# taz.de -- Debatte um EU-Beitritt der Türkei: Erdoğan fordert Europa heraus
       
       > Die großen Fraktionen im Europaparlament fordern ein Einfrieren der
       > Türkei-Verhandlungen. Doch Kritik interessiert Erdoğan überhaupt nicht.
       
 (IMG) Bild: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan lässt sich von niemandem kritisieren
       
       Brüssel taz | Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdoğan ist auf
       Konfrontationskurs mit dem Europaparlament gegangen. Während die
       EU-Abgeordneten noch über den Wortlaut ihrer Türkei-Resolution
       verhandelten, die am Donnerstag in Straßburg beschlossen werden soll,
       fällte Erdoğan schon sein vernichtendes Urteil.
       
       „Diese Abstimmung hat überhaupt keinen Wert, egal welches Ergebnis
       herauskommt“, sagte der autoritär regierende türkische Präsident bei einem
       Treffen der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) in Istanbul.
       Es sei ihm „unmöglich, die Botschaft zu verdauen“, die das Parlament
       aussenden wolle.
       
       Dabei dürfte die Botschaft noch mild ausfallen. Die großen Fraktionen im
       Europaparlament fordern nicht etwa den sofortigen Abbruch der
       Beitritts-Verhandlungen mit der Türkei, sondern nur ein „vorübergehendes
       Einfrieren“.
       
       Damit lassen die EU-Abgeordneten ein Hintertürchen offen. Im Gegensatz zu
       einem Abbruch könnten die Gespräche nämlich jederzeit wieder aufgenommen
       werden – wenn Erdoğan zum Rechtsstaat zurückkehrt. Ein neuer EU-Beschluss
       wäre für die Wiederaufnahme nicht nötig.
       
       ## Angst vor „Lose-Lose-Situation“
       
       Sollte Erdoğan allerdings – wie mehrfach angedroht – die Todesstrafe
       wiedereinführen, so droht der endgültige Abbruch. Das würde bedeuten, dass
       die Mitgliedstaaten einstimmig über eine Wiederaufnahme der Verhandlungen
       entscheiden müssten, sagte die Türkei-Berichterstatterin des
       Europaparlaments, Kati Piri. „Das käme einem Ende des Beitrittsprozesses
       gleich.“
       
       „Die Europäische Union sollte ein politisches Signal an Erdoğan senden“,
       erläuterte der Fraktionschef der Konservativen, Manfred Weber (CSU), das
       vorsichtige Vorgehen. „Deswegen fordern wir die EU-Außenminister auf, die
       Beitrittsgespräche einzufrieren.“
       
       Allerdings ziehen die Mitgliedsstaaten nicht mit. Schon am Dienstagabend
       hatte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini gewarnt, ein Ende des
       Beitrittsprozesses käme einer „Lose-lose-Situation“ gleich – es würde nur
       Verlierer geben. Am Mittwoch distanzierte sich dann auch Bundeskanzlerin
       Angela Merkel von den Forderungen des Europaparlaments.
       
       Man müsse den „Gesprächsfaden“ mit der Türkei fortführen, sagte die
       CDU-Chefin bei der Haushaltsdebatte im Bundestag. Deutschland habe ein
       Interesse daran, mit der Türkei in einer vernünftigen Art und Weise zu
       kooperieren. „Das schließt aber nicht aus, dass das, was alarmierend zu
       sehen ist, klar angesprochen wird“, sagte Merkel. Wenn sich die deutsche
       Haltung nicht ändert, dürfte die Forderung des Europaparlaments ohne
       praktische Folgen für die Türkei bleiben. Erdoğan weiß das natürlich.
       
       23 Nov 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eric Bonse
       
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