# taz.de -- Buch über Wanderlust: Viele tausend Füße
       
       > Spuren der Geschichte von Mensch und Landschaft: Der britische Autor
       > Robert Macfarlane sucht in seinem Buch auf alten Wegen.
       
 (IMG) Bild: Einer dieser menschheitsalten Trampelpfade, der zum Weg wurde
       
       Menschen, so wie alle Tiere, gehen gern dort, wo vor ihnen ihre Artgenossen
       gegangen sind. So entstehen Wege. Manche der Wege, die Menschen heute noch
       begehen, sind bereits vor Hunderten oder gar Tausenden von Jahren von
       vielen Füßen in die Landschaft geprägt worden. Der britische Autor Robert
       Macfarlane, einer der renommiertesten zeitgenössischen Vertreter des nature
       writing, hat sich auf den Spuren solcher Wege auf Wanderschaft begeben.
       
       In seinem jüngst auf Deutsch herausgekommenen – und sehr gut übersetzten –
       Buch „Alte Wege“ hat Macfarlane die Erfahrungen und Recherchen aus vielen
       Wanderungen zusammengetragen, die er im Laufe etlicher Jahre unternommen
       hat. (Auf Englisch ist es 2012 unter dem natürlich viel schöneren, weil
       doppelsinnigen Titel „The Old Ways“ erschienen.)
       
       Die meisten dieser Touren führten den Autor durch besondere Landschaften
       Großbritanniens, durch die Torfmoore auf der Hebrideninsel Lewis etwa, oder
       durch eine nur aus Stein bestehende Landschaft, in der auch die Wegmarken
       Steine sind und daher äußerst schwer zu finden.
       
       ## Edward Thomas, der Spiritus Rector des Buches
       
       Im Süden Englands wandert Macfarlane über den Ridgeway beziehungsweise den
       Icknield Way, uralte Reiserouten auf Kreidepfaden, und reflektiert dabei
       das Leben und Wandern des im Ersten Weltkrieg verstorbenen Autors Edward
       Thomas, der eine Art Spiritus Rector dieses Buches ist.
       
       Ausschnitte aus Thomas’ Lyrik begleiten viele der geschilderten
       Wanderungen. Aber auch zahlreiche andere Autoren lässt Macfarlane zu Wort
       kommen, und die Literaturliste am Ende des Bandes ist beachtlich. Denn
       ebenso wichtig wie das Gehen und das Dasein in der Natur ist dem Autor
       Macfarlane (der eine zweite, bürgerliche Existenz als Literaturdozent in
       Cambridge führt) das Lesen.
       
       Lektüre und Recherche sind unverzichtbare Bestandteile seiner Methode, die
       Welt zu beschreiben: poetisch genau im sprachlichen Ausdruck, subjektiv in
       der Empfindung und zugleich detailversessen in der Sache und gründlich bei
       der Recherche historischer Hintergründe. Es ist niemals die Natur allein,
       die ihn interessiert, sondern immer die Landschaft in Bezug zum Menschen,
       der sich in ihr befindet – und umgekehrt.
       
       ## Wanderung zu einem tibetischen Kloster
       
       Was macht die Landschaft mit uns, und was machen wir mit ihr? Besonders
       eindrucksvoll zeigt sich die Wirkung der Natur auf den Menschen im Kapitel
       „Eis“, worin der Autor eine Wanderung auf der chinesischen Seite des
       Himalaja zu einem hoch in den Bergen gelegenen tibetischen Kloster
       beschreibt.
       
       Den umgekehrten Anschauungsfall – was macht der Mensch bloß mit der
       Landschaft? – illustriert das Kapitel „Kalkstein“, in dem Macfarlane
       gemeinsam mit einem palästinensischen Freund durch eine für Araber
       verbotene „C“-Zone im Westjordanland wandert.
       
       Manche der Wege, die in diesem Buch genommen werden, gibt es gar nicht;
       jedenfalls nicht in einer für das Auge sichtbaren Form. Das gilt für
       Seewege, die zwar auf Karten verzeichnet sein mögen, denen aber auch
       Macfarlane nicht folgen kann, ohne die Hilfe von Spezialisten (Seglern,
       Seebären und Co.) in Anspruch zu nehmen.
       
       Und das gilt für jenen Weg durch das Wattenmeer vor der Küste von Essex,
       der „Broomway“ genannt wird, weil er einst durch Besen markiert wurde, und
       den Macfarlane als den „unirdischsten Weg, den ich je beschritten habe“,
       bezeichnet – weil die Licht- und Wasserspiegelungen auf dem gänzlich
       platten Wattenmeer auf einen wie ihn, der von Kindesbeinen an vor allem das
       Bergsteigen gewöhnt ist, eine wirklich seltsame Wirkung haben müssen.
       
       ## Lust unter freiem Himmel zu übernachten
       
       Man bekommt Lust auf so vieles durch diese Lektüre. Lust aufs Wandern, Lust
       darauf, unter freiem Himmel zu übernachten (aber lieber nicht auf dem
       Chanctonbury Ring, denn da spukt es, wie wir jetzt wissen), und Lust
       darauf, all die wunderbaren Autoren zu lesen, die Macfarlane so ausdauernd
       zitiert.
       
       Eine andere Möglichkeit wäre es, genau dieses wunderbare Buch – das man
       nämlich viel zu gern gelesen hat, um zwischendurch Landkarten zu
       konsultieren – noch einmal von vorne anzufangen und dieses Mal mit Hilfe
       von Google Maps zumindest mit dem Finger einigen der alten Wege selbst
       nachzuspüren.
       
       4 Mar 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katharina Granzin
       
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