# taz.de -- Rot-Rot-Grün und Andrej Holms Stasi-Akte: Er ist belastbar und motiviert
       
       > Viel Wirbel um die Berliner Regierungsbildung: Die CDU protestiert gegen
       > den designierten Staatssekretär Holm. Dessen Stasi-Akte steht nun im
       > Netz.
       
 (IMG) Bild: Er könne nur aus seiner Biografie lernen, twittert Andrej Holm
       
       Berlin taz | Wenn der neue rot-rot-grüne Senat in Berlin am Dienstag seine
       Staatssekretäre ernennt, dann dürfte es noch mal spannend werden. Kaum
       etwas hat in den vergangenen Tagen für so viel Wirbel gesorgt wie die
       Personalie Andrej Holm. Die Linkspartei will [1][den Soziologen und
       Mietaktivisten zum Staatssekretär für Wohnen] machen.
       
       Während die linke Szene jubelt, würden Konservative das am liebsten
       verhindern. Der Fraktionschef der CDU, Florian Graf, forderte den
       Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) am Montag in einem offenen
       Brief auf, die Ernennung zu stoppen. Sein Parteikollege Stefan Evers warnte
       gar vor „Geschichtsvergessenheit“. „Michael Müller darf auf dem linken Auge
       nicht blind sein.“
       
       Im Mittelpunkt der Kritik steht Andrej Holms Vergangenheit. Holm, geboren
       1970 in Leipzig, hatte sich als Teenager für eine Laufbahn im Ministerium
       für Staatssicherheit entschieden. Er stammt aus einer linientreuen Familie,
       schon sein Vater war Stasi-Offizier. Wenige Monate nachdem Andrej Holm
       seinen Wehrdienst angetreten hatte, fiel dann die Mauer. „Im Nachhinein bin
       ich extrem froh darüber, dass mir die Wende diese Zeit erheblich verkürzt
       hat“, sagte er bereits 2007 der taz.
       
       Was genau Andrej Holm für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS)
       gemacht hat, kann jetzt jeder selbst nachlesen: Die Zeitung B. Z. hat die
       Stasi-Akte Holms schon vor Jahren bei der Behörde des Bundesbeauftragten
       für Stasi-Unterlagen angefordert und [2][am Montag ins Internet gestellt].
       
       ## Frühes Anwerben war nichts Ungewöhnliches
       
       Daraus geht hervor, dass Andrej Holm sich im zarten Alter von 13 Jahren
       bereit erklärt haben soll, „einen militärischen Beruf im MfS aufzunehmen“.
       Als 14-Jähriger unterschrieb er dann eine Bereitschaftserklärung, später
       für die Stasi tätig sein zu wollen. Darin heißt es auch: „Die sich daraus
       ableitenden Konsequenzen, insbesondere zur Wahl meines Umgangs- bzw.
       Freundeskreises bzw. zur Partnerwahl, werden von mir anerkannt und
       beachtet.“ Seine Eltern unterzeichneten dieses Papier ebenfalls.
       
       Die frühe Anwerbung war nichts Ungewöhnliches: Die Stasi habe ihren
       Nachwuchs stark aus dem eigenen Umfeld rekrutiert, erklärt Dagmar
       Hovestädt, Sprecherin der Stasi-Unterlagen-Behörde. „Die sogenannte
       ‚Kadergewinnung‘ begann in frühem Alter, um die Kinder von Anfang an in die
       sozialistischen Ideale einzunorden.“
       
       Holm besuchte die Erweiterte Oberschule in Berlin-Weißensee, machte Abitur
       und wurde am 1. September 1989 mit 18 Jahren Offiziersschüler beim
       Wachregiment „Feliks Dzierzynski“. Das Wachregiment war der militärische
       Arm der Stasi und dem Ministerium unterstellt. Wer dort seinen Wehrdienst
       machte, wurde als hauptamtlicher Stasi-Mitarbeiter geführt.
       
       So auch Holm. In einer handschriftlichen, aber sehr förmlichen Erklärung
       vom 1. September 1989 verpflichtete er sich, „alle meine Kräfte und
       Fähigkeiten einzusetzen, um die ehrenvollen Pflichten und Aufgaben eines
       Angehörigen des Ministeriums für Staatssicherheit zu erfüllen“. Er
       unterschrieb, keinerlei Verbindungen in den Westen zu unterhalten, alle
       Post aus dem Westen abzugeben bzw. West-Post oder West-Besuch bei
       Familienangehörigen seinen Vorgesetzten sofort zu melden.
       
       ## „Ich kann meine Biografie nicht verändern“
       
       In der Akte wird ihm attestiert, über einen „gefestigten Klassenstandpunkt“
       zu verfügen, als „Agitator“ genieße er „Achtung und Anerkennung“. Es geht
       aus den Unterlagen aber nicht hervor, dass Holm selbst tatsächlich andere
       bespitzelt hat oder etwa in Abhöraktionen verwickelt war.
       
       Teile der Einschätzungen seiner Person könnte man im Gegenteil auch als
       Empfehlung lesen für die Funktion als Staatssekretär. So heißt es in der
       Akte: „Seine Leistungsbereitschaft wächst unter hohen Anforderungen. Er ist
       belastbar und Herausforderungen motivieren ihn in besonderer Weise. Das
       Bedürfnis, mit eigenen Ideen den Arbeitsprozeß zu bereichern, und die
       Fähigkeit mit Energie und Beharrlichkeit ein Ziel zu verfolgen,
       charakterisieren den Kandidaten in besonderem Maße.“
       
       Holm war etwas mehr als zwei Monate Offiziersschüler, dann fiel die Mauer.
       Anfang Januar wurde beschlossen, die Stasi aufzulösen. Auch das Ende von
       Holms Stasi-Laufbahn wurde in der Akte ordentlich vermerkt. Mit der
       Begründung: Der Offiziersschüler scheide „wegen struktureller
       Veränderungen“ aus der Behörde aus.
       
       Holm hatte sich auf dem Parteitag der Berliner Linken am Wochenende erneut
       zu seiner Vergangenheit geäußert. Auf [3][Twitter] ließ er am Montag
       verlauten: „Ich kann meine Biografie nicht nachträglich verändern – nur
       daraus lernen und einen offenen Umgang mit ihr anbieten.“ Die Partei
       stärkte ihm demonstrativ den Rücken. Der Regierende Bürgermeister Michael
       Müller wollte sich am Montag nicht zu der Personalie äußern.
       
       12 Dec 2016
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /!5361942
 (DIR) [2] http://www.bz-berlin.de/berlin/die-stasi-akte-andrej-holm
 (DIR) [3] https://twitter.com/AndrejHolm/status/808215736866967554
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Antje Lang-Lendorff
       
       ## TAGS
       
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