# taz.de -- US-Schriftsteller Tom Wolfe gestorben: Streitlustig bis zuletzt
       
       > Spätestens seit dem Welterfolg „Fegefeuer der Eitelkeiten“ scheiden sich
       > an Tom Wolfe die Geister. Jetzt ist der Autor mit 87 Jahren gestorben.
       
 (IMG) Bild: Tom Wolfe in seinem Wohnzimmer, 2016
       
       New York dpa | Ganz in Weiß, mit Maßanzug und Hut, so spazierte Tom Wolfe
       bis zuletzt noch hin und wieder durch sein New York, durch seine Upper East
       Side. Langsam, aber stolz und aufrecht. Spätestens seit seinem
       Weltbestseller „Fegefeuer der Eitelkeiten“ galt Wolfe als fester Teil des
       Literatur-Olymp. Am Montag starb der US-Schriftsteller in einem Krankenhaus
       in Manhattan, wie seine Agentin der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag
       bestätigte.
       
       Wolfe umgab immer etwas Mystisches, auch aus seinem Alter hatte er immer
       gerne ein Geheimnis gemacht. Während sein deutscher Verlag 1931 als
       Geburtsjahr angab, sprachen andere Quellen von 1930, wie beispielsweise die
       New Yorker Stadtbibliothek, die 2015 für mehr als zwei Millionen Dollar das
       aus 190 Kisten bestehende Archiv des Schriftstellers kaufte.
       
       Wolfe hatte sich in den vergangenen Jahren zunehmend aus der Öffentlichkeit
       zurückgezogen. Zwischendurch hatte er sich immer mal wieder zurückgemeldet,
       streitlustig wie eh und je. 2016 griff er in „Das Königreich der Sprache“
       beispielsweise Charles Darwins Evolutionstheorie und den
       Literaturwissenschaftler Noam Chomsky an. 2012 legte er sich in „Back to
       Blood“ mit den Eliten der Sonnen-Metropole Miami an.
       
       Wolfe hat schon immer polarisiert. Millionenfach verkaufte und erfolgreich
       verfilmte Bücher sowie treue Fans auf der einen Seite, scharfe Kritik des
       literarischen Establishments auf der anderen. „Massenunterhaltung“ sahen
       Größen der amerikanischen Literatur wie Norman Mailer und John Updike in
       seinen Werken, John Irving lästerte über die „Geschwätzigkeit“ seines
       Kollegen und erklärte sich unfähig, Wolfes ersten Roman zu Ende zu lesen.
       
       Auch Literaturkritiker zeigten sich gespalten. An seinem Status als „erster
       Pop-Journalist“ („Guardian“) und zumindest Miterfinder des New Journalism,
       der literarisches und nichtfiktionales mischt, wurde nicht gerüttelt. Wolfe
       galt als Gesellschafts- und Zeitdiagnostiker, der für jedes Jahrzehnt das
       passende literarische Sittengemälde lieferte. Aber der Autor galt auch als
       eitler Selbstdarsteller, als „Amerikas größter Satz-für-Satz-Angeber“
       („Guardian“), der genüsslich die Schwächen anderer Menschen beschrieb.
       Wolfe leugnete das nie. „Wenn die meisten Schriftsteller ehrlich mit sich
       selbst wären, würden sie zugeben, dass sie nur das erreichen wollen: Vorher
       nahm sie niemand wahr, jetzt schon.“
       
       ## Die Künstervita
       
       Geboren wurde Wolfe in Richmond im US-Virginia in eine reiche Professoren-
       und Plantagenbesitzer-Familie. Seine Mutter führte ihn in die Künste ein,
       ließ den kleinen Tom in Ballett- und Stepptanz ausbilden, zeichnete und las
       viel mit ihm. Kaum neun, soll der Junge versucht haben, eine Biografie über
       Napoleon sowie einen illustrierten Band über Mozarts Leben zu schreiben. Er
       studierte an der Elite-Universität Yale und bewarb sich dann als
       Journalist. „Ich habe mehr als hundert Bewerbungen an Zeitungen
       geschrieben“, erzählte er einst der „Paris Review“. „Drei Antworten habe
       ich bekommen. Zwei Absagen.“ Die „Springfield Union“ in Massachusetts
       stellte ihn an.
       
       Über einige andere Zeitungsjobs landete Wolfe schließlich in New York und
       bei der Belletristik. „Acht Monate lang saß ich jeden Tag an meiner
       Schreibmaschine und wollte das „Fegefeuer der Eitelkeiten“ anfangen und
       nichts passierte. Mir wurde klar, dass ich es nur schaffen kann, wenn ich
       mir eine Abgabefrist setze.“ Das Werk über die Geldgier von
       Wall-Street-Bankern und Kredithaien erschien Mitte der 80er Jahre zunächst
       als Fortsetzungsroman in der Zeitschrift „Rolling Stone“ und wurde dann als
       Roman ein Welterfolg und mit Tom Hanks, Melanie Griffith und Bruce Willis
       verfilmt. Später folgten Erfolge wie „Ein ganzer Kerl“ und „Ich bin
       Charlotte Simmons“ sowie zahlreiche Reportagen und Essays.
       
       Die Selbstzweifel seien geblieben, sagte der zweifache Vater Wolfe, der mit
       seiner Frau im 14. Stock eines eleganten Appartementhauses direkt am
       Central Park wohnte. „Man geht jeden Abend ins Bett und denkt, dass man die
       brillantesten Seiten aller Zeiten geschrieben hat, und am nächsten Tag
       merkst du, dass es nur Gefasel ist. Manchmal auch erst sechs Monate später.
       Das ist eine konstante Gefahr.“ Trotzdem sei ihm die Lust an seinem Job nie
       vergangen, sagte er einmal in einem Interview. „Der größte Spaß am
       Schreiben ist das Entdecken.“
       
       15 May 2018
       
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