# taz.de -- Aktivist über Legalisierung von Cannabis: „Spahn entscheidet nicht allein“
       
       > Die Cannabis-Entkriminalisierung wird inzwischen auch von Teilen der SPD
       > gefordert. Nun wird mit Jens Spahn ein CDU-Rechter Gesundheitsminister.
       > Was bedeutet das?
       
 (IMG) Bild: Nicht mit der CDU, nicht mit Jens Spahn, nicht mit Jesus
       
       taz: Herr Wurth, wenn man den [1][Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD]
       durchblättert, stößt man nur ein einziges Mal auf den Begriff Drogen: „Wir
       werden Drogengebrauch weiterhin bekämpfen und dabei unsere Maßnahmen zur
       Tabak- und Alkoholprävention gezielt ergänzen“, heißt es. Wie
       interpretieren Sie das? 
       
       Georg Wurth: Der Passus klingt erst mal wie Kopf in den Sand stecken, oder
       nach „Weiter so wie bisher“. Sicherlich ist es auch weniger, als von einer
       Jamaika-Koalition zu erwarten gewesen wäre.
       
       Was hatten die Jamaika-Sondierer zum Thema Cannabis vereinbart? 
       
       Sie haben intensiv darüber gesprochen. Es war zwar noch ein Thema in
       Klammern – man hatte sich noch nicht geeinigt. Aber ich glaube nicht, dass
       Grüne und FDP da rausgegangen wären, ohne einen Fortschritt bei Cannabis zu
       verhandeln. Vielleicht nicht die vollständige Legalisierung, aber
       Entkriminalisierung und Modellprojekte hätte ich schon für einigermaßen
       wahrscheinlich gehalten.
       
       Und die Große Koalition steckt den Kopf in den Sand? 
       
       Die Große Koalition hat dazu nichts vereinbart. Das Stichwort Cannabis
       taucht überhaupt nicht auf. Sie haben aber andererseits auch nicht
       vereinbart, bei Cannabis nichts zu tun. Das könnte ein kleiner Lichtblick
       sein. Denn der Koalitionsvertrag bindet die SPD bei diesem Thema nicht
       konkret.
       
       Worauf wollen Sie hinaus? 
       
       Modelle mit Gewissensabstimmungen – wie zum Beispiel bei der Homoehe und
       anderen Themen – sind durchaus möglich. Die SPD hat das beim Thema Cannabis
       auch schon selbst ins Spiel gebracht. Die Diskussion über die Groko ging ja
       auch in Richtung weniger Koalitionszwang.
       
       Sind Sie da nicht ein bisschen zu optimistisch? 
       
       [2][Am 22. Februar gab es im Bundestag einen großen Schlagabtausch über
       drei Oppositionsanträge von FDP, Grünen und Linken zu der ganzen
       Bandbreite]: Legalisierung von Cannabis, Entkriminalisierung, kommunale
       Modellprojekte. Die Wortmeldungen der SPD dazu waren sehr fortschrittlich.
       Im Prinzip haben die sozialdemokratischen Abgeordneten im Bundestag
       „Legalize it!“-Reden gehalten. Sie haben sich sehr offen gezeigt für
       Modellprojekte. Die Frage ist: Wie kommen die aus der Nummer wieder raus in
       einer Koalition mit der CDU?
       
       Die SPD könnte das Thema die nächsten Jahre einfach ignorieren. 
       
       Ja, aber dann hätte sie am 22. Februar nicht zwei Redner in die Bütt
       geschickt, die so progressive Töne von sich geben. Das deutet darauf hin,
       dass es in der SPD-Fraktion mittlerweile eine gewisse Mehrheit dafür gibt,
       bei Cannabis etwas zu tun. Das ist genau der Knackpunkt: Mit der SPD
       zusammen hätten Grüne, Linke und FDP für ihre Anträge eine Mehrheit.
       
       Gesundheitsminister wird nun aber ausgerechnet Jens Spahn vom rechten
       CDU-Flügel. Wie steht Spahn zur Entkriminalisierung? 
       
       Jens Spahn ist ein ausgewiesener Legalisierungsgegner und
       Cannabis-Kritiker. Mit ihm Fortschritte zu erzielen wird nicht einfach. Er
       hat sich in der Frage ja schon mehrfach geäußert. [3][In der Huffington
       Post hat er zum Beispiel einen Gastbeitrag konkret gegen die Legalisierung
       von Cannabis geschrieben]. Dabei hat er sich auch auf Jesus bezogen. Dieser
       habe damals schließlich Wasser in Wein verwandelt und nicht trockenes Gras
       in schwarzen Afghanen …
       
       Ist das ein Joke? 
       
