# taz.de -- Politologe über Italiens neue Regierung: „Etwas infantile Züge“
       
       > Die neue Regierung ist naiv, wenn sie glaubt, Europa ändern zu können,
       > sagt Piero Ignazi. Doch das werde sie binnen weniger Wochen merken.
       
 (IMG) Bild: Matteo Salvini lässig wie auf dem Weg in einen Club. So einfach ist Regieren aber nicht
       
       taz: In Europa gibt es die Sorge, in Italien könnte nun bald [1][eine
       antieuropäische Koalition regieren]. Ist die Sorge berechtigt? 
       
       Piero Ignazi: Das kommt ganz darauf an, wer in der Regierung die Oberhand
       hat, die Lega oder das Movimento 5 Stelle (M5S – 5-Sterne-Bewegung). Die
       Lega ist klar antieuropäisch, die Fünf Sterne dagegen nicht.
       
       Auch aus den Reihen des M5S hört man doch aber immer mal wieder
       souveränistische Töne. 
       
       In Wirklichkeit sind ihre Positionen dagegen deutlich
       verantwortungsbewusster. Das M5S hat da einen echten Mutationsprozess
       vollzogen, und dafür steht deren Chef, Luigi Di Maio.
       
       Aber wenn wir den Koalitionsvertrag anschauen – da ist von Neuverhandlung
       des Stabilitätspakts die Rede, von der Revision des Dublin-Abkommens. Und
       von milliardenschweren Ausgaben. Ist mit einer echten Wende zu rechnen? 
       
       Gewiss wird es den Versuch geben, Dinge in Europa zu ändern. Das hat aber
       auch etwas infantile Züge. Die Neuankömmlinge denken, bloß weil sie jetzt
       da sind, würde sich in Europa alles ändern. Das ist einigermaßen naiv, das
       ist die Naivität derer, die bisher nie an den europäischen
       Verhandlungstischen gesessen haben. Doch binnen weniger Wochen werden sie
       die Realität zur Kenntnis nehmen.
       
       Sie rechnen also nicht mit heftigen Zusammenstößen zwischen Italien und den
       anderen in Brüssel? 
       
       Nein. Die Vertreter unserer Regierung werden sich ein bisschen gebärden wie
       Jugendliche, die zum ersten Mal einen Club betreten – und die natürlich
       zunächst auf sich aufmerksam machen wollen. Wir alle wissen, dass sie nicht
       allzu viel verändern können. Zugleich gibt es eine stabilisierende
       Technostruktur unseres Landes. Dazu gehört die Banca d’Italia, dazu gehören
       der Unternehmerverband Confindustria und andere Interessenverbände, dazu
       gehört auch der Staatspräsident. Sie alle werden als Sicherheitsnetz
       wirken.
       
       Die Lega und die Fünf Sterne werden gerade im Ausland oft unter der
       gleichen Kategorie „Populismus“ eingeordnet. Zu Recht? 
       
       Nein. Das sind völlig verschiedene Bewegungen, und meiner Meinung nach
       begeht das M5S mit dieser Koalition einen gravierenden Fehler, denn es wird
       gute Teile seiner von der Linken kommenden Wählerschaft verlieren. Die Fünf
       Sterne wenden sich traditionell nicht populistisch und unterschiedslos an
       „das Volk“, an „die Italiener“. Ihre Bezugsgröße sind „die Bürger“. Für
       mich sind sie zwar eine Anti-Establishment-Partei, aber keine
       populistische.
       
       18 May 2018
       
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