# taz.de -- Nachhaltiger Konsum: Secondhand soll sexy werden
       
       > Raus aus der Bedürftigkeitsecke: Sozialkaufhäuser und
       > Reparaturwerkstätten gründen das Qualitätssiegel WIRD für bessere
       > Lobbyarbeit.
       
 (IMG) Bild: Aus Altem lässt sich viel machen – vor allem lässt sich dabei der ökologische Fußabdruck verkleinern
       
       Berlin taz | Alle reden von nachhaltigem Konsum, aber kaum einer von
       Reparaturwerkstätten und Sozialkaufhäusern. Dabei müssten sie eine
       zentrale Rolle spielen beim Einstieg in eine ressourcenschonende
       Wirtschaft: Je länger Kleidung, Spielzeug, Elektrogeräte oder Fahrräder
       genutzt werden, desto kleiner ist ihr ökologischer Fußabdruck. Einige
       Betriebe haben nun eine Dachmarke gegründet, unter der sie nach gemeinsamen
       Qualitätsstandards arbeiten und ihr Angebot bekannter machen wollen.
       
       Das Gütesiegel WIRD steht für die „Wiederverwendungs- und Reparaturzentren
       in Deutschland“ und wendet sich an „alle Betriebe der bunten und lokal
       strukturierten gemeinwirtschaftlichen Secondhandbranche“, sagt Claudio
       Vendramin von der Herforder Recycling-Börse, der das Siegel initiiert hat.
       Vergeben wird es von einem Verein, der gemeinsame Qualitätsstandards für
       die reparierten und angebotenen Dinge entwickelt; außerdem will er zu einer
       schlagkräftigen Lobby für die Gebrauchtwarenbranche werden und ihr
       Marketing verbessern.
       
       Rund 400 gemeinnützige Re-use-Einrichtungen gibt es in Deutschland, vom
       Diakonia Kaufhaus in München mit 1.200 Quadratmeter Verkaufsfläche bis zum
       Soester Secondhandladen Rümpelstielzchen. Häufig sind die Unternehmen in
       Trägerschaft der Kommune, einer Kirche oder eines Vereins entstanden mit
       dem Ziel, Arbeitsplätze für Menschen anzubieten, die es auf dem ersten
       Arbeitsmarkt schwer haben.
       
       „Vom reinen Sozialgedanken müssen wir weg und unsere ökologische Funktion
       und Kompetenz mehr in den Vordergrund rücken“, sagt Vendramin. „Wir sind
       eigentlich die natürlichen Partner der kommunalen Wertstoffhöfe“, sagt
       Vendramin, „das hat sich aber noch nicht überall rumgesprochen.“ Daher
       würden beispielsweise alte Computer oder Möbel in den Annahmestellen häufig
       so ruppig behandelt, dass sie nur noch geschreddert und recycelt, aber
       nicht mehr repariert werden könnten.
       
       ## Der Glaube ans Neue
       
       Ein großes Problem für Reparaturwerkstätten sei das Stigma von gebrauchten
       Dingen, sagt Susanne Fischer vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt,
       Energie. Im Geschäftsfeld Kreislaufwirtschaft hat sie europaweit
       untersucht, warum gebrauchte, reparierte Dinge schwer zu verkaufen sind.
       Ergebnis: „Neu gilt immer noch als besser“, so Fischer. Das glaubten auch
       Unternehmen, obwohl sie etwa Elektrogeräte viel günstiger gebraucht
       beschaffen könnten.
       
       Das Wuppertal Institut hat die Entwicklung des Gütesiegels wissenschaftlich
       begleitet. Fazit: „Es hat ein großes Potenzial“, sagt Fischer, „denn es
       kann Vertrauen bei den Verbrauchern schaffen.“ In Belgien habe sich der
       Absatz der Re-use-Branche vervielfacht, seit sie unter einem gemeinsamen
       Label auftrete.
       
       Eine Dachmarke „sei eine wirklich gute Idee“, sagt Martin Tertelmann vom
       Stuttgarter Sozialunternehmen „Neue Arbeit“. Mit Recycligwerkstätten,
       Fahrradservicestationen und Sozialkaufhäusern erwirtschaftet die
       gemeinnützige GmbH 60 Millionen Euro Umsatz im Jahr. „Uns fehlen die
       Kapazitäten für eine schlagkräftige Lobbyarbeit“, sagt Tertelmann. Ein
       Beispiel: Im Kreislaufwirtschaftsgesetz gebe es eine Recyclingquote, aber
       keine Quote für die Wiederverwertung von Dingen. „Das hätte eine enorme
       Lenkungswirkung für Ökologie und Arbeit“, meint Tertelmann.
       
       Auch Dieter Sommer, Geschäftsführer der Münchner Diakonia
       Dienstleistungsbetriebe, die ein Warenhaus für Bücher, Haushaltswaren,
       Möbel und vor allem Kleidung unterhalten, betrachtet das neue Siegel mit
       Interesse. „Den Spendern ist es wichtig, dass ihre aussortierten Sachen
       einen Nutzen für ihr Umfeld haben und nicht verramscht werden“, sagt
       Sommer, „und die Kunden wünschen sich gute Produkte.“ Ein Gütesiegel könnte
       Vertrauen schaffen.
       
       Die Entwicklung des Siegels ist vom Umweltbundesamt und dem
       Bundesumweltministerium mit 95.000 Euro gefördert worden; derzeit werden
       weitere öffentliche Gelder akquiriert. Perspektivisch muss sich der Verein
       aber selbst finanzieren. Ein Teil des Umsatzes müssten die Unternehmen für
       die Mitgliedschaft berappen, so Vendramin. „Wir müssen einen Mehrwert für
       die Unternehmen bieten“, das ist Vereinsgründer Vendramin klar, denn die
       Unternehmen müssten ihre Einnahmen nachhaltig investieren.
       
       22 Mar 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Heike Holdinghausen
       
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