# taz.de -- Rechtspopulisten vor Gericht: AfD in schlechter Verfassung
       
       > Ein Tag, zwei Verhandlungen mit der AfD vor dem Berliner
       > Verfassungsgerichtshof. Einmal gegen ein Mitglied, einmal gegen den
       > Justizsenator.
       
 (IMG) Bild: Justizsenator Behrendt, dem die AfD vorwirft, seine Neutralität verletzt zu haben
       
       Berlin taz | Am Ende muss die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofes,
       Sabine Schudoma, Rechtsanwalt Roland Ulbrich bei seinem Antrag behilflich
       sein, ihn „geschmeidig machen“, wie sie es höflich nennt. In der
       vorliegenden Formulierung fordert er das Gegenteil dessen, was der Kläger
       eigentlich erreichen will. Ulbrich, Hausanwalt des völkischen AfD-Flügels,
       vertritt Andreas Wild, der 2017 aus der AfD-Fraktion im Abgeordnetenhaus
       flog.
       
       Am Mittwoch wurde verhandelt, ob der Ausschluss der Berliner
       Landesverfassung widersprach. Grund der Trennung dürfte Wilds gar zu offen
       gezeigte Radikalität gewesen sein. Die hatte die AfD in Neukölln einen
       Stadtrat gekostet, der die Partei verließ, nachdem Wild beinahe
       Bundestagsdirektkandidat in dem Bezirk geworden war.
       
       Der AfD-Abgeordnete Marc Vallendar vertritt die Fraktion vor Gericht. Im
       Abtausch mit Ulbrich verweist er auf Fehlzeiten bei Fraktionssitzungen,
       einen unabgesprochenen Türkeibesuch Wilds und eine mögliche Nähe zu den
       türkischen Faschisten der „Grauen Wölfe“. Ulbrich stellt die Existenz einer
       solchen Organisation ganz infrage. Sein Mandant räumt dennoch beiläufig
       ein, deren Erkennungszeichen, den „Wolfsgruß“, zu kennen.
       
       Das Bekenntnis Andreas Wilds zum Parteiprogramm sei ungebrochen, sein
       Ausschluss ungerechtfertigt und zurückzunehmen. Vallendar hält dagegen,
       dass es einer Fraktion freistehe, für Aufnahme und Ausschluss von
       Mitgliedern auch politische Differenzen geltend zu machen.
       
       ## Justizsenator und Neutralität
       
       Zwei Stunden zuvor hatte Vallendar den ersten Auftritt des Tages im selben
       Saal. Da vertrat er den Landesverband der AfD gegen Justizsenator Dirk
       Behrendt. Der soll im Wahlkampf 2017 seine Neutralitätspflicht verletzt
       haben. Behrendt war während eines RBB-Interviews mit der Rede eines
       AfD-Kandidaten in Brandenburg konfrontiert worden. Dieser Kandidat, Roman
       Reusch, war Oberstaatsanwalt in Berlin und bekannt für verbale
       Provokationen, deren Inhalt er selber einmal in einem Vortrag in die Nähe
       der Verfassungswidrigkeit rückte. In der Rede spricht Reusch von
       „Blockparteien“ und dem Weg in die „islamische Republik“.
       
       Der Justizsenator erklärte, dass da die Medien wohl „zu tun bekommen, ihn
       im Blick zu behalten“, und die Dienstbehörden das auszuwerten hätten. Im
       Abgeordnetenhaus bestätigte er später, von der AfD auf das Interview
       angesprochen, diese Position und ergänzte: „Wir überwachen keine
       AfD-Kandidaten, wir überwachen auch keine anderen Kandidaten. Wenn
       allerdings Kolleginnen und Kollegen, die im Land Berlin Beamte, Richter
       oder Richterinnen sind, für gesetzgebende Körperschaften kandidieren, dann
       haben sie sich an Recht und Gesetz zu halten.“
       
       ## Nachfragen überflüssig
       
       Behrendts Vertretung vor dem Verfassungsgerichtshof, der Staatsrechtler
       Christoph Möllers, hält das für eine mehr als zulässige Äußerung: Wie
       anders, als die freiheitliche demokratische Grundordnung schützend, solle
       ein Justizsenator seine Arbeit denn verstehen? Möllers hält den Klägern
       vor, auf eine „entfesselte Opposition“, hinzuarbeiten, die Regierungsseite
       aber auf eine Art „unpolitische Beamtenschaft“ reduzieren zu wollen, die
       nicht mehr in die politische Auseinandersetzung eingreifen dürfe. Dazu
       argumentiert Möllers, die AfD habe mit ihrer Frage an den Senator ja selber
       „den Anlass für die Vorgänge gesetzt, gegen die sie nun gerichtlich
       vorzugehen versucht“.
       
       Nachfragen haben die RichterInnen sowohl in der Verhandlung um Andreas
       Wilds Fraktionsausschluss wie in der um Dirk Behrendts Haltung zur
       Gesetzestreue seiner Untergebenen kaum. Gelassen und routiniert führt
       Präsidentin Schudoma durch die mündlichen Verhandlungen. Sie schließt beide
       Sitzungen mit Verweis auf die Urteilsverkündung, jeweils am 4. Juli.
       
       20 Jun 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniél Kretschmar
       
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