# taz.de -- Asylrechtsverschärfung von CDU und CSU: Fantasievoll inhuman
       
       > Mit der Formel „Fiktion der Nichteinreise“ will die Union regeln, wer ins
       > Land darf und wer nicht. Dahinter steht eine brutale Vorstellung von
       > Grenzen.
       
 (IMG) Bild: Eindeutig eine Grenze – nur: Gilt die für alle Menschen gleich?
       
       Die Grenze ist kein Ort, sondern ein Zustand. Dass Menschen die Grenze als
       klar definierte Linie wahrnehmen können, ist Ergebnis einer mehr oder
       weniger freiwilligen Übereinkunft aller Anrainer: Hier endet ein
       Territorium, dort beginnt ein neues.
       
       Gerne verdrängt wird, wie willkürlich Grenzen gezogen wurden und werden: An
       einem Ort gelten bestimmte Rechte, nur einen Schritt entfernt, auf der
       anderen Seite der Grenze, gelten jedoch gänzlich andere Regel, und noch
       einmal andere genau auf der gedachten Grenzlinie. Historische und
       topografische Zufälle bestimmen die Form und Grenzen eines Nationalstaates
       und damit den Wirkungsbereiches seiner Werte, Regeln und Kultur.
       
       Wie erfunden die Idee der Grenzlinie ist, wie real hingegen der
       Grenzzustand, belegt das [1][Einigungspapier zwischen CDU und CSU.] Darin
       findet sich die Formulierung: „Zurückweisung auf Grundlage einer Fiktion
       der Nichteinreise“. Das bedeutet also, dass Asylsuchende, die die deutsche
       Grenze passiert haben, obwohl sie schon in einem anderen EU-Land
       registriert sind, so behandelt werden, als hätten sie die Grenze nicht
       überschritten. „Fiktion der Nichteinreise“, also.
       
       Diese Idee macht den Grenzübertritt, das Überschreiten einer Linie die von
       einem Territorium in das nächste führt, unmöglich, und zwar unabhängig
       davon, ob dieser Übertritt körperlich vollzogen wurde.
       
       ## Menschen ohne Rechte
       
       Die Grenze verlässt somit ihren ohnehin fiktiven Ort. Sie wird stattdessen
       um Menschen gezogen, die auf diese Weise ganz rechtskonform überall als
       Rechtlose behandelt werden können. Flüchtende sollen in Lagern gehalten und
       daran gehindert werden, vollständig in den Wirkungsbereich bürgerlicher
       (d.h. auch: einklagbarer) Rechtsnormen einzutreten. Sollte es ihnen dennoch
       gelingen, Ketten und Barrieren zu sprengen, soll nun vorsorglich der
       Bannkreis der „Fiktion der Nichteinreise“ um sie gezogen werden.
       
       Das Ganze mag für's Erste den Eindruck einer eher akademischen Übung
       erwecken, hat jedoch sehr konkrete Auswirkungen. Zunächst wird ganz
       offensichtlich der Zugang zu rechtsstaatlichen Asylverfahren erneut
       erschwert. Daneben stellt sich die Frage, wie genau ermittelt werden soll,
       auf wen die „Fiktion der Nichteinreise“ angewandt werden kann – wenn sich
       die betreffenden Personen nicht mehr in geografischer Grenznähe befinden,
       aber rein fiktional noch nicht eingereist sind.
       
       Es ist davon auszugehen, dass die rassistisch diskriminierende Praxis des
       sogenannten racial profilings, sofern sie nicht ohnehin bereits
       Arbeitsalltag für viele Polizeibehörden ist, ganz beiläufig in ihren
       Werkzeugkasten übernommen werden wird. Dann dürften nicht nur Geflüchtete
       Ziel der anlasslosen Kontrollen und Gängelungen werden.
       
       ## Brutal inhumane Agenda
       
       Ganze Personengruppen im Wortsinne aus dem Recht zu setzen, offenbart ein
       Programm, für das „Recht und Ordnung“ keine moralischen Grundsätze, sondern
       flexibel zu deutende Propagandabegriffe sind. Der Versuch, eine politische,
       gerne auch brutal inhumane Agenda umzusetzen, indem rechtsfreie Räume und
       die dauerhafte individuelle Entrechtung legalisiert werden, hat viele
       historische Vorbilder, gerade in der deutschen Geschichte.
       
       Recht bildet immer beides ab: politische Absichten und materielle
       Realitäten. Die schon jetzt mörderische Realität der Bekämpfung von Flucht
       und Migration ist bekannt. Welchen Absichten mit der „Fiktion der
       Nichteinreise“ gedient wird, mit der Ausdehnung der Grenze als Zustand weit
       über ihren Ort hinaus also, ist nicht schwer zu erraten.
       
       3 Jul 2018
       
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