# taz.de -- Die Wahrheit: Drinks und Eichhörnchen
       
       > Tagebuch einer Abgelenkten: die glückliche Fügung, im unbehandelten
       > Urzustand unfallfrei in einer reizarmen Gegend aufzuwachsen.
       
       Seit früher Kindheit habe ich eine ausgeprägte Bereitschaft, mich ablenken
       zu lassen. Im fortgeschrittenen Erwachsenenalter wurde rückwirkend eine
       milde Form von ADS vermutet, doch inzwischen bin ich längst geübt, meine
       beispielsweise durch kreative Terminplanungen entstandenen Verheerungen zu
       reparieren und weigere mich auch standhaft, Ahnungslosen den Weg zu weisen.
       
       Wäre ich Jahre später geboren worden, hätte man mich wahrscheinlich mit
       Pillen gesellschaftstauglich gedopt, so aber darf es wohl als glückliche
       Fügung gelten, dass ich zwar im unbehandelten Urzustand, aber einigermaßen
       unfallfrei in einer von Weinbergen umgebenen, reizarmen Gegend aufwuchs.
       Eine gewisse Aufregung bemächtigte sich der Bevölkerung lediglich in der
       Karnevalssaison, während der auch ich in die Bütt stieg und Witze zum
       Besten gab, deren Pointen ich zuverlässig vergaß. Mein überschaubares
       Lebensumfeld verhinderte das Schlimmste; ich ging zwar regelmäßig irgendwo
       verloren, wurde aber von freundlichen Dorfbewohnern wieder eingesammelt und
       zu Hause abgeliefert.
       
       In den Achtzigern landete ich auf Autofahrten von Hamburg nach Berlin in
       Hof oder bestieg Züge, die mich an nie gehörte Orte brachten. Noch immer
       beschäftige ich auf Bahnfahrten ein Heer hilfsbereiter Schaffner, die
       eigens für mich engagiert wurden. Es ist sogar zu befürchten, dass die
       Personalkosten der Bahn zu fünfzig Prozent auf meine Kappe gehen. Als
       Gegenleistung liefere ich aber gern interessante Anekdoten von zahlreichen
       Aufenthalten in Provinzbahnhofsgaststätten.
       
       Bisher kühlte ich meine qualmenden Synapsen nach besonderen
       Herausforderungen mit garantiert spannungsfreien Wettangel- oder
       Synchronschwimmdokus, doch jetzt habe ich das ultimative De-Stress-Programm
       entdeckt: Dog TV! Die zwanzigminütige Kontemplation mümmelnder
       Eichhörnchen, gefolgt von einer Tour auf Hundeaugenhöhe durch die
       Mojave-Wüste hat eine dermaßen hirnaktivitätsdämpfende Wirkung, dass man
       sich fragt, ob man jemals wieder zu einfachen Verrichtungen fähig sein
       wird.
       
       Interessant zu erfahren wäre allerdings, wie das eigentliche Zielpublikum
       auf die provozierende Zurschaustellung von Beutetieren reagiert, die
       stundenlang auf dem Bildschirm herumlungern. Leicht verstörend finde ich
       auch die Szenen von herumtollenden Hunderudeln, die den Artgenossen vor der
       Glotze ihr trostloses Dasein live und in Farbe vorführen, so als ließe man
       ein Kind hinter Gittern zusehen, wie seine Kumpel sich bei dreißig Grad ins
       Freibad stürzen. Hunde, wollt ihr ewig zuschauen? Wann kommt die
       Sofa-zerfetz-Revolution?
       
       Für mich hingegen, als ich neulich statt in Wittenberg in Wittenberge
       landete, erwiesen sich Eichhörnchen in Kombi mit Drink-Leckerli als
       Segnung. Nur wenn irgendwann Geruchsfernsehen kommt, werde ich mein neues
       Entspannungsritual wohl aufgeben müssen, es sei denn, es wird statt des bei
       Hunden beliebten Pipi-Kaka-Aromas Rosenduft verströmt. Perfekt!
       
       30 Mar 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Pia Frankenberg
       
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