# taz.de -- Amnesty-Aktivist zu Venezuela: „Tiefer Hass unter der Bevölkerung“
       
       > Die Konfliktparteien zeigen eine hohe Gewaltbereitschaft und begehen
       > Menschenrechtsverletzungen, klagt der venezolanische Amnesty-Chef Marcos
       > Gómez.
       
 (IMG) Bild: Studentenprotest in Venezuela: Vor drei Jahren wurde der Demonstrant Bassil da Costa von Sicherheitskräften getötet
       
       taz: Herr Gómez, wie ist die Situation der Menschenrechte in Venezuela? 
       
       Marcos Gómez: 2016 war sie schlecht und 2017 wird sie sich voraussichtlich
       weiter verschlechtern. Wir machen uns gerade große Sorgen um die
       Verteidiger der Menschenrechte, sei es von NGOs, Gewerkschaften oder
       Stadtteilgruppen. Diese werden von den offiziellen Medien namentlich als
       Verräter beschimpft. Schon häufen sich die Gewaltandrohungen von den
       regierungsfreundlichen, bewaffneten, paramilitärischen Gruppen. Hinzu kommt
       die allgemeine Konfliktbereitschaft. 2016 gab es pro Monat durchschnittlich
       500 Proteste. Die Mehrzahl richtete sich gegen fehlende Nahrungsmittel und
       Medikamente, Wassermangel oder Stromabschaltungen. Das alles ist der
       Nährboden für eine zunehmende Gewaltbereitschaft.
       
       Venezuela belegt auf der Rangliste der gewalttätigsten Länder bereits jetzt
       den zweiten Platz. Im Juli 2016 reagierte die Regierung mit der Schaffung
       der sogenannten OLP, der „Operation Befreiung und Schutz des Volkes“, die
       sich vor allem gegen kriminelle Banden richtet. Was hat sie bewirkt? 
       
       Die OLP betrachtet die ärmeren Siedlungen und Stadtviertel als feindliches
       Terrain. Dabei kommt eine Kombination aus Militär- und Polizeikräften sowie
       Spezialeinheiten mit Freund-Feind-Logik zu Einsatz. Kaum sind sie
       abgezogen, beschweren sich die Anwohner über Misshandlungen, die Zerstörung
       von Häusern und Wohnungen sowie den Diebstahl von Essen, Haushaltsgeräten
       und anderen Dingen. Der schlimme Höhepunkt war die Operation im Bezirk
       Barlovento im Bundesstaat Miranda. Dabei verschwanden zwölf Jugendliche,
       die später tot aufgefunden wurden. Das Ministerium hat inzwischen 18
       Militärs dafür angeklagt. Die OLP hat bereits einen tiefen Hass unter der
       betroffenen Bevölkerung gesät.
       
       Wie äußert sich dieser Hass? 
       
       Als Zunahme der Morde an öffentlichen Funktionsträgern, die als mutmaßlich
       Verantwortliche für die OLP genannt werden. Angehörige krimineller Banden
       gehen zu deren Wohnorten und richten sie hin. Dabei geht es zwar auch um
       den Diebstahl von Waffen, aber die Mehrzahl der Tötungen sind Racheakte. In
       den letzten fünf Jahren wurden bereits 1.500 Militär- und Polizeiangehörige
       getötet.
       
       Oppositionsführer Leopoldo López ist der bekannteste politische Gefangene
       Venezuelas. Wie viele sitzen noch hinter Gittern? 
       
       Zunächst, Leopoldo López muss sofort und bedingungslos freigelassen werden.
       Das Foro Penal Venezolano schätzt die Zahl der politischen Gefangenen auf
       100. Darunter ist der Fall von Rechtsanwalt Marcelo Crovato, der bei einer
       Hausdurchsuchung bei Studenten in seiner Nachbarschaft von denen gebeten
       wurde, sie zu vertreten. Doch Crovato wurde festgenommen und ohne
       richterliche Anhörung in ein gefürchtetes Gefängnis gesteckt. 2015
       versuchte er, sich das Leben zu nehmen, und wurde unter Hausarrest
       gestellt. Crovato ist ein Beispiel dafür, wie haltlos die Anschuldigungen
       gegen die Gefangenen sind. Zudem setzt die Regierung beim Dialog mit der
       Opposition die Gefangenen immer wieder als Faustpfand ein. Ein klarer
       Beweis dafür, dass ihre Freilassung nicht von der Justiz abhängt, sondern
       vom Willen der Regierung.
       
       28 Feb 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürgen Vogt
       
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