# taz.de -- Ohne Nationalisten: Kein Platz für Erdoğan
       
       > Die Türkische Gemeinde wählt am Sonntag einen neuen Vorstand. Der
       > verspricht mit Blick auf die Skandale der vergangenen Jahre einen
       > Neuanfang.
       
 (IMG) Bild: 2015 war Nebahat Güclü noch bei den Grünen – und Vorsitzende der Türkischen Gemeinde Hamburg
       
       Die ehemalige grüne Bürgerschaftsabgeordnete Nebahat Güçlü wird am Sonntag
       als Vorsitzende der türkischen Gemeinde Hamburg (TGH) abgelöst.
       Designierter Nachfolger ist Mesut Sipahi, der die türkische Gemeinde 1986
       mitgegründet hat. Er werde voraussichtlich als einziger Kandidat
       vorgeschlagen, bestätigte Sipahi. „Aber Mitgliederversammlungen bieten
       immer Überraschungen“, sagte er der taz. Sipahi will einen Neuanfang machen
       und grenzt sich dabei von autoritären Bestrebungen wie derzeit in der
       Türkei ab.
       
       Mit der Wahl des ehemaligen Dolmetschers verbindet sich die Hoffnung, die
       Türkische Gemeinde möge nach den Negativschlagzeilen der vergangenen Jahre
       wieder in ruhigeres Fahrwasser gelangen. Noch immer verfolgen sie Vorwürfe
       gegen ihren ehemaligen Ersten Vorsitzenden Hüseyin Yilmaz, der eigenmächtig
       finanzielle Verpflichtungen eingegangen sein soll.
       
       Die aktuelle Vorsitzende Nebahat Güçlü hatte Schlagzeilen gemacht, weil sie
       vor einem Verein gesprochen hatte, der den türkischen
       rechtsnationalistischen „Grauen Wölfen“ nahe steht. Die Grünen versuchten
       im Wahlkampf vergeblich, sie auszuschließen. Am Ende ging sie vor zwei
       Jahren selbst, blieb aber als fraktionslose Abgeordnete in der
       Bürgerschaft.
       
       2016 wurden außerdem Facebook-Fotos bekannt, auf denen sich Güçlü mit
       Müslüm C., dem Präsidenten der türkisch-nationalistischen Rockergruppe
       „Osmanen Germania Hamburg“ zeigte. Bekannt geworden war das nach einer
       Razzia gegen die Gruppe, die sich Boxverein (BC) nennt, aber wie ein
       Motorradklub (MC) auftritt.
       
       Güçlü wehrte sich: Sie sei Demokratin. Von der Nähe des Vereins „Türkische
       Föderation“ zu den Grauen Wölfen habe sie nichts gewusst. Rechtsnationales
       Gedankengut lehne sie ab. Und Müslüm C. habe sie bei einem Konflikt
       zwischen der Polizei und Jugendlichen in Altona-Altstadt kennengelernt, wo
       dieser zur Deeskalation beigetragen habe.
       
       „Leider hat das der Türkischen Gemeinde geschadet“, sagt Sepahi. Güçlü habe
       Fehler gemacht. Die Kritik an ihr sei aber überzogen.
       
       Der Journalist Adil Yigit glaubt, dass Güçlüs Handeln nicht von der
       Türkischen Gemeinde zu trennen sei. „Güçlü hatte Ratgeber“, vermutet er.
       Sie sei leicht zu beeinflussen und habe versucht, mit rechtsnationalen
       Kreisen zu flirten. „Die Rechnung bezahlt sie heute alleine“, sagt er mit
       Blick auf ihre anstehende Ablösung.
       
       Verschiedentlich ist zu hören, dass Güçlü ihr Versprechen, die Türkische
       Gemeinde politisch sichtbarer zu machen, nicht eingelöst habe. Immerhin,
       trotz oder vielleicht sogar wegen der Vorwürfe, erreichte sie im
       vergangenen Jahr einen öffentlichkeitswirksamen Beschluss: Die Türkische
       Gemeinde nahm zum ersten Mal am Christopher Street Day, der Parade für
       sexuelle Vielfalt, teil.
       
       Dennoch wird die Gemeinde wegen mangelnder Offenheit kritisiert. „In den
       vergangenen Jahren hat sie es aufgrund der nationalistischen Ausrichtung
       nicht geschafft, die türkischstämmigen Menschen unter ein Dach zu bringen“,
       sagt Cansu Özdemir, Tochter einer kurdischen Familie und
       Ko-Fraktionsvorsitzende der Linken in der Hamburgischen Bürgerschaft.
       
       Armenier, Kurden, Aleviten und Linke fühlten sich zu großen Teilen nicht
       vertreten. Deren soziale Arbeit werde zudem vom Senat weniger unterstützt
       als die der Türkischen Gemeinde.
       
       Sipahi, derzeit Sprecher des Kontrollrats der Gemeinde, verweist dagegen
       auf einige alevitische Mitgliedsvereine und ein designiertes kurdisches
       Vorstandsmitglied. „Wir sind keine Nationalisten“, beteuert er. Die
       Türkische Gemeinde setze sich für ein friedliches Zusammenleben, bessere
       Integration, gleiche Rechte und gegen Rassismus ein. „Wir wollen auch viele
       Deutsche als Mitglieder gewinnen“, kündigt er an.
       
       Die türkischen Minderheiten befremde die Position einiger Mitglieder der
       Türkischen Gemeinde zur Völkermord-Resolution des Deutschen Bundestages,
       sagt Özdemir. „Solange sie das nicht geklärt hat, wird sie keinen Zugang
       bekommen zu den anderen Gruppen“, sagt sie.
       
       Sipahi ist wegen der Armenier-Resolution, wie er sagt, nach 36 Jahren aus
       der SPD ausgetreten. „Ich erwarte, dass ein Völkermord 100 Prozent
       historisch und politisch nachgewiesen wird“, sagt er. Andernfalls dürften
       türkische Schulkinder nicht damit belastet werden.
       
       Politisch grenzt sich Sipahi gegen die AKP des türkischen
       Ministerpräsidenten Recep Tayip Erdoğan ab. „Leute, die die AKP
       unterstützen, haben bei uns nichts verloren“, sagt er. Erdoğan gefährde die
       Demokratie. Für den Fall seiner Wahl kündigt er an, die politische Arbeit
       zu stärken. „Wir wollen mehr Anerkennung in der Gesellschaft haben.“
       
       7 Apr 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gernot Knödler
       
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