# taz.de -- Public Art Munich: Schwarzer Schwan im Bayerischen Hof
       
       > Die zweite Ausgabe der Münchner Projektreihe für den Stadtraum bleibt
       > marginal. Und das trotz tierischen Besuchs im Edelhotel.
       
 (IMG) Bild: Der Schwan im Hotel
       
       Public Art Munich (PAM) will München auf den Zahn fühlen,
       stadtgeschichtlich, soziopolitisch und überhaupt. Will zeigen, was es mit
       vergessenen, verdrängten, bis heute nachwirkenden Game Changers – so der
       Titel der noch bis 27. Juli währenden Kette von performativen Eingriffen in
       das Stadtgefüge – auf sich hat. Die Künstler, die die Kuratorin Joanna
       Warsza eingeladen hat, haben sich den teils verborgenen Orten, teils
       unrettbar fixen Topoi der Stadt mit Verve gewidmet.
       
       Zu Letzterem gehört die vielgepriesene Liberalität ebenso wie die
       Saturiertheit. Und eine gewisse Phantasielosigkeit. Tatsächlich konnte sich
       auch keiner der etwa dreihundert Besucher der Eröffnungsperformance im
       zeitlos eleganten Olympiastadion vorstellen, dass das Reenactment des
       legendären Fußballspiels DDR-BRD von 1974 zum regelrechten Happening alter
       Schule werden könnte.
       
       Choreographiert von Massimo Furlan als Zwei-Personenstück mit Torschütze
       und Torwart. Ohne Ball. Aber mit Flutlicht und ostdeutschem Sportreporter
       aus der Konserve. Nach nicht einmal 15 Minuten wurde der Spieler mit
       gebrochenem Knöchel vom Platz getragen, während ein nicht bestellter
       Flitzer durchs menschenleere Stadion schoss. Das Publikum harrte mit dem
       alleingelassenen Torwart aus, bejubelte beziehungsweise betrauerte in der
       72. Minute das unhaltbare Zaubertor und ging zum Feiern in die Kneipe. Ein
       Auftakt nach Maß.
       
       Auch wenn dieses Spiel damals in Hamburg stattgefunden hat – Fußball ist
       Kult, dessen Ausübung und rituelle Handlungen die Münchner aus dem Effeff
       beherrschen. Holzhammerhaft vorgetragene Kritik an den in diesem Kult
       üblichen Machenschaften wird registriert. Irritiert ist niemand.
       
       ## Gemischtgeschlechtliche Nachwuchsmannschaft
       
       Ein Häufchen Zuschauer versammelte sich drei Wochen später zu dem nunmehr
       im riesigen Allianz-Stadion mit zwei gemischtgeschlechtlich
       zusammengesetzten Nachwuchsmannschaften des FC Bayern inszenierten Spiel,
       das durch eine Reihe von Manipulationen und willkürliche Regelvariationen
       bestach. Nichts Neues in der Arena, der Schuss ging übers Tor. Den Kids hat
       es gefallen.
       
       Über die Wochen bedeckte derweil der Journalist und Cartoonist Dan
       Perjovschi die riesigen Glasscheiben der Kunsträume im Maximiliansforum –
       eine gespenstische Passage unter der gesellschaftlich korrekt
       anzufeindenden, superteuren Maximilianstraße, die zuversichtlich wieder und
       wieder bespielt, aber von Anfang an und wohl bis in alle Ewigkeit so gut
       wie nicht beachtet wird – mit virtuosen Zeichnung und sarkastischen
       Wortspielen, deren Entstehung man beiwohnen konnte.
       
       Mit einer ausgetüftelten Inszenierung im Luxushotel Bayerischer Hof gab
       dann Olaf Nicolai der „Black Swan“-Theorie des Finanzmathematikers Nassim
       Taleb ein Bild: Er hat den – unvorstellbaren – Besuch zweier schwarzer
       Schwäne zum Zwecke einer geheimen Liebesnacht von dem People-Magazin Bunte
       fotografieren und publizieren lassen. Der Schwan als Hotelgast ist somit
       dokumentiert und wahrhaftiger Gegenstand von Vermutungen, Vorhersagen und
       Diskursen.
       
