# taz.de -- Abgeschlossene GroKo-Sondierungen: Was sie wollen
       
       > Über 25 Stunden am Stück verhandelten Union und SPD über ihre gemeinsamen
       > Linien. Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick.
       
 (IMG) Bild: Gruppenfoto: Seehofer, Merkel, Schulz am Ende der Sondierungsgespräche
       
       ## Soziales
       
       Was ist geplant? Die gesetzliche Krankenversicherung soll künftig wieder
       paritätisch von Arbeitgebern und Arbeitnehmern finanziert werden. Das
       bedeutet eine Entlastung der Arbeitnehmer um etwa 0,5 Prozentpunkte vom
       Bruttolohn. Außerdem soll der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung um 0,3
       Prozentpunkte gesenkt werden.
       
       Die vor allem von der CSU heiß geliebte Mütterrente soll ausgeweitet
       werden. Frauen, die ihre Kinder vor 1992 auf die Welt gebracht haben,
       sollen künftig auch das dritte Jahr Erziehungszeit in der Rente angerechnet
       bekommen – allerdings nur, wenn sie drei oder mehr Kinder geboren haben.
       Insgesamt soll das Rentenniveau bis 2025 auf 48 Prozent gehalten werden.
       Künftig soll es zudem eine Grundrente geben, die bedürftige Versicherte
       erhalten, die mindestens 35 Jahre Beiträge gezahlt, Kinder erzogen oder
       Angehörige gepflegt haben.
       
       Das Kindergeld soll um 25 Euro erhöht werden. Der Kinderzuschlag für
       Einkommensschwache soll ebenfalls steigen.
       
       Union und SPD erkennen außerdem Defizite in der Pflege und wollen
       Arbeitsbedingungen und Bezahlung in der Alten- und Krankenpflege „sofort
       und spürbar“ verbessern. Für alle Arbeitnehmer soll es künftig das Recht
       auf befristete Teilzeit geben, allerdings nur für Beschäftigte in
       Unternehmen ab 45 Mitarbeitern.
       
       Warum überhaupt? Sie wollten „den sozialen Zusammenhalt in unserem Land
       stärken und die entstandenen Spaltungen überwinden“, verkünden Union und
       SPD.
       
       Wer hat sich durchgesetzt? Die Union hat etliches verhindert, was die SPD
       wollte – zum Beispiel die Bürgerversicherung. Aber die sozialdemokratische
       Handschrift ist deutlich erkennbar. 
       
       ## 
       
       ## Bildung
       
       Was ist geplant? Union und SPD wollen das Kooperationsverbot zwischen Bund
       und Ländern vollständig abschaffen. Bislang ist Bildung Ländersache. Das
       Kooperationsverbot besagt, dass Bund, Länder und Kommunen bei
       Bildungsfragen nicht zusammenarbeiten dürfen. 2014 wurde es gelockert.
       Seitdem darf der Bund finanzschwachen Kommunen Geld etwa für die
       Schulsanierung überweisen.
       
       Warum überhaupt? Mit der Aufhebung des Kooperationsverbots erhält das
       Bildungsministerium einen größeren Gestaltungsspielraum. SPD und Union
       könnten in einem Koalitionsvertrag landesweite Programme auflegen. Etwa,
       wie im Sondierungspapier angekündigt, einen Rechtsanspruch auf
       Ganztagsbetreuung an Grundschulen, gebührenfreie Kitas und eine deutliche
       Erhöhung des Bafög. Ob die nationalen Bildungsprogramme tatsächlich kommen
       können, entscheidet jedoch nicht allein eine neue Große Koalition.
       
       Für die Änderung des Grundgesetzes muss sie im Bundestag und im Bundesrat
       je eine Zweidrittelmehrheit organisieren. Im Bundestag gilt die Zustimmung
       als sicher, weil Grüne, Linkspartei und FDP vom Kooperationsverbot nichts
       halten. Die Zustimmung der Länder im Bundesrat war lange Zeit wegen des
       Widerstands aus unionsregierten Ländern und Baden-Württemberg undenkbar. Da
       die Ministerpräsidenten Bayerns und Nordrhein-Westfalens, Horst Seehofer
       und Armin Laschet, in die Sondierung eingebunden waren, dürfte eine
       Grundgesetzänderung nun auch durch den Bundesrat gehen.
       
       Wer hat sich durchgesetzt? Ganz klar die SPD. Die Abschaffung des
       Kooperationsverbots fordert sie seit Jahren. 
       
       ## 
       
       ## Flüchtlinge
       
       Was ist geplant? Der Familiennachzug für subsidiär Geschützte bleibt bis
       zum 31. Juli 2018 vollständig ausgesetzt. Bis dahin soll eine gesetzliche
       Neuregelung verabschiedet werden, die dann den Nachzug auf 1.000 Menschen
       pro Monat beschränkt. „Im Gegenzug“ ist die Bundesrepublik nicht länger
       bereit, aus Griechenland und Italien 1.000 Asylsuchende pro Monat
       aufzunehmen, um die beiden EU-Länder zu entlasten.
       
