# taz.de -- Lana Del Reys neues Album: Rette sich, wer kann
       
       > Sie hat noch nicht genug vom Mainstream. Das zeigt Lana Del Reys neues
       > Album „Lust for Life“, auf dem erstmals prominente Gäste mitwirken.
       
 (IMG) Bild: Wäre gern Blumenkind: Popmusikerin Lana Del Rey
       
       Ganze drei Alben hat es gedauert, Lana Del Rey ein Lächeln zu entlocken,
       aber dafür strahlt sie jetzt über beide Ohren. Ihr Grinsen auf dem Cover
       ihres neuen Werks „Lust for Life“ manifestiert auch die Botschaft, die sie
       von der US-Westküste aus in eine politisch zerrüttete Welt tragen will:
       Bleibt positiv, haltet zueinander und vergesst bei all dem Chaos nicht, hin
       und wieder mal selbstvergessen zu tanzen!
       
       „Don’t worry, baby“, raunt sie dementsprechend gleich zu Beginn und
       unterlegt ihre Referenz auf einen gleichnamigen Beach-Boys-Song mit
       dramatischen Beats, die dem Trailer eines Hollywood-Blockbusters
       entspringen könnten.
       
       Das Album folgt einem bewährten Konzept, dem die Queen of Hypnagogic Pop
       seit „Born to Die“ treu geblieben ist: ein zeitübergreifender Zaubertrank,
       zusammengebraut aus opulenten Arrangements und Zitaten, der sich nur anhand
       von ab und an geschickt platzierten HipHop-Beats im Hier und Jetzt verorten
       lässt.
       
       Neu ist, dass sich die New Yorker Sängerin für „Lust for Life“ Verstärkung
       dazugeholt hat: Der R&B-Sänger The Weeknd, die Rapper A$AP Rocky und
       Playboi Carti, Sean Lennon, Sohn und stimmliches Double von John Lennon,
       und Fleetwood Mac-Sängerin Stevie Nicks sind mit von der Partie. „My
       boyfriend’s back, and he’s cooler than ever“, haucht Lana im titelgebenden
       Feature mit The Weeknd, kurz bevor sie in einen Chorus übergeht, der ihrem
       früheren Song „Radio“ zum Verwechseln ähnlich klingt.
       
       ## Götzenhafte Bewunderung
       
       In „Cherry“, einem Track, der sich irgendwo zwischen Nancy Sinatras „Summer
       Wine“ und „Bang Bang“ verorten lässt, singt sie noch in altbekannter Manier
       von der toxischen Beziehung zu ihrem Geliebten. Auch in „Summer Bummer“ und
       „Groupie Love“, in denen Rocky und Carti zum Einsatz kommen und sich
       dezente Trap-Beats an die E-Gitarren-Riffs schmiegen, geht es noch um die
       götzenhafte Bewunderung des männlichen Gegenübers, der diese nur äußerst
       salopp erwidert.
       
       Aber dann beginnt „In My Feelings“ mit der genialen Zeile „I’m smoking
       while I’m running on my treadmill“ und schafft mit seinem karikiert
       melancholischen Text, in dem sich die Sängerin fragt, ob sie sich etwa
       schon wieder in einen dahergelaufenen Loser verliebt hat, einen Bruch mit
       den vorangegangenen Songs.
       
       Mit „Coachella – Woodstock in My Mind“ baut sie dann an ihrem Summer of
       Love. Lana erzählt davon, wie sie beim Festival im kalifornischen Coachella
       Valley das Gefühl ereilte, in den späten 60er Jahren gelandet zu sein: um
       sie herum so viel Liebe, Blumenkronen und lange Haare, während sich die
       politischen Konflikte auf der ganzen Welt weiter zuspitzen.
       
       Auf einmal war da eine Botschaft, die sie verbreiten wollte: Vor 50 Jahren
       wurden wir genau wie heute vom weltpolitischen Chaos überrollt. Hippies und
       Blumenkinder schafften es durch diese turbulente Zeit, indem sie selbst zu
       der Veränderung wurden, die sie in der Welt sehen wollten, sich Blumen in
       die Haare steckten und tanzten.
       
       ## Geräusch des Feuerwerks
       
       Die Reise zurück in die Hippie-Ära findet ihren Höhepunkt, als in der
       zweiten Zeile von „Beautiful People, Beautiful Problems“ Stevie Nicks
       einsetzt. Zum Ende hin verschwimmen die Stimmen der beiden, Lana singt
       kehlig, Stevie sanft, und für einen kurzen Moment scheinen Raum und Zeit
       aufgehoben. Bereits der Song „Lolita“ von Lana Del Reys Debütalbum klang,
       als habe sie zwar den gleichnamigen Film von Stanley Kubrick geschaut, das
       um einiges vielschichtigere Buch von Vladimir Nabokov allerdings nicht
       gelesen.
       
       Ähnlich verhält es sich mit den Flower-Child-Songs auf „Lust for Life“:
       Eine Auseinandersetzung mit den Idealen dieser Zeit findet nicht statt.
       Anders ist es nicht zu erklären, dass Lana mit dunkler Stimme „God bless
       America – and all the beautiful women in it“ singt und das Ganze mit dem
       Geräusch explodierender Feuerwerke unterlegt, obwohl sich Americana und
       Hippietum eigentlich nicht sonderlich gut vertragen.
       
       Oder dass das durchkommerzialisierte Coachella, Mekka für
       Instagram-Celebrities und mittlerweile mehr Profilierungswiese als
       Musikveranstaltung, ohne lang zu überlegen, mit Woodstock verglichen wird.
       Und als dann auch noch Heroin auftaucht, wirkt das arg gepost etwa im
       Vergleich zu Iggy Pops zweitem Soloalbum von 1977, das ebenfalls „Lust for
       Life“ heißt und auf dessen Cover der Sänger ebenso breit grinst wie Lana:
       Während Iggy mit seiner Aneinanderreihung von lebensbejahenden Songs mit
       düsteren Tracks seine eigene Drogenabhängigkeit verarbeitet, muss das Opiat
       bei Lana als Metapher für ihre zerstörerische Zuneigung herhalten.
       
       Wer sich an solchen Ungereimtheiten stört, wird sich auch mit Lana Del Reys
       viertem Album nicht anfreunden können. Bei allen anderen hinterlässt „Lust
       for Life“, wenn der letzte Song mit Möwenkreischen und Wellenrauschen
       verklingt, vielleicht tatsächlich ein kleines Gefühl der Hoffnung.
       
       23 Jul 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Donna Schons
       
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