# taz.de -- Polnischer Vize-EU-Parlamentschef: Posten los nach Nazi-Vergleich
       
       > Ryszard Czarnecki hatte eine proeuropäische polnische Abgeordnete
       > beschimpft. Nun muss er als Vize-Präsident der EU-Volksvertretung gehen.
       
 (IMG) Bild: Bei der Abstimmung in Straßburg: Ryszard Czarnecki
       
       Warschau taz | Das hat es in der Geschichte des Europäischen Parlament noch
       nicht gegeben: Über zwei Drittel der Abgeordneten empörten sich dermaßen
       über einen üblen Nazi-Vergleich ihres Vizeparlamentsvorsitzenden Ryszard
       Czarnecki, dass sie ihn am Mittwoch kurzerhand von seinem Posten
       abberiefen.
       
       Czarnecki, der in Polen der nationalpopulistischen Regierungspartei Recht
       und Gerechtigkeit (PiS) angehört, hatte der Oppositionellen Róża Thun von
       der liberalkonservativen Bürgerplattform (PO) vorgeworfen, sich in einem
       Dokumentarfilm des deutsch-französischen Kulturkanals Arte kritisch über
       Polens Regierung geäußert zu haben. Wörtlich sagte er: „Während des Zweiten
       Weltkriegs hatten wir Schmalzowniks (Judenverräter), und heute haben wir
       Róża von Thun und Hohenstein, und leider fügt sie sich in eine bestimmte
       Tradition ein.“ Die ARD-Filmemacherin Annette Dittert verglich er mit der
       berüchtigten Naziregisseurin Leni Riefenstahl.
       
       Czarneckis Gleichsetzung der bekannten EU-Abgeordneten Róża Thun mit einer
       Nazi-Kollaborateurin hatte auch in Polen für viel Wirbel gesorgt. Denn
       durch Czarnecki erfuhr ganz Europa von den „Schmalzowniks“, von
       christlichen Polen also, die im Zweiten Weltkrieg schutzsuchende Juden
       erpresst und sie am Ende doch häufig den Nazis und damit dem sicheren Tod
       ausgeliefert hatten. Ein „szmalcownik“ war ein Judenverräter und
       Nazi-Kollaborateur.
       
       Warum der Satz Thuns: „Wenn das so weitergeht, werden wir in Polen bald
       eine Diktatur haben, aber dazu werden wir es nicht kommen lassen“,
       Czarnecki an polnische Judenverräter und Nazi-Kollaborateure denken ließ,
       erläuterte er trotz mehrfacher Nachfragen nicht. Mit seiner Behauptung,
       dass es in Polen eine „Tradition“ des Judenverrats gebe, in die sich Thun
       mit ihrem regierungskritischen Satz nun einschreibe, stellte er eine völlig
       neue These auf.
       
       ## Polens Premier fand nichts dabei
       
       Weder Polens Premierminister Mateusz Morawiecki noch der polnische
       Außenminister Jacek Czaputowicz hatten etwas an den Worten ihres
       PiS-Parteikollegen auszusetzen. Beide hofften vielmehr, dass Czarnecki
       seinen Posten als Vizevorsitzender des Europäischen Parlament behalten
       werde.
       
       Dabei peitschte die nationalpopulistische Partei, die seit Ende 2015 mit
       einer absoluten Stimmenmehrheit im Parlament regieren kann, zur gleichen
       Zeit [1][das international hoch umstrittene Holocaust-Zensur-Gesetz durch
       die beiden Kammern Sejm und Senat]. Das Gesetz soll angeblich den „guten
       Ruf Polens schützen“ und verhindern, dass ausländische Journalisten den
       missverständlichen Begriff „polnisches Konzentrationslager“ oder
       „polnisches Todeslager“ verwenden.
       
       Doch im Gesetz steht etwas ganz anderes. Wörtlich heißt es dort: „Wer
       öffentlich und entgegen den Tatsachen dem polnischen Volk oder dem
       polnischen Staat die Verantwortung oder Mitverantwortung für die durch das
       Dritte Reich begangenen Naziverbrechen […] zuschreibt oder in anderer Weise
       die Verantwortung der tatsächlichen Täter dieser Verbrechen in grober Weise
       schmälert, unterliegt einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis
       zu drei Jahren.“
       
       Letztlich geht es darum, jede öffentliche Debatte über die Kollaboration
       christlicher Polen mit Nazi-Deutschen während der Okkupation 1939 bis 1945
       zu verhindern.
       
       Ob sich Czarnecki, der mit 447 gegen 196 Stimmen abberufene Vizevorsitzende
       des Europäischen Parlaments, in seiner Heimat vor Gericht verantworten
       muss, weil er dem „guten Ruf Polen“ geschadet hat, wird sich in den
       nächsten Wochen zeigen. Eigentlich müsste die Staatsanwaltschaft Klage
       gegen ihn erheben.
       
       7 Feb 2018
       
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