       Flüchtlinge sollen künftig zunächst in zentralen „Aufnahme-, Entscheidungs-
       und Rückführungseinrichtungen“ – ANkER genannt – untergebracht werden, in
       denen Residenzpflicht herrscht und das Sachleistungsprinzip gilt. Nur
       diejenigen, bei denen eine „positive Bleibeprognose“ besteht, sollen von
       dort heraus anschließend noch auf die Kommunen verteilt werden. Alle
       anderen sollen in diesen neuen Lagern bleiben bis sie „in ihre Heimatländer
       zurückgeführt werden“. Zudem wollen Union und SPD deutlich mehr Staaten als
       bisher zu sicheren Herkunftsländern erklären: Algerien, Marokko und
       Tunesien „sowie weitere Staaten mit einer regelmäßigen Anerkennungsquote
       unter 5 Prozent“. Zudem soll Frontex, die europäische Agentur für die
       Grenz- und Küstenwache, zu einer „echten Grenzschutzpolizei“
       weiterentwickelt werden.
       
       Warum überhaupt? Union und SPD wollen Migrationsbewegungen nach Deutschland
       „steuern und begrenzen“. Konkret haben sie sich darauf verständigt, dass
       die Zuwanderungszahlen „die Spanne von jährlich 180.000 bis 220.000 nicht
       übersteigen werden“. Um diese Art flexible Obergrenze einzuhalten, wird auf
       Abschottung, Abschreckung und Abschiebung gesetzt.
       
       Wer hat sich durchgesetzt? Eindeutig die CSU. Von einem „Sieg der Hardliner
       über Humanität und Menschenrechte“ spricht die Menschenrechtsorganisation
       Pro Asyl. 
       
       ## 
       
       ## Finanzen
       
       Was ist geplant? Ziel ist weiterhin ein ausgeglichener Haushalt, also die
       „schwarze Null“. Der Solidaritätszuschlag wird zum Teil abgeschafft – aber
       nur für die unteren 90 Prozent der Steuerpflichtigen. Die Spitzenverdiener
       werden nicht entlastet. Ansonsten halten SPD und Union daran fest, dass sie
       auf EU-Ebene eine Finanztransaktionsteuer einführen will. Die Chancen
       stehen aber nicht gut für diese EU-Initiative: Der letzte Anlauf ist gerade
       erst gescheitert.
       
       Warum überhaupt? Die Union hat in ihrem Wahlkampf damit geworben, dass es
       „Steuerentlastungen für alle“ geben solle. Ohne ein Steuergeschenk konnte
       die Union also einer Koalition nicht zustimmen.
       
       Wer hat sich durchgesetzt? Vor allem die SPD. Denn sie konnte erreichen,
       dass die Reichen keinerlei Steuergeschenke bekommen. 
       
       ## 
       
       ## Umwelt
       
       Was ist geplant? Das Ziel, bis 2020 die deutschen CO2-Emissionen im
       Vergleich zu 1990 um 40 Prozent zu senken, das in einem Zwischenpapier
       offiziell aufgegeben wurde, soll nun immerhin „so weit wie möglich“
       erreicht werden. Das klingt zwar schöner, bedeutet aber nicht wirklich
       etwas anderes. Der Ausstieg aus der Kohle soll kommen – doch über den
       Zeitplan entscheidet eine Kommission erst im Laufe des Jahres. Immerhin
       wird der Ausbau der erneuerbaren Energien deutlich beschleunigt und ein
       Klimaschutzgesetz angekündigt. Die Nutzung des Pflanzengifts Glyphosat
       wollen die Sondierer „so schnell wie möglich grundsätzlich beenden“, aber
       Zahlen und Daten fehlen auch hier. Am Verbrennungsmotor halten Union und
       SPD fest, Fahrverbote lehnen sie ab.
       
       Warum eigentlich? Deutschland droht sein Klimaziel drastisch zu verfehlen,
       die Zahl der Insekten nimmt dramatisch ab, in vielen Städten werden die
       zulässigen Stickoxid- und Feinstaubwerte überschritten.
       
       Wer hat sich durchgesetzt? Beim Klima hat der Kohleflügel beider Parteien
       gewonnen: Eine kurzfristige Abschaltung von Braunkohlekraftwerken wird es,
       anders als von den Jamaika-Sondierern geplant, wohl nicht geben. Wer sich
       hier langfristig durchsetzt, ist offen – die wichtigen Entscheidungen
       wurden einfach vertagt. Bei Glyphosat hat die SPD eine starke Aussage
       durchgesetzt. Ob diese aber auch zu entsprechender Politik führen wird, ist
       offen, weil sie wenig konkret ist. Beim Verkehr wird nahtlos an Dobrindts
       Realitätsverweigerung angeknüpft.
       
       12 Jan 2018
       
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