       Zur Vorstellung dieses Projekts (Rara Avis in Terris – seltener Vogel…) hat
       Nicolai Wissenschaftler eingeladen, die launige Vorträge zum Thema
       Katastrophe und Krise hielten, wobei sie Gescheites zu Fakten und Gerüchten
       über Klima- und Umweltschutz beitrugen. In der Bar des Grandhotels ging das
       freilich im nicht zu übertönenden Geschnatter der Hotel-VIPs und in
       aquamarinblauen Cocktails unter.
       
       ## Bunte-Chef stimmt Schwanengesang an
       
       Auch der grandiose Akkordeonspieler hätte weit mehr Beachtung verdient.
       Mehr jedenfalls, als der Bunte-Chefredakteur, der die gesellschaftliche und
       überhaupt Aufgabe seines Magazins ganz besonders ausführlich erläutern
       durfte. Und damit gleich zu Beginn den Schwanengesang der Veranstaltung
       anstimmte.
       
       Es ist nicht leicht mit den Münchnern. Gut besucht von Nostalgikern und
       neugierigen Jungen war Michaela Mélians 24-stündige Musikinstallation
       „Music from a Frontier Town“ in einem Nebengebäude des legendären
       Amerikahauses, einer Institution der US-Forces, die unnachahmlich lässig
       ihre Alliierten-Funktion der Demokratisierung und Entnazifizierung der
       Bevölkerung mit anti-russischer Propaganda verquickte.
       
       In den ersten Jahrzehnten nach dem Krieg war das Amerikahaus mit
       Bibliothek, Ausstellungen und Konzertsaal einer der populärsten kulturellen
       Treffpunkte. Mélian hat aus dem 1997 beim Auszug vergessenen und nun
       zufällig entdeckten Schallplattenarchiv eine Klangcollage zusammengestellt.
       Zur PAM gab sie Besuchern die Möglichkeit Teile des Archivs zu nutzen und
       Platten ihrer Wahl aufzulegen. Viele kamen und blieben. Tag und Nacht.
       
       Die weiteren Ereignisse werden sich auch der romantisch-kurzen
       Räte-Republik widmen: Anders Eiebakke wird eine „Münchner Taube“, eine
       Drohne, über der Theresienwiese aufsteigen lassen und an die Münchner
       Revolution von 1918 erinnern. Man wird sich in der Bayerischen
       Volkssternwarte, inspiriert von Stanislav Lem und begleitet von Musik, die
       Thomas Meinecke kompiliert, zum 9. Futurologischen Kongress versammeln.
       
       ## Man liebt die Musik in dieser Stadt
       
       In den Räumen des ehemaligen antikommunistischen, nur ein bisschen geheimen
       CIA-Senders Radio Free Europe wird man über forensisches Hören aufgeklärt
       (Lawrence Abu Hamedan), man wir auf einer festgelegten Route (X-shared
       Spaces) in 24 Wohnungen Performances verfolgen und so zum Touristen in der
       eigenen Stadt werden, oder zum temporären Mietnomaden, vielleicht auch zum
       kundigen Flaneur.
       
       Im ansonsten viel zu wenig genutzten von Flaka Haliti entworfenen Pavillon
       auf dem Viktualienmarkt werden hin und wieder von den Künstlern gestaltete
       Gläser (und Cocktails) gereicht und der Diskurs gepflegt. Zu guter Letzt
       wird im Maximiliansforum vier Tage lang ein aus Münchner Straßenmusikern
       zusammengestelltes Orchester eine eigens für PAM geschaffene Komposition
       von Ari Benjamin Meyers proben. Sie wird am 27. Juli im Münchner Rathauses
       uraufgeführt wird, wo die Straßenmusiker tagtäglich antichambrieren müssen,
       um eine Spielgenehmigung zu bekommen. Das könnte auch was werden. Man liebt
       die Musik in dieser Stadt.
       
       1 Jul 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Annegret Erhard
       
       ## TAGS
       
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