# taz.de -- Akademikerball der FPÖ in Wien: Schüsse im Jonasreindl
       
       > Rechte Prominenz blieb dem Ball diesmal fern. Und die Antifa protestierte
       > auch gegen geplante Verschärfungen des Demonstrationsrechts.
       
 (IMG) Bild: Mittlerweile eine Wiener Tradition: Drinnen wird getanzt, draußen wird demonstriert
       
       Wien taz | Zwei Schüsse aus einer Schreckschusspistole waren aus der Sicht
       der Sensationspresse das einzig berichtenswerte Ereignis der heikelsten
       Ballnacht Wiens. Wenn die rechte FPÖ zum Akademikerball in den
       Räumlichkeiten der Wiener Hofburg aufruft, marschieren seit 2008
       Demonstranten verschiedener linker Plattformen und Gruppen auf. Zu
       Hiphop-Rhythmen und mit aufrührerischen Parolen wie „Biosaft statt
       Burschenschaft“ protestierten sie am Freitagabend dagegen, dass das
       festliche Stelldichein der akademischen Rechten in den Prunkräumen der
       Republik stattfinden darf. In der Vergangenheit hatte es immer wieder
       Randale gegeben. 2014 wurde der Jenaer Student Josef S. wegen
       Landfriedensbruchs festgenommen und später auch verurteilt. Er soll
       Mistkübel angezündet und ein Polizeiauto beschädigt haben.
       
       Diesmal hatte die Polizei vorgesorgt: Mit 2800 Mann übertraf ihre Stärke
       die der Demonstrierenden – nach offiziellen Angaben – um eine
       Hundertschaft. Die Veranstalter zählten immerhin 4000 Teilnehmer: deutlich
       weniger als in den vergangenen Jahren. Auch drinnen war viel Platz.
       Unmittelbar vor Beginn waren online noch reichlich Ballkarten zu haben. Mit
       Gittern wurden Heldenplatz und Hofburg weiträumig abgesperrt. 60 Personen,
       die die Zufahrt von Taxis mit Ballgästen blockieren wollten, mussten sich
       ausweisen aber keine einzige wurde festgenommen.
       
       Als die Demos schon vorbei waren, fielen die Schüsse in der
       Fußgängerpassage unter dem Universitätsring, im Volksmund auch als
       „Jonasreindl“ bekannt. Als Schütze konnte Martin Sellner, Chef der
       rechtsextremen Identitären, ausgeforscht werden. Er habe sich von
       Demonstranten angegriffen gefühlt, wie er zu Protokoll gab. Die Pistole sei
       ihm auf der Rolltreppe entwunden worden.
       
       Zur Entspannung mag aber auch beigetragen haben, dass der erst seit wenigen
       Tagen amtierende Bundespräsident Alexander Van der Bellen gemeint hatte:
       „Sollen sie doch tanzen“. Jeder Verein habe das Recht, seine
       Veranstaltungen abzuhalten. Sollten, wie in der Vergangenheit politisch
       polarisierende Gäste wie Marine Le Pen mittanzen wollen, sei friedlicher
       Protest aber legitim. Die Chefin der französischen Rechtsextremisten war
       diesmal aber genausowenig zugegen, wie der Niederländer Geert Wilders.
       Selbst FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache blieb dem Ereignis
       krankheitsbedingt fern.
       
       ## Generelles Verbot für „Spaßdemos“
       
       Protestiert wurde diesmal auch gegen den neuesten Vorstoß von Innenminister
       Wolfgang Sobotka (ÖVP), der tags zuvor eine Reform des Demonstrationsrechts
       gefordert hatte. Nach seinen Vorstellungen sollen Demos verboten werden
       werden können, „wenn sie wirtschaftliche oder gesundheitliche Interessen
       Dritter“ schädigen könnten. Zudem will er einen „Demonstrationsleiter“ für
       allfällige durch Demonstranten verursachte Schäden persönlich haftbar
       machen.
       
       In diesem Punkt ruderte Sobotka nach einer Empörungswelle etwas zurück. Das
       solle nur gelten, wenn den Leiter persönliche Schuld treffe. „Spaßdemos“,
       die den Verkehr beeinträchtigen, sollen generell verboten werden. Die Pläne
       haben allerdings wenig Aussicht auf Verwirklichung, denn Protest kam nicht
       nur von den üblichen Verdächtigen wie Amnesty International und den Grünen.
       Der Anwalt Alfred Noll fordert Bundeskanzler Kern in einem offenen Brief
       auf: „Bringen Sie Herrn Sobotka zur verfassungsrechtlich gebotenen
       Vernunft!“
       
       Tatsächlich zeigt sich auch der Koalitionspartner SPÖ wenig begeistert vom
       Alleingang des Innenministers und Verfassungsjuristen wie Bernd Christian
       Funk weisen darauf hin, dass solche Neuerungen nicht mit der
       Bundesverfassung vereinbar wären. Wer sollte beurteilen, was eine
       „Spaßdemo“ ist und wann legitime Geschäftsinteressen bedroht seien? Im
       übrigen könnten auch jetzt schon Demonstrationen untersagt werden. Im
       vergangenen Jahr wurden allein in Wien 8100 Demonstrationen und öffentliche
       Versammlungen angemeldet. 26 davon wurden untersagt.
       
       Die Spruchpraxis des Verfassungsgerichtshofs stützt aber ein starkes Recht
       auf Versammlungsfreiheit. Mehrmals hat er polizeiliche
       Demonstrationsverbote nachträglich als unzulässig aufgehoben. Als 1994 eine
       Demo gegen den Besuch des chinesischen Ministerpräsidenten Li Peng verboten
       wurde, bemerkten die Herren im Hermelinkragen süffisant, das Verbot sei
       „offensichtlich vom Bestreben getragen, den Gästen den Anblick
       demonstrierender Menschen zu ersparen“.
       
       4 Feb 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Leonhard
       
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