# taz.de -- Kommentar EU-Flüchtlingspolitik: Zu schwach für eine Lösung
       
       > Die EU kommt bei der Verteilung von Flüchtlingen nicht voran. Die
       > Mitgliedsstaaten verhalten sich egoistisch. Dabei wäre Solidarität
       > dringend nötig.
       
 (IMG) Bild: Alleingelassen: Italien droht, seine Häfen zu schließen und Flüchtlingsboote abzuweisen
       
       Es war ein elendes, erbärmliches Taktieren: Fast ein halbes Jahr brauchte
       die EU 2015, um eine Notlösung in Sachen Flüchtlingsverteilung zu
       beschließen. Doch die Entscheidung, den am stärksten betroffenen Ländern
       Italien und Griechenland auch nur einen kleinen Teil ihrer Last abzunehmen,
       war manchen schon zu viel: Ungarn und die Slowakei klagten gegen den
       Verteilmechanismus. Jetzt hat der EU-Generalanwalt dafür [1][plädiert, ihre
       Klage abzuweisen].
       
       Dabei kann man Ungarn und der Slowakei noch zu Gute halten, dass sie
       wenigstens ehrlich waren. Elf andere Staaten haben nicht geklagt, aber
       Italien bis heute keinen einzigen Flüchtling abgenommen. Die übrigen nahmen
       zusammen gerade mal 7.500 – vereinbart war das fünffache. Und selbst das
       wäre viel zu wenig gewesen.
       
       Italien steckt in echten Nöten. Es sind nicht nur die letzten Monate, mit
       der Rekordzahl an Anknünften, die es belasten. Es sind die letzten zehn
       Jahre.
       
       Der Egoismus der anderen Staaten lässt das Land zum Opfer seines eigenen
       Pflichtbewusstseins werden. Es rettet weiter und nimmt weiter auf, wenn
       auch zunehmend unwillig, obwohl es konsequent mit den Flüchtlingen im Stich
       gelassen wird. Es ist nicht auszudenken, was geschähe, wenn etwa eine
       Regierung wie die von Orbán für das Mittelmeer zuständig wäre.
       
       ## Italien braucht Solidarität
       
       Was Italien will, braucht und verdient, ist europäische Solidarität. Dass
       es die nicht bekommt, ist der Grund dafür, dass es droht, seine Häfen zu
       schließen und Flüchtlingsboote abzuweisen. Es war der Grund, dass es die
       Verlängerung der EU-Antischleppermission Sophia blockierte und dass es die
       Seenotrettungs-NGOs mit einem „Verhaltenskodex“ ausbremsen will.
       
       In Deutschland macht man es sich leicht. Mal heißt es hier, 90.000
       Ankommende in einem halben Jahr seien nicht so viele, Deutschland habe das
       2015 teils „in einer Woche“ weggesteckt – ganz so, als hätten alle hier
       schon wieder vergessen, dass diese Zeit das politische Gefüge des Landes
       erschüttert hat. Dann wieder lässt man Italien wissen, es solle sich nicht
       so haben, schließlich würden ohnehin alle Flüchtlinge nach Norden
       weiterziehen.
       
       Die Bundesregierung arbeitet derzeit weiter daran, die Dublin-Regelung zu
       verschärfen. Das Selbsteintrittsrecht soll wegfallen, die Befristung der
       Zuständigkeit der Ankunftsländer aufgehoben werden. Die Folge: Die
       Dublin-Regel wird noch umfassender angewandt.
       
       Wer glaubt, dass alles betreffe ihn nicht, er sei ja kein Flüchtling, irrt.
       Italienische Bürgermeister drohen mit Hungerstreik, wenn ihnen mehr
       Flüchtlinge zugewiesen werden. Wenn der Druck in dem Land weiter wächst,
       dürfte seine Neigung steigen, die Dublin-Regelung mit „temporären
       Schengenvisa“ außer Kraft zu setzten. Diesen Schritt hat Rom bereits
       angekündigt.
       
       ## Panzer am Brenner
       
       Schon jetzt werden die Schengen-Grenzen öfter kontrolliert als nicht
       kontrolliert. Wer sich eine Vorstellung davon machen will, was dann los
       ist, der sei an die absurde Symbolik der neuerdings nahe des Brenner
       bereitstehenden österreichischer Panzer erinnert.
       
       Die EU ist einmal mehr zu schwach, diesen Zustand abzustellen. Sie ist von
       den nationalen Egoismen der Mitgliedstaaten ausgebremst. Sie will
       Flüchtlinge am liebsten unter Androhung hoher Bußgelder zwangsweise in
       andere Staaten umsiedeln, sobald Länder wie Italien um die Hälfte mehr
       Menschen aufgenommen haben, als sie gemäß ihres Anteils an der
       EU-Bevölkerung müssten. Doch daraus wird nichts. Die anderen Staaten lehnen
       das ab.
       
       Es ist ein elendes, erbärmliches Taktieren.
       
       die Slowakei
       
       26 Jul 2017
       
       ## LINKS
       
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