# taz.de -- Provokative Kunstaktion in Gera: Auswanderung für AfDler
       
       > Innerdeutsche Abschiebung, Neuanfang in der Eigenheimsiedlung „Syrisch
       > Berlin“: Kunststudenten legen sich in Gera mit der AfD an.
       
 (IMG) Bild: Es könnte so schön sein: Eine Bratwurst unter Palmen, so ganz ohne Schnee
       
       Gera taz | Das Vaterland steht am Abgrund, die „Umvolkung“ droht, und in
       bayerischen Amtsstuben hängt demnächst der Halbmond – davor mahnen Pegida,
       AfD und die neuen Angstpropheten. Bleibt eigentlich nur die Auswanderung.
       Die besten Tipps dafür bietet seit Mittwoch im thüringischen Gera das „Büro
       für Aussiedlungsberatung“. Es wirbt mit einer neuen „Heimat unter Palmen“,
       zum Beispiel einer schmucken Eigenheimsiedlung „Syrisch Berlin“ auf
       geglätteten Trümmern. Praktisch: das Büro befindet sich gleich neben dem
       des Wahlkreisbüro AfD-Bundestagsabgeordneten Stephan Brandner.
       
       Felix Almes, Student der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst,
       hatte die Idee zu dieser provokanten Kunstaktion, die einen „freieren
       Umgang mit Zu- und Abwanderung“ in den Köpfen bewirken soll. Einen Diskurs
       über Sinn und Unsinn von Grenzen wolle er befördern, das Nachdenken über
       das Glück der Geburt innerhalb von Wohlstandsgrenzen und über Enge und
       Weite der Grenzziehungen des Heimatbegriffs.
       
       Auf der Rudolf-Diener-Straße in Gera bot sich eine passende Chance. Wie so
       viele Läden der Stadt stand auch dieser leer. Vorerst bis Ende Mai mietete
       Almes auf eigenen Kosten das Büro, um angeblich Holzskulpturen zu
       präsentieren. Was er zunächst auch brav tat.
       
       Heimlich aber bereitete er seinen ersten Coup vor. Zielscheibe war
       ausgerechnet der 60-jährige Dieter Laudenbach, der beinahe [1][der erste
       AfD-Oberbürgermeister einer deutschen Großstadt] geworden wäre. In der
       Stichwahl [2][unterlag er aber am Sonntag deutlich]. Das von ihm betriebene
       Café befindet sich nur zwei Häuser weiter.
       
       In einer Flugblattaktion fordert Felix Almes die innerdeutsche Abschiebung
       Laudenbachs in ein Leipziger Auffanglager, um seine Herkunft und Identität
       zu klären. Ist er nun ein Geraer Original oder in der feindlichen Rhön
       geboren? Und waren seine Eltern Wirtschaftsflüchtlinge? Sicherheitshalber
       solle ein Grenzzaun gegen solche Wirtschaftsflüchtlinge um die Stadt gebaut
       werden.
       
       ## Werbung für eine Aussiedlung scheint verlockend
       
       Almes suchte in diesem Sinn noch weitere Mitstreiter, aber es fand sich für
       das Anschlussprojekt nur Fabian Lehmann mit der Idee der Ausreiseberatung.
       Anderen Kommilitonen war die Sache zu heiß. Nicht ohne Grund, denn die
       erste freche Aktion auch mit Grenzzaun-Transparenten im Öffentlichen
       Stadtraum sprach sich in der gut vernetzten rechten Szene schnell herum.
       
       Eine braune Truppe skandierte Mitte April per Megafon „Hier regiert der
       nationale Widerstand“, vor laufender Kamera wurden die Absperrbänder vor
       der falschen Baustelle zerschnitten. Laudenbach habe mit einer
       Verleumdungsanzeige gedroht, sagt Almes.
       
       Indessen ist das Büro halbwegs wie ein Reisebüro eingerichtet worden,
       Fabian Lehmann trägt seriöse Konfektion. Auf den ersten Blick erscheint die
       Werbung für eine Aussiedlung nach Syrien, Namibia oder Eritrea echt und
       verlockend. „Bratwurst unter Palmen“, nie wieder kalte Füße, lukrative Jobs
       im Wiederaufbaugewerbe.
       
       „Die Begegnungen mit Interessenten sind eine schauspielerische
       Herausforderung“, sagt Lehmann. Die beiden Aktionskünstler nennen es
       „Realtheater“ und sprechen davon, dass alle Passanten zu Akteuren der
       Aktion werden. Deren Neugier ist ob der Schaufensterwerbung schon vorab
       spürbar. Und wenn die Passanten merken, dass sie Teil eines Spiels sind?
       „Wir rechnen mit allen Reaktionen“, sagt Lehmann.
       
       Die Ausreiseberatung läuft zunächst eine Woche. Von Kunst wollen beide erst
       dann sprechen, wenn es gelingt, die Ergebnisse der Aktionen auch
       künstlerisch zu dokumentieren. Am wichtigsten ist beiden die zweite Phase
       ab der übernächsten Maiwoche, wo die geweckte Aufmerksamkeit in der
       krisengeschüttelten Stadt Gera in öffentliche Diskurse und „ernste
       Gedanken“ münden soll.
       
       2 May 2018
       
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