# taz.de -- Antisemitismus in Großbritannien: „Wir stehen zusammen“
       
       > Jüdische Wochenzeitungen in Großbritannien erscheinen mit der gleichen
       > Titelseite. Damit warnen sie vor Antisemitismus in der Labour-Partei.
       
 (IMG) Bild: Dreifache Warnung: Judische Zeitungen in Großbritannien
       
       Die drei größten jüdischen Zeitungen in Großbritannien haben sich zu einem
       ungewöhnlichen Schritt zusammengeschlossen, um vor Antisemitismus in der
       Labour-Partei zu warnen. „United we stand“ (deutsch: Wir stehen zusammen)
       heißt es auf der Titelseite der [1][am Donnerstag erschienenen Jewish News]
       sowie auf den Titelseiten [2][der am Freitag erscheinenden The Jewish
       Chronicle] und [3][Jewish Telegraph]. Auf allen Covern der Wochenzeitungen
       erscheint zudem ein gemeinsamer Kommentar der Redaktionen.
       
       Darin heißt es: „Wir machen das wegen der existenziellen Bedrohung
       jüdischen Lebens in diesem Land, die von einer von Jeremy Corbyn geführten
       Regierung ausgehen würde.“ Corbyn ist der Parteivorsitzende der
       Labour-Partei und derzeit Oppositionsführer im britischen Unterhaus. „Die
       Werte und Integrität dieser Partei, die bis vor Kurzem das natürliche
       Zuhause für unsere Community war, wurde von der Corbyn’schen Verachtung für
       Juden und Israel ausgehöhlt.“
       
       Dank Corbyn hat der Labour-Parteivorstand kürzlich eine Definition
       beschlossen, nach der nicht einmal die Gleichsetzung von Israel mit dem
       Nationalsozialismus grundsätzlich als antisemitisch eingeordnet wird. Eine
       international anerkannte Definition der International Holocaust Remembrance
       Alliance (IHRA), die auch israelbezogenenen Antisemitismus einschließt und
       beispielsweise die Dämonisierung, Delegitimierung und Anwendung von
       doppelten Standards gegenüber Israel verurteilt, wurde damit bestritten.
       
       Auf Israel projizierter Antisemitismus werde so für akzeptabel erklärt,
       heißt es in dem gemeinsamen Titelkommentar: „Unter den angenommenen
       Richtlinien steht es einem Labour-Mitglied frei, die Existenz Israels als
       rassistische Leistung darzustellen und israelische Politik mit der
       Nazideutschlands zu vergleichen, außer wenn ‚Absicht‘ – was auch immer das
       heißt – nachgewiesen werden kann.“ Der jetzige Zeitpunkt wurde gewählt, da
       Labour im September erneut über die Definition entscheiden will.
       
       Die jüdische Labour-Abgeordnete Margaret Hodge soll Corbyn nach dem
       Vorstandsbeschluss [4][in der vergangenen Woche als einen „fucking
       anti-Semite and racist“] bezeichnet haben, wovon sie nur das „fucking“
       bestreitet. Die Parteiführung plant deshalb derzeit, ein
       Disziplinarverfahren gegen Hodge einzuleiten. „Es ist eine reale Gefahr,
       dass ein Mann, der blind für die Ängste der jüdischen Community ist und
       nicht versteht, dass hasserfüllte Rhetorik gegen Israel leicht in
       Antisemitismus münden kann, unser nächster Premierminister wird“,
       kommentieren Jewish Chronicle, Jewish News und Jewish Telegraph weiter.
       
       ## Zweitgrößte jüdische Gemeinde in Europa
       
       Die Aktion der drei jüdischen Zeitungen ist durchaus einmalig in der
       Medienlandschaft. Marcus Dysch, Jewish-Chronicle-Mitherausgeber,
       bezeichnete sie auf Twitter als „absolut beispiellos“. Die drei Blätter
       sind eigentlich Konkurrenten im umkämpften Zeitungsmarkt. Nach Frankreich
       hat Großbritannien mit bis zu 300.000 Mitgliedern die zweitgrößte jüdische
       Gemeinde in Europa. Offenbar ist die Sorge und Wut über die Vorgänge in der
       Arbeitspartei so groß, dass man sich zu diesem geschlossenen Auftritt
       genötigt sah. „Nach drei Jahren der unermüdlichen Berichterstattung über
       Antisemitismus in der Labour-Partei sagen wir mit einer Stimme: Genug ist
       genug“, schrieb Dysch weiter.
       
       Paul Harris, Redakteur des Jewish Telegraph, bedauerte im Gespräch mit der
       taz, dass Corbyn „so viele Manifestationen des Judenhasses innerhalb seiner
       Partei“ ignoriert habe. „Mit dem Herumpfuschen an der IHRA-Definition hat
       er die Situation vielmehr verschlimmert, direkt in die Hände der
       Antisemiten gespielt und viele verwundert darüber gelassen, was seine
       wahren Gefühle gegenüber britischen Juden sind“, so Harris weiter. „Er
       verweigert sich weiterhin einer Verdammung von Parteimitgliedern, die sich
       antisemitisch äußern oder Kritik an Israel mit eklatantem Antisemitismus
       vermischen. Viele britische Juden sind voller Angst vor einem von Corbyn
       geführten Großbritannien.“
       
       Der Labour-Parlamentarier Ian Austin schrieb auf Twitter, jedes
       Parteimitglied müsse beschämt über die gemeinsame Titelgeschichte sein.
       „Antisemitismus in unserer Partei hat der jüdischen Community viel Leid
       zugefügt. Wir müssen das Problem ernster nehmen.“ Eine Parteisprecherin
       wies den Vorwurf zurück, dass Labour eine „Bedrohung für Juden“ darstelle.
       Jeremy Corbyn selbst verweigerte zunächst eine Reaktion. Vom
       Nachrichtensender Sky Newsangesprochen, sagte er lediglich mehrfach „No“
       und fuhr mit dem Fahrrad davon.
       
       26 Jul 2018
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://jewishnews.timesofisrael.com/
 (DIR) [2] https://www.thejc.com/
 (DIR) [3] https://www.jewishtelegraph.com/
 (DIR) [4] /Antisemitismus-in-der-Labour-Partei/!5518335
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Frederik Schindler
       
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