# taz.de -- EU-Abkommen für Abschiebungen: Äthiopien soll kooperieren
       
       > Ein EU-Abkommen soll die Überprüfung von Flüchtlingen in Europa durch
       > äthiopische Beamte ermöglichen. Das ist sehr umstritten.
       
 (IMG) Bild: Äthiopische Geflüchtete streikten 2013 in Berlin gegen die Behandlung durch die bayerische Polizei
       
       Berlin taz | Die Europäische Union und Äthiopien haben sich auf ein
       Abschiebeabkommen für abgelehnte Flüchtlinge geeinigt. Das geht aus einem
       geheimen Papier des Rats der EU vom Dezember 2017 hervor, das der taz
       vorliegt. Die EU-Mitgliedsstaaten werden darin aufgefordert, der Einigung
       zuzustimmen.
       
       Das Abkommen sieht vor, dass die Botschaften Äthiopiens auf Antrag
       europäischer Ausländerbehörden innerhalb von drei Werktagen
       Abschiebepapiere ausstellen müssen. Gibt es keinen Pass, können die
       europäischen Ausländerbehörden dem äthiopischen Geheimdienst – im Abkommen
       umschrieben als „Nachrichten- und Sicherheitsdienste“ – Dokumente
       übermitteln, die Rückschlüsse auf die Staatsangehörigkeit zulassen: etwa
       die Kopie eines abgelaufenen Ausweises. Die Antwort muss dann innerhalb von
       zwei Wochen erfolgen.
       
       Gibt es solche Dokumente nicht, können die Ausländerbehörden die
       mutmaßlichen Äthiopier bei der Botschaft zur Befragung vorführen lassen.
       Die muss die Befragung innerhalb von zwei Wochen durchführen und
       entscheiden, ob es sich um einen Äthiopier handelt.
       
       „Auf Antrag“ können die EU-Staaten direkt aus Äthiopien Beamte für
       „Spezialmissionen“ einfliegen lassen. Diese Möglichkeit will sich die EU
       vermutlich für den Fall offen halten, dass die Botschaften zu wenige
       Abschiebepapiere ausstellen. Die Beamten sollen die Abzuschiebenden
       befragen, um die Staatsangehörigkeit festzustellen. Solche Vereinbarungen
       sind sehr umstritten.
       
       ## Bekämpfung von Schleppernetzwerken gelobt
       
       Äthiopien ist neben Mali, Niger, Nigeria und Senegal eines der fünf Länder
       der sogenannten „EU Partnership Framework Initiative“. Die EU hat diesen
       Staaten explizit gedroht, dass bei mangelnder Abschiebe-Kooperation
       Entwicklungshilfe gestrichen werde, bei den Handelsbeziehungen solle es
       „Konsequenzen“ geben.
       
       Der Europäische Auswärtige Dienst (EEAS) hatte Äthiopien im September in
       einem Bericht gelobt, weil das Land Fortschritte bei der Bekämpfung von
       Schleppernetzwerken gemacht habe. Dadurch sei die Zahl irregulärer
       Migranten, die vom Horn von Afrika nach Europa gelangen, gesunken.
       
       Die „Zusammenarbeit bei der Rückkehr aus der EU“ – bei den Abschiebungen
       also – sei jedoch „unbefriedigend und die Rückkehrrate ist eine der
       niedrigsten in der Region“. Das politische „Engagement auf höchster Ebene“
       müsse noch in operative Kooperation umgesetzt werden.
       
       Amnesty International sieht die geplante Zusammenarbeit mit dem
       äthiopischen Geheimdienst NISS bei der Identitsfeststellung mit Sorge.
       „Innerhalb des letzten Jahres hat Amnesty International immer wieder von
       Asylverfahren erfahren, in denen die eritreische Staatsangehörigkeit vom
       Bundesamt für Migration und Flüchtlinge angezweifelt wurde“, sagte
       Franziska Ulm-Düsterhöft, Amnesty-Fachreferentin für Afrika der taz.
       „Stattdessen wurde davon ausgegangen wurde, dass es sich tatsächlich um
       äthiopische Staatsangehörige handle.“
       
       In dem EU-Dokument seien keinerlei Kriterien festgelegt werden, wann eine
       Person für den NISS als äthiopischer Staatsangehöriger gilt. Für
       Ulm-Düsterhöft stellt sich die Frage, wie sichergestellt werde, dass
       Eritreer, die teils die gleiche Sprache sprechen, „nicht fehlerhaft die
       äthiopische Staatsangehörigkeit zugesprochen bekommen und nach Äthiopien
       abgeschoben werden“. Amnesty habe auch grundsätzlich Bedenken, den NISS
       direkt auf Personen aufmerksam zu machen. „In der Vergangenheit sei der
       Geheimdienst immer wieder für die Verfolgung und Verhaftung von
       Regierungskritiker_innen und diverse Menschenrechtsverletzungen bekannt
       geworden.“ Das Verfahren sehe keinerlei Zusicherung Äthiopiens vor,
       Menschenrechte der einzelnen Personen zu wahren, die nach Äthiopien
       rückgeführt werden.
       
       Der Grüne Bundestagsabgeordnete Uwe Kekeritz sagte, die Einschätzung einer
       Staatsangehörigkeit durch einheimische Beamte habe sich bereits in der
       Vergangenheit als korruptionsanfällig erwiesen. „Es ist völlig unerklärlich
       warum dieses Verfahren nun wieder zum Einsatz kommen soll.“ Die Gefahr der
       Rückführung von Eritreern sei besonders heikel. „Es ist nicht
       auszuschließen, dass unter dem Vorwand diejenigen abschieben zu wollen, die
       eine falsche Identität angeben, Menschen zurückgeführt werden, die
       tatsächlich aus der eritreischen Steinzeitdiktatur geflohen sind“, sagte
       Kekeritz. Die Betroffenen seien dann in Äthiopien staatlicher Willkür
       ausgeliefert.
       
       Äthiopische Flüchtlinge sind in Europa eine eher kleine Gruppe. 2016
       stellten sie EU-weit etwa 0,3 Prozent aller Asylanträge – insgesamt 3.605.
       In Deutschland suchten zwischen Januar und November 2017 1.538 Menschen aus
       Äthiopien Schutz. Im gleichen Zeitraum lehnte das Bundesamt für Migration
       und Flüchtlinge drei von vier Anträgen ab.
       
       16 Jan 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Jakob
       
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