# taz.de -- Debatte Merkel und die Groko: Die sich nicht erklärt
       
       > Man kann der Bundeskanzlerin so einiges vorwerfen. Nur Selbstverliebtheit
       > nicht. Selten sah man eine uneitlere, fleißigere Politikerin.
       
 (IMG) Bild: Geräuschlos geht es weiter, immer weiter
       
       Die zurückliegende Woche hielt ein irritierendes Kopfkino bereit: In der
       Nacht des Koalitionspokers soll Angela Merkel durchs Adenauer-Haus
       gestreift sein. Die Kombattanten schwiegen sich seit Stunden an – so sehr
       hatten sie sich über der Ressortfrage verhakt. Hin und wieder erschien nun
       die Kanzlerin im Türrahmen, wegen ihrer Müdigkeit in eine Wolldecke
       gehüllt, und fragte nach, ob man jetzt weitermachen könne.
       
       … und dann dämmerte der Morgen, und die SPD ging mit drei Megaministerien
       nach Hause. Außen! Finanzen! Arbeit! Bäm!
       
       Und die CSU bekam das Innenministerium. Bäm!
       
       Und Merkels CDU? War angeschmiert. Bildung, Agrar, Gesundheit, Verteidigung
       – na ja. Tapfer gucken sich Merkels Leute nun das Wirtschaftsministerium
       schön. Bätschi!
       
       Hat also Angela Merkel „der SPD die Regierung geschenkt“, wie die
       Bild-Zeitung schreibt? Oder hat sie nicht eher ein Stück Macht geopfert, um
       dieses Land vor einer Neuwahl und damit dem Zugriff der Rechtspopulisten zu
       bewahren? Oder, auch das schreibt die Bild, geht es Merkel vor allem um
       sich selbst, um ihre Kanzlerschaft?
       
       ## Lösungsorientierter Pragmatismus
       
       Letztere Vorhaltung darf man getrost verneinen. Man mag Angela Merkel
       vieles vorwerfen; etwa dass sie den richtigen Moment, aufzuhören, verpasst
       hat. Dass sie den Parteinachwuchs entmutigt hat. Aber nicht, dass sie
       selbstverliebt wäre. Selten sah man eine uneitlere, fleißigere Politikerin.
       Dass sie das Ding mit der SPD jetzt durchzieht, verdankt sich ihrem
       Pflichtbewusstsein und ihrem Beharrungsvermögen. Aber dass sie tatsächlich
       noch bis 2021 im Amt bleibt, das scheint dieser Tage ungewiss.
       
       Wenn man Merkel etwas ankreiden kann, dann ist es ihr lösungsorientierter
       Pragmatismus, von dem sie offenbar meint, ihn nicht erklären zu müssen.
       Merkel hat nie für nötig befunden, zu begründen, was sie tut. Nicht ihrer
       Partei, nicht den BürgerInnen. Im Gegenteil, immer mal wieder hat sie
       politische Entscheidungen als „alternativlos“ bezeichnet. Das ist eine
       Basta-Rhetorik, die die Chefin selbst in den Ruf bringt, nur noch
       ohnmächtig für Vollzug sorgen zu können.
       
       Solange sie ihren Leuten damit die Macht sichern konnte, war deren Teilhabe
       wohlfeil. Jetzt, da es um staatspolitische Verantwortung geht, müssen die
       CDUler Einschnitte akzeptieren. Posten fallen weg, Netzwerke reißen.
       Merkels politische Kostgänger ertragen das nicht, sie keifen rum. Ihre
       Vorsitzende hat sie nie gelehrt, mit Niederlagen umzugehen.
       
       Immer wieder in ihren Jahren an der Macht wurde Merkel auf ihre Gefühlslage
       hin abgeklopft. „Dann ist das nicht mein Land“, diese Formulierung aus dem
       Flüchtlingssommer 2015 gilt in der Merkel’schen Rhetorik als Ausdruck
       höchster Emotionalität. Aber schon im Wahlkampf des zurückliegenden Jahres
       brachte sie es nicht mal fertig, Menschen, die sie stundenlang hasserfüllt
       anbrüllten, eine passende Antwort zu geben. Ja, wer schreit, hat unrecht.
       Aber ignorieren ist weiß Gott keine Lösung.
       
       ## Geräuschlos geht es weiter
       
       Auch jetzt wäre ein guter Moment, sich zu erklären, Menschen bei ihren
       Zweifeln abzuholen, ihnen Mut zu machen. Wir schaffen das, so was in der
       Art. Europa, Rechtsruck, Gerechtigkeit – es gibt so vieles, worüber die
       WählerInnen klärende Debatten brauchen. Merkel verweigert sich ihnen.
       Offenbar hat sie es selbst nie gelernt.
       
       Statt sich also zu erklären, handelt sie. Wie immer eigentlich. Die
       Unzufriedenen, die Armen will die Große Koalition mit Steuermilliarden
       zuschütten. Kitaausbau, Breitband, Mindestrente, öffentlicher Nahverkehr.
       Bäm! Sogar das Kooperationsverbot, die Geißel der Familien dieses Landes,
       will sie zusammen mit der SPD erledigen. Bäm! Denkt man an die Forderungen
       im Wahlkampf – die BürgerInnen müssten unter Freudengesängen durch die
       Innenstädte ziehen. Endlich tut sich was.
       
       Doch es bleibt still im Land. Geräuschlos geht es weiter, immer weiter.
       
       10 Feb 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anja Maier
       
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