       Keineswegs. Da kommt die alte Ideologie wieder hoch. Spahn hat auch
       geschrieben: Zu jedem Volksfest gehört ein Bier und zu Silvester ein Sekt.
       Aber ein Joint in der Pause in der Oper, das könne sich keiner vorstellen.
       Er hat also sehr konservative Gedanken zu dem Thema. Es gibt aber auch ein
       anderes Zitat, wo er sagt, eine bundesweite Vereinheitlichung der geringen
       Menge zur Entkriminalisierung der Konsumenten könne er sich vorstellen.
       Einer konsequenteren Entkriminalisierung der Konsumenten würde Spahn
       vielleicht gar nicht so im Wege stehen.
       
       Es ist kaum denkbar, dass Spahn eine Vereinheitlichung bei 10 bis 15 Gramm
       ansetzt – die in Berlin geltende Menge. 
       
       Das sehe ich auch so. Aber er entscheidet ja nicht allein darüber.
       Zumindest die Diskussion über die Entkriminalisierung der Konsumenten ist
       längst auch in der CDU angekommen. Zehn Gramm wäre vielleicht auch mit
       einigen christdemokratischen Abgeordneten machbar.
       
       Die rot-rot-grüne Berliner Landesregierung hat sich auf die Durchführung
       eines Cannabis-Modellprojekts verständigt. Ein entsprechender Antrag müsste
       vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte genehmigt werden,
       das dem Bundesgesundheitsminister untersteht. Führt an Spahn kein Weg
       vorbei? 
       
       Jens Spahn ist nicht unbedingt ein Faktor, der solche Projekte
       wahrscheinlicher macht. Aber die Diskussion im Bundestag schon. Wenn sich
       die SPD nicht von der CDU knebeln lässt, könnten wir eine Mehrheit für
       Modellprojekte erreichen. Auch Jens Spahn könnte sie dann nicht mehr
       aufhalten.
       
       Wie könnten Modellprojekte vorangetrieben werden? 
       
       Um Spahn den Handlungsspielraum zu nehmen, wäre es günstig, das
       Betäubungsmittelgesetz zu ändern. Das heißt, man müsste die Möglichkeit von
       Modellprojekten klar im Gesetz verankern. Vielleicht auch die Bedingungen,
       unter denen solche Projekte stattfinden dürfen. Spahn könnte dann
       allenfalls auf Details Einfluss nehmen, aber sie nicht grundsätzlich
       verhindern. Bei der jetzigen Rechtslage kann er das.
       
       Die FDP hat im Januar einen Antrag in den Bundestag eingebracht,
       Modellprojekte zu ermöglichen. Wird die SPD mitziehen? 
       
       Bei einer freien Abstimmung könnte der Antrag durchaus eine Mehrheit
       bekommen. Es ist möglich, aber so richtig zuversichtlich bin ich nicht.
       Vielleicht passiert es auch später in der Legislaturperiode. Es kommt
       darauf an, wie viel Standing die SPD noch hat.
       
       Eine Partei, die in Umfragen bei 16 Prozent herumdümpelt, wird ihre Rettung
       vermutlich nicht bei Cannabis suchen. 
       
       Man kann das auch umkehrt sehen. Die SPD hat existenzielle Probleme. Die
       bestehen darin, dass die Sozialdemokraten keine vernünftige Linie haben und
       sich in der Großen Koalition ständig unterordnen mussten. Um sich von der
       CDU abzusetzen und das Profil zu schärfen, eignet sich das Thema Cannabis
       durchaus.
       
       Wie lautet Ihre Prognose? 
       
       Die Frage ist nicht mehr, ob legalisiert wird, sondern wann. Wir sollten
       anfangen, uns über die Details zu unterhalten.
       
       12 Mar 2018
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Der-Koalitionsvertrag-im-Ueberblick/!5480714
 (DIR) [2] /Entkriminalisierung-von-Cannabis/!5483873
 (DIR) [3] http://www.huffingtonpost.de/jens-spahn/sucht-kiffen-alkohol_b_7486156.html
       
       ## AUTOREN
       
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