# taz.de -- Diversity House in Moskau: Gut überwacht
       
       > In den geschützten Raum für Minderheiten während der WM kommen auch
       > ungebetene Gäste, zum Beispiel der Inlandsgeheimdienst FSB.
       
 (IMG) Bild: Die frühere kanadische Fußballspielerin Karina LeBlanc bei der Eröffnung des Diversity House
       
       Natürlich wirbt das Diversity House von Moskau mit seiner Offenheit. Wenn
       aber regelmäßig Besuch kommt, der von Offenheit grundsätzlich wenig hält,
       bleibt ein unbehagliches Gefühl. Dreimal, erzählt Pavel Klymenko, seien
       bereits ein paar Männer vom russischen Geheimdienst FSB da gewesen. Sie
       hätten ihre Hilfe angeboten. Bislang ist der FSB in Russland nicht gerade
       durch sein Interesse am Schutz von Diskriminierten bekannt geworden.
       
       Im Diversity House soll während der Weltmeisterschaft eine Begegnungsstätte
       geschaffen werden. Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, Migranten und
       alle schutzbedürftigen Minderheiten sollen sich hier angstfrei bewegen
       können. Moskauer LGBT-Aktivisten haben mit anderen Gruppen und der Hilfe
       von Fare, dem europäischen Netzwerk „Football Against Racism in Europe“,
       das mit dem Weltfußballverband Fifa zusammenarbeitet, die beiden
       Diversity-Häuser in Moskau und St. Petersburg ermöglicht.
       
       Die Sicherheitsfrage, sagt Klymenko, der Osteuropabeauftragte von Fare, sei
       keine einfache Angelegenheit. Mit möglichen Angriffen von homophoben
       Rechtsextremen müsse man schon rechnen. „Wir haben uns viele Gedanken
       darüber gemacht.“ Für den alternativen Veranstaltungsort, einem gelben
       Flachbau in einer kleinen Seitenstraße etwa eine halbe Stunde Fußweg vom
       Roten Platz entfernt gelegen, hat man sich entschieden, weil die
       Bedingungen stimmen. Es gibt zum einen mehrere Fluchtwege.
       
       Zudem hat man selbst Sicherheitspersonal engagiert. Und einen Knopf, den
       man drücken kann, um in kürzester Zeit Verstärkung anzufordern, gibt es
       auch. Willkommen in Russland.
       
       „Das Hilfsangebot des FSB fühlt sich mehr nach Überwachung an“, sagt
       Klymenko. In einem Land, wo „Propaganda für Homosexualität“ zu einem
       Straftatbestand erhoben wurde, muss man einiges fürchten. Die Männer,
       erzählt Klymenko, hätten bei ihren Besuchen einige Fotos gemacht. „Ich weiß
       nicht, was sie mit dem Material nach der WM machen.“ Es ist also selbst
       während der WM nicht einfach, Schutzräume zu schaffen.
       
       Dennoch ist man im Diversity House von Moskau mit der bisherigen Resonanz
       zufrieden. Beim Achtelfinale zwischen Russland und Spanien war der mit
       Rasenteppich ausgelegte Raum proppenvoll und die Begeisterung groß. Und
       viele, berichtet Klymenko, hätten ihm gesagt, das Diversity House sei einer
       der wenigen Orte in Moskau, wo man so sein könne, wie man ist und trotzdem
       Fußball schauen könne.
       
       Die große Fete hat ihre Spuren hinterlassen. Am Folgetag herrscht bei der
       Übertragung des Spiels Brasilien gegen Mexiko gähnende Leere. „Es wurde zu
       viel getrunken und gefeiert“, erklärt Klymenko. Die beiden
       Sicherheitskräfte haben freie Wahl und können es sich in einem der bunten
       Sitzsessel bequem machen.
       
       ## Homophobe Ausfälle weitgehend ausgeblieben
       
       Unmittelbar nach der Partie finden sich dann doch ein paar Besucher ein.
       Eine von vielen Veranstaltungen, die während dieser WM hier angeboten
       werden, beginnt. Thema heute sind prominente Migranten und ihre Probleme.
       Der Vortrag wird sogleich immer ins Englische übersetzt.
       
       Es geht um die Biografien der Schauspielerin Marlene Dietrich, des
       Anarchisten Peter Kropotkin und Vladimir Nabokov. Das Diversity House wird
       nicht nur als Ort der Begegnung und des Austauschs verstanden, sondern auch
       als ein Ort der Bildung, der Sensibilisierung für Gemeinsames und
       Besonderes.
       
       Wäre es möglich, eine solche Begegnungsstätte auch über die Zeit dieser WM
       zu erhalten? Pavel Klymenko ist skeptisch. Das Turnier habe Türen geöffnet,
       die sich nach dem Finale vermutlich wieder schließen werden. Bislang sind
       die befürchteten homophoben Ausfälle auf den Rängen während dieser
       Weltmeisterschaft weitgehend ausgeblieben. Das russische Heimpublikum blieb
       bislang unauffällig.
       
       Im Unterschied zu den [1][mexikanischen Anhängern, die wieder einmal
       altbekannte homophobe Beschimpfungen skandierten]. Aber die russischen
       Fans, die während der WM die Stadien besuchen würden, seien nicht
       dieselben, die in der russischen Liga so regelmäßig wie unangenehm
       auffallen würden, gibt Klymenko zu bedenken.
       
       Er hat sein Büro zwar in London, ist jedoch einmal im Monat mindestens in
       Russland, um Spiele zu beobachten. Und er hat auch andere Ebenen im Blick.
       Auf den Social-Media-Kanälen, sagt er, würden LGTB-Angehörige von Kosaken
       und Hooligans immer wieder bedroht.
       
       Das gesellschaftliche Klima werde sich nicht durch fünf Wochen
       Weltmeisterschaft so schnell verändern. Und vermutlich werden auch die so
       besorgten Herren vom Inlandsgeheimdienst FSB in den verbleibenden Tagen
       noch einmal im Diversity House vorbeischauen.
       
       4 Jul 2018
       
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