresa May –
       allerdings nicht, weil bei ihr mal was gut läuft, sondern weil sich aktuell
       gleich zwei ihrer Lieblinge darin überbieten, sich in den eigenen Fuß zu
       schießen.
       
       Den Anfang machte ihr Ex-Außenminister Boris Johnson mit seinem
       Burka-Vergleich. [1][Vollverschleierte Frauen sähen aus wie Briefkästen],
       hatte Johnson vergangene Woche beschieden, was angesichts der roten, runden
       Sammelstationen der Royal Mail nicht nur ein bisschen schief ist.
       Vermutlich meinte er Mülltonnen, hat sich das dann aber doch nicht zu sagen
       getraut. Seitdem fallen die Medien – zu Recht – über den blonden Hünen her
       und zerren alle RepräsentantInnen muslimischer Organisationen oder anderer
       Religionen hervor, die nicht vorsichtshalber in Urlaub gefahren sind.
       
       Nur eine bleibt auffällig stumm in der Causa Johnson: die Daily Mail. Denn
       das immer weiter nach rechts driftende Blatt, das eigentlich gar nicht zu
       den schlimmen „Tabloids“ gehört, sondern den „Mid Market“ der britischen
       Presselandschaft anführt, hält Boris Johnson schon für den nächsten
       Premierminister. Und macht deshalb Jagd auf jemand anderen, der stets
       verlässlich den eigenen Fuß trifft.
       
       ## Niedergelegte Kränze
       
       Labour-Chef Jeremy Corbyn hat gerade erst und noch immer nicht richtig
       [2][die Antisemitismus-Kontoverse] vom Hals, da steht er schon wieder
       mitten in den Erbsen. Fünf Tage lang trommelte die Daily Mail mit einer
       eher kleinen Geschichte gegen ihn: Corbyn hatte 2014 in Tunesien an einer
       Gedenkfeier für 1985 bei einem israelischen Angriff auf Tunis umgekommene
       Palästinenser teilgenommen und einen Kranz niedergelegt.
       
       Neben der Gedenkstätte für diese Opfer befinden sich aber auch Gräber hoher
       PLO-Funktionäre, die mit dem Attentat auf die israelische Olympiamannschaft
       bei den Spielen 1972 in München zu tun gehabt haben sollen.
       
       Am Samstag hatte die Mail bereits ein Foto aufgetrieben, dass Corbyn in
       Tunesien mit einem Kranz zeigte. Auch wenn das Blatt seitdem tapfer den
       entsprechenden Friedhof vermaß und in seiner Dienstagsausgabe auf sechs
       Seiten zur Jagd blies, wollte zunächst niemand so recht einsteigen. Dafür
       sorgte erst Corbyn selbst. Am Dienstagabend sagte er: „Ich war bei der
       Kranzniederlegung dabei, habe aber, glaube ich, keinen Kranz abgelegt.“
       
       Womit er nun wieder unbestritten in Sachen Titelseiten führt. Theresa May
       kann weiter beruhigt Urlaub machen.
       
       Steffen Grimberg (früher taz, NDR und ARD, jetzt MDR) bringt jeden Mittwoch
       Unordnung in die aufgeräumte Medienwelt.
       
       14 Aug 2018
       
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