# taz.de -- Streit um Freihandelsabkommen Ceta: Wallonien ist nicht allein
       
       > Medien und Politik fallen über die belgische Region her. Dabei teilen
       > viele andere Gegenden diese Kritik – doch die werden erst später gefragt.
       
 (IMG) Bild: Von wegen isoliert: Großdemo gegen Freihandelsabkommen in Berlin im September
       
       Berlin taz | So einig sind sich die deutschen Medien nur selten.
       „Lächerlich“ und „beschämend“ sei die Ceta-Blockade durch die belgische
       Region Wallonien, hieß es im „Tagesthemen“-Kommentar. Die „Glaubwürdigkeit
       Europas“ stehe auf dem Spiel, kommentierte Spiegel Online, und sogar die
       Frankfurter Rundschau sieht das Veto als „außenpolitische Blamage“.
       
       Auch aus der Politik ist vor allem Häme zu hören. „Wollen wir jetzt noch
       den Kirchengemeinderat von Biberach befragen?“, ätzte EU-Kommissar Günther
       Oettinger (CDU). Der CSU-Europaabgeordnete Manfred Weber sieht im Veto aus
       Wallonien ein „Versagen nationaler Politik, für EU-Parlamentspräsidenten
       Martin Schulz (SPD) zeigt es den „bedenklichen Zustand“ der EU.
       
       Doch allein ist die Wallonie mit ihrer Kritik am Freihandelsabkommen
       zwischen der EU und Kanada keineswegs. Europaweit haben über 2.000
       Regionen, Länder und Kommunen Resolutionen gegen Ceta und TTIP
       verabschiedet; eine Übersicht findet sich unter www.ttip-free-zones.eu.
       Doch im Gegensatz zu Wallonien werden sie derzeit nicht nach ihrer Meinung
       gefragt. Nur in Belgien braucht die Regierung die Genehmigung durch die
       Regionalparlamente, um Ceta unterschreiben zu dürfen. Andere Parlamente,
       die Mitgliedstaaten oder Regionen vertreten, werden erst gefragt, nachdem
       Ceta unterzeichnet wurde. Das gilt auch für Bundestag und Bundesrat in
       Deutschland.
       
       Und auch wenn die wütende Reaktion der deutschen Politik auf die Haltung
       Walloniens anderes vermuten lässt: Dass Ceta dort eine Mehrheit bekommt,
       ist keineswegs sicher. Denn die Grünen, gegen deren Stimmen Ceta im
       Bundesrat nicht verabschiedet werden kann, haben sich klar gegen das
       Abkommen gestellt. Daran hat sich durch die Zusatzerklärung zu Ceta, auf
       die sich die EU und Kanada mittlerweile geeinigt haben, auch nichts
       geändert, erklärte Grünen-Handelsexperte Sven Giegold. Deren Nutzen sei
       „zweifelhaft“, notwendig seien Änderungen „im Ceta-Vertrag selbst“.
       
       ## Berechtigtes Veto aus Belgien
       
       Doch auch innerhalb der SPD, die sich nur mit knapper Mehrheit und unter
       klaren Bedingungen für Ceta ausgesprochen hatte, halten viele das Veto aus
       Belgien für berechtigt. „Die Kritikpunkte sind fast identisch mit dem, was
       die SPD beim Konvent beschlossen hat“, sagt etwa der Bundestagsabgeordnete
       Marco Bülow. „Es ist katastrophal, wie Wallonien jetzt unter Druck gesetzt
       wird, weil sie ein Recht nutzen, das die Region nun mal hat.“
       
       Auch Matthias Miersch, der als Sprecher der Parlamentarischen Linken der
       SPD den Kompromiss beim Parteikonvent mit ausgehandelt hatte, sieht die
       massiven Druck auf Wallonien mit Sorge. „Statt übereinander herzufallen und
       Kritik als antieuropäisch abzustempeln, sollten wir miteinander reden“,
       sagte er der taz. „Die Konsequenz aus dem aktuellen Streit darf jedenfalls
       nicht sein, dass die Parlamente anschließend keine Änderungen mehr fordern
       dürfen.“
       
       Unterstützung bekommen die Wallonen auch aus der Zivilgesellschaft. „Das
       Nein Belgiens zu Ceta steht für das Nein eines großen Teils der Menschen in
       Europa“, sagte etwa Attac-Handelsexperte Roland Süß. „Sie teilen die Kritik
       an Sondergerichten für Konzerne und einer Aushöhlung der öffentlichen
       Daseinsvorsorge.“
       
       Felix Kolb vom Aktionsnetzwerk Campact wies den Vorwurf vieler
       Ceta-Befürworter zurück, für grundlegende Kritik sei es nach sieben Jahren
       Verhandlungen zu spät. „Während der Verhandlungen wurde den Kritikern immer
       gesagt: Wartet doch erst mal das Ergebnis ab“, sagte er der taz. „Jetzt, wo
       das Ergebnis vorliegt, heißt es: Nun ist es zu spät, noch etwas zu ändern.
       Das ist antidemokratisch.“
       
       Doch ob die Kritiker mit Sachfragen zu Inhalten von Ceta überhaupt noch
       durchdringen werden, ist derzeit offen. Schließlich hängt für viele Medien
       und PolitikerInnen an der unveränderten Verabschiedung von Ceta offenbar
       nicht weniger als die Zukunft Europas.
       
       25 Oct 2016
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Malte Kreutzfeldt
       
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