# taz.de -- Nach Rechtsabbieger-Unfall in Hamburg: Lebensretter in der Warteschlange
       
       > Computer-Assistenzsysteme könnten Abbiegeunfälle von Lkw verhindern.
       > Niemand ist gegen ihre Einführung, doch die Hersteller zögern noch.
       
 (IMG) Bild: Vergangenes Jahr starben bundesweit 38 Radfahrer*innen bei Rechtsabbiege-Unfällen
       
       HAMBURG taz | Es passiert immer wieder. Ein Lkw biegt rechts ab, nimmt
       eineN RadfahrerIn oder FußgängerIn nicht wahr, und überrollt sein Opfer.
       Fast immer enden solche Unfälle tödlich, so wie am Montagmorgen, als ein
       Lkw an der Kreuzung Osterstraße, Ecke Eppendorfer Weg in Hamburg
       Eimsbüttel, eine 33-jährige Radfahrerin übersah. Die Mutter zweier kleiner
       Kinder verstarb noch am Unfallort.
       
       „2017 kamen nach unseren Recherchen 38 Radfahrende bundesweit so ums
       Leben“, weiß der Hamburger Sprecher des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs,
       Dirk Lau. Die Bundesanstalt für Straßenwesen registriert Jahr für Jahr rund
       600 Unfälle, bei denen RadfahrerInnen von einem abbiegenden Laster verletzt
       oder getötet werden.
       
       Viele dieser Unfälle hätte verhindert werden können – mit der
       entsprechenden technischen Ausrüstung. Längst gibt es elektronische
       Abbiege-Assistenz-Systeme, die andere Verkehrsteilnehmer im Umfeld des Lkw
       registrieren, den Fahrer warnen und das Fahrzeug selbstständig zum Stehen
       bringen können. 40 bis 60 Prozent aller Abbiege-Unfälle, so glauben
       Experten, ließen sich durch diesen Frühwarn-Radar verhindern.
       
       Das Problem aber ist: Fast niemand stellt diese lebensrettenden Systeme her
       und fast niemand baut sie ein. Bislang hat nur Mercedes diese Technik zur
       Serienreife entwickelt – allerdings ohne automatische Abbremsung und nicht
       für seine gesamte Lkw-Flotte. Nachrüstsysteme für Altfahrzeuge sind noch
       gar nicht auf dem Markt. „Wir wollen diese sinnvolle Technologie, aber die
       meisten Hersteller bieten sie einfach noch nicht an“, klagt der
       Geschäftsführer des Verbands Straßenverkehr und Logistik Hamburg, Frank
       Wylezol.
       
       Gäbe es diese Systeme würden fast alle Spediteure in ihre Anschaffung
       investieren wollen, ist Wylezol sicher. Die Branche rechnet damit, dass
       viele Hersteller auf der Internationalen Automobil-Ausstellung, die im
       September in Hannover stattfindet, nun neue Assistenzsysteme anbieten – die
       Zeit dafür sei reif.
       
       Bis dahin aber behelfen sich fast alle Speditionssysteme mit einem
       komplizierten System von sechs Außenspiegeln. Doch diese sind oft falsch
       eingestellt, so dass es immer noch einen toten und damit oft tödlichen
       Winkel gibt. Zudem erfordert die Spiegelvielfalt einen durchgehend hoch
       konzentrierten, aufmerksamen Fahrer, der niemals einen Fehler macht.
       
       Die politischen Initiativen, die elektronischen Abbiegehilfen an den Start
       zu bringen, füllen inzwischen viele Seiten bedrucktes Papier. Im
       Koalitionsvertrag kündigte die Berliner Große Koalition an, sie werde
       „nicht abschaltbare Notbremssysteme oder Abbiegeassistenten für Lkw und
       Busse verbindlich vorschreiben“.
       
       Im März brachten die Grünen einen Antrag in den Bundestag ein, die
       Bundesregierung möge darauf hinwirken, dass Abbiegeassistenzsysteme EU-weit
       bei Neufahrzeugen verpflichtend vorgeschrieben und bei Bestandfahrzeugen
       ebenso verpflichtend nachgerüstet werden. Der Antrag dreht nun eine
       Warteschleife in den zuständigen Fachausschüssen, in die er überwiesen
       wurde.
       
       Dieses Schicksal teilt auch ein Bundesratsantrag, den fünf Bundesländer,
       darunter Bremen, Ende April in die Länderkammer einbrachten. Er fordert
       ebenfalls die Pflicht von Abbiegeassistenten bei Lastwagen.
       
       Auch Hamburg unterstützt diesen Antrag inhaltlich, auch wenn die Stadt
       nicht zu den Erstunterzeichnern gehört und noch Details am Text gerne
       ändern würde. Schon im März vergangenen Jahres verpflichtete die rot-grüne
       Bürgerschaftsmehrheit den Hamburger Senat darauf, auf Bundesebene aktiv zu
       werden, die Abbiege-Assistenz zumindest bei neu zugelassenen Lkw zur
       Pflicht zu machen. Doch dafür müssen sie erst einmal von der Lkw-Industrie
       angeboten werden.
       
       9 May 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marco Carini
       
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