# taz.de -- Skandalöser Polizeieinsatz: Die Drogen-Razzia war illegal
       
       > Die Durchsuchung des Wohnprojektes „Plan B“ auf St. Pauli war
       > rechtswidrig, stellte ein Gericht nun fest. Bewohner sprechen von
       > „bewaffnetem Einbruch“.
       
 (IMG) Bild: Vermummt und schwer bewaffnet standen sie in der WG-Küche
       
       HAMBURG taz | Die martialische Razzia der Task Force Drogen vor zwei Jahren
       im Bereich der Hafenstraße auf St. Pauli hätte so nicht stattfinden dürfen
       – das hat das Hamburger Amtsgericht jetzt entschieden. Für die Durchsuchung
       einer privaten Wohnung im Wohnprojekt „Plan B“ durch schwer bewaffnete
       Polizisten habe keine Genehmigung vorgelegen, urteilte das Gericht. Zwar
       gab es einen richterlichen Beschluss, aber nicht „für die tatsächlich
       durchsuchten Wohnräume“, sondern nur für Räumlichkeiten direkt hinter der
       Gartentür heißt es in der Begründung des Amtsrichters. Eine betroffenen
       Bewohnerin hatte geklagt.
       
       Am Abend des 18. Juli 2016 waren mehrere Dutzend Polizeifahrzeuge und 250
       BeamtInnen vor der ehemals besetzten Häuserzeile aufgefahren und hatten das
       Areal am Hafenrand abgeriegelt. Fast zeitgleich stürmten am oberen
       Hafenrand in der Bernhard-Nocht-Straße mehrere Dutzend vermummte, mit
       Maschinenpistolen bewaffnete Spezialkräfte einer Beweissicherungs- und
       Festnahmeeinheit das Wohnprojekt. Sie brachen dessen Tür auf, obwohl eine
       Bewohnerin angeboten hatte, bei Vorlage eines Durchsuchungsbeschlusses die
       Tür aufzuschließen.
       
       Mit vorgehaltenen Schusswaffen forderten die PolizistInnen die anwesenden
       BewohnerInnen auf, ihre Hände hoch zu nehmen. Parallel dazu rissen am
       südlichen Teil des Areals Polizisten im Hinterhof das unverschlossene
       Gartentor nieder, um mutmaßliche Dealer festzunehmen. Sie führten 34
       Afrikaner in Handschellen ab, die vor der Polizei in den Garten geflüchtet
       waren.
       
       Die Federführung des überzogenen Einsatzes lag in der Hand des Leiters der
       im April zuvor eingerichteten Task Force Drogen, Enno Treumann. Die
       rechtliche Grundlage dafür sollte der besagte Durchsuchungsbeschluss eines
       Amtsrichters sein, der vage den Verdacht auf „Beihilfe zum unerlaubten
       Handeltreibens mit Betäubungsmitteln“ gegen einen „noch nicht
       identifizierten Wohnungsinhaber“ in der Bernhard-Nocht-Straße formulierte.
       
       ## Gefunden wurde nichts
       
       „Unbestimmter geht’s nicht mehr“, kommentierte schon damals die
       Rechtsanwältin Fenna Busmann den Beschluss. Der Polizeisprecher Holger
       Vehren hatte das Vorgehen kurz nach der Durchsuchung so begründet: „Die
       Fahnder hatten Erkenntnisse darüber, dass mutmaßliche Händler von
       Betäubungsmitteln sich Kontrollen entziehen und dafür eine Wohnung in der
       Bernhard-Nocht-Straße sowie einen angrenzenden Hinterhof als Rückzugsort
       nutzen.“ Gefunden wurde bei der Razzia im Haus allerdings nichts, die
       BeamtInnen beschlagnahmten lediglich eine Verteilersteckdose, die aus dem
       Fenster hing.
       
       Die Unbestimmtheit des Beschlusses hatte bei den Einsatzkräften vor Ort
       offensichtlich für Irritationen gesorgt – sie wussten wohl nicht, welche
       Räume sie durchsuchen sollten. So interpretiert es jedenfalls das
       Amtsgericht.
       
       „Das Gericht bestätigt mit seiner Feststellung den Eindruck, dass es sich
       bei dem Einsatz in unserer Wohnung weniger um eine Hausdurchsuchung als um
       einen bewaffneten Einbruch handelte, der die Einschüchterung der
       BewohnerInnen zum Ziel hatte“, erklären die BewohnerInnen des Projekts in
       einer Stellungnahme. Der Anwalt Lino Peters, der auch die betroffene
       Bewohnerin der durchsuchten Wohnung vertritt, sagt: „Aus juristischer Sicht
       war der Polizeieinsatz ein Skandal. Für das Eindringen in die Wohnung
       meiner Mandantin gab es keinerlei Rechtsgrundlage.“
       
       In der Erklärung des Wohnprojekts heißt es weiter, die Rechtswidrigkeit des
       Einsatzes füge sich in das Bild, das auch die brutale Repression während
       und im Nachgang des G20-Gipfels zeichne. „Rechtliche Vorgaben gelten der
       Polizei zunehmend als lästige Fesseln im Kampf gegen linke Strukturen“, so
       die BewohnerInnen. „Die Polizei handelt willkürlich und als eigenständiger
       politischer Akteur immer häufiger nach der Maxime: Erst schlagen, dann
       fragen.“
       
       30 Jul 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kai von Appen
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Polizeikontrollen in Hamburg
 (DIR) Polizei
 (DIR) Razzia
 (DIR) Drogen
 (DIR) Schwerpunkt Rassismus
 (DIR) Hafenstraße
 (DIR) Demonstrationen
 (DIR) Hafenstraße
 (DIR) Hafenstraße
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Kampnagel-Webserie „The Justice Project“: Rassismus auf der Anklagebank
       
       Vorwürfe mal in die andere Richtung: In der Kampnagel-Webserie „The Justice
       Project“ halten schwarze Geflüchtete über weiße Richter Gericht.
       
 (DIR) Kleinkrieg in der Hafenstraße: Kampf um Laternen und Büsche
       
       Task Force Drogen und das Bezirksamt Mitte lassen die Begrünung vor den
       Hafenstraßen-Häusern stutzen, damit Drogen-Fahnder mehr Durchblick haben
       
 (DIR) Pro & Contra zu Hafenstraßen-Demos: Populismus vor dem Privathaus
       
       Wegen einer Razzia in der Hafenstraße haben Linke vor dem Wohnhaus von
       Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) auf St. Pauli protestiert. Ist das
       schlechter Stil?
       
 (DIR) Durchsuchung in der St. Pauli Hafenstraße: Die verhängnisvollen Stromkabel
       
       Bei der Durchsuchung fand die Polizei keine Drogen. Warum korrigiert die
       Staatsanwaltschaft nicht gegenteilige Berichte?
       
 (DIR) Razzia in Hamburger Hafenstraße: Cops mit Maschinenpistole
       
       Wegen eines vagen Verdachts auf Drogenhandel: Die Polizei stürmt ein
       Wohnprojekt in der Hamburger Hafenstraße. Und findet nichts.