# taz.de -- Skandalstation in Bremer Klinikum dicht: Psychiatrie geht’s besser
       
       > Die berüchtigte Akutaufnahme-Station im Klinikum Bremen-Ost schließt.
       > Dafür öffnet eine moderne Station, in der künftig sogar Psychotherapie
       > stattfinden soll.
       
 (IMG) Bild: Ermöglicht sogar Spaziergänge: Das „Haus 3“ im Park
       
       Bremen taz | Erfolgsmeldungen aus der Psychiatrie am Klinikum Bremen Ost
       (KBO) haben Seltenheitswert – aber das hier ist gleich eine doppelte: Das
       „Haus 3“ im Park wurde neu eröffnet, dafür schließt die berüchtigte Station
       63 im Turm des Hauptgebäudes. Jens Reimer, Direktor des Zentrums für
       Psychosoziale Medizin, spricht von einem „Tag der Freude“,
       Gesundheitssenatorin Eva Quante-Brandt (SPD) gar vom Anfang einer „neuen
       Kultur des Miteinanders“. Und auch wenn freundliche Worte zur Eröffnung
       neuer Institutionen selbstverständlich sind, dürfte beiden auch tatsächlich
       ein Stein vom Herzen fallen.
       
       Anfang vergangenen Jahres hatte die lange gärende Kritik an den Zuständen
       im KBO die kritische Masse erreicht: taz und Weser Kurier hatten über
       tagelange Fixierungen an den Betten berichtet, ehemalige Patient*innen die
       entwürdigenden Umstände auf der Akutaufnahme-Station 63 kritisiert. Die
       Bürgerschaftsfraktionen von SPD und Grünen hatten daraufhin in einer
       parlamentarischen Anfrage Aufklärung der Missstände verlangt – und nach dem
       Stand der Psychiatriereform gefragt.
       
       Auf diesen Druck reagierten der Senat und die Klinik-Holding Gesundheit
       Nord (Geno) mit tatsächlich beachtlicher Geschwindigkeit. Ein
       selbstkritischer Aktionsplan wurde verfasst, für die Renovierung von Haus 3
       umgehend 1,2 Millionen Euro bereit gestellt. Architekten, Mediziner- und
       Techniker*innen haben das Projekt in einem knappen halben Jahr umgesetzt.
       
       ## Spaziergänge für einen klaren Kopf
       
       In zwei Wochen wird der Altbau bezogen. Darin finden die Patient*innen
       Rückzugs- und Begegnungsräume, hohe Decken, ansprechende Zimmer und ein
       freundliches Lichtkonzept. Bereits die Lage im Park ist ein gewaltiger
       Fortschritt. Auf Station 63 bekamen Patient*innen nur auf den wie
       Hühnerkäfige vergitterten Balkonen des Turms frische Luft. Spazierengehen,
       um im wahrsten Sinne des Wortes einen klaren Kopf zu bekommen, war dort
       nicht möglich. Der Zusammenhang von räumlichen Bedingungen und
       Genesungsaussicht könnte kaum sichtbarer werden als an diesen so
       unterschiedlichen Stationen.
       
       Auch therapeutisch soll alles besser werden, verspricht Direktor Reimer und
       hält dabei ein Fachbuch über die „Psychotherapie in der Psychiatrie“ in die
       Luft. Die Rede ist dabei nicht von bahnbrechenden neuen Konzepten, sondern
       schlicht von Mindeststandards. Das Buch ist eine Einführung – und kostet im
       Internet gerade mal 9,99 Euro. Ob das nun Scherz oder Missgeschick war: Die
       Sache trifft’s in jedem Fall. Psychotherapie fand auf der alten Station
       nämlich so gut wie nicht statt – stattdessen wurden Patient*innen mit
       Medikamenten ruhig gestellt. Problemen begegnete man mit Zwangsmaßnahmen.
       
       Die Pflegekräfte, denen Geschäftsführung und Betriebsrat während der
       Auseinandersetzungen stets attestiert hatten, sie würden unter der
       widrigsten Bedingungen hervorragende Arbeit leisten, mussten inzwischen
       verpflichtende Deeskalationstrainings ableisten. Um künftig, so heißt es im
       Aktionsplan, „deeskalierend und gewaltfrei“ auf Konfliktsituationen zu
       reagieren.
       
       Dass erst die Schlagzeilen des vergangenen Jahres nötig waren, ist
       bemerkenswert. Immerhin befindet sich die Bremer Psychiatrie seit Jahren in
       einem Reformprozess. Fixierungen ohne Nachbesprechung etwa hat die
       Besuchskommission bereits 2011 dokumentiert. Frühere Patient*innen kennen
       das schon erheblich länger.
       
       ## Psychiatrie-Reform ist kein Selbstläufer
       
       Klar ist: Die Reform ist kein Selbstläufer, nicht jede Entwicklung führt
       zwangsläufig in die richtige Richtung. Die nun wiedereröffnete Station war
       ja erst im Namen der Reform geschlossen worden. Anfang 2015 war das,
       praktisch über Nacht, nach einer von Patienten, Angehörigen und
       Fachverbänden scharf kritisierten Entscheidung von oben.
       
       Damals hatte die Geno vom perspektivischen Abbau stationärer Betten
       gesprochen – und jetzt eröffnet Reimer eine neue Station für gut 20
       Patient*innen. Der Ausbau häuslicher Betreuungsangebote soll zugleich
       ausgebaut werden. Reimer versteht die Station als „notwendige Basis“
       lebensumfeldnaher Recovery. Ob und wie dieses paradox anmutende
       Zusammenspiel funktioniert, wird sich zeigen.
       
       Mit der Schließung von Station 63 endet ein finsteres Kapitel der Bremer
       Psychiatriegeschichte. Unter Psychiatrie-Erfahrenen galt sie Angstraum, als
       Knast, als ein Ort, der einen erst richtig verrückt macht. Schlimmer ist in
       Bremen nur die Forensik.
       
       31 Mar 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan-Paul Koopmann
